Innere Medizin


Induktionsapparat (6) n. Dr. S. EBEL

Tonisator, um 1930 

 

 

        Bei Lähmungen der Nerven schwindet die zugehörige Muskulatur. Um diese "bei Laune" zu halten, müssen die Muskel folgerichtig elektrisch gereizt und zum Arbeiten gebracht werden. So auch bei dem späteren deutschen Kaiser Wilhelm II, der bei der Geburt - er kam als Steisslage zur Welt - eine schwere Quetschung des Plexus brachialis erlitten hatte mit nachfolgender schlaffer Lähmung des linken Armes: Zehn Jahre lang wurde er als Kind einer Elektrisierungs-behandlung unterzogen und mit Wechsel- oder galvanischem Strom behandelt.

 

In den 1930er Jahren wurde die Faradisierung eine modische Erscheinung ..

 

Anzeige

"Tonisatorapparat für Schwellstrom-Massagen zu kaufen evtl. zu leihen gesucht. Gebr. Wagner, Esch-Alzig, Breitenweg Nr. 34" (Escher Tageblatt vom 8.5.1943).

 

Exponat

Aus dem Nachlass des ab 1922 auf L.-Limpertsberg niedergelassenen Arztes Camille GLAESENER (1887-1952) stammt dieser Elektrisierapparat der Berliner Firma Sanitas aus den 20-30er Jahren. Das Gerät diente der Elektrostimulierung des Nervensystems - was immer man darunter verstehen will. Der elektrische Strom des "Tonisator" wurde in 4 Trockenzellen produziert. Die Handkurbel (in der oberen Ecke links im Bild zu sehen) wurde in die rechte Seite des Kastens gesteckt und ein Uhrwerk aufgezogen, das dafür sorgte, daß der Stromabnehmer (Mitte des Bildes) minutenlang im Kreis über die 24 Stifte lief und dem faradischen Strom so eine an- und abschwellende Form gab, die Stärke des Stromes wurde an den Schaltern links eingestellt. 

 

Zum Erfinder

Das Patent des Gerätes gehörte ursprünglich einem Dr. Ebel, zu dessen Person ich lange recherchieren musste, bevor ich diese spärlichen Daten fand: Dr. Samuel EBEL (Wiener med. Wschr., 1918 S.188) war um 1909 mehrere Jahre lang Bade- resp. Kurarzt in Bad-Gräfenberg, der Heimatstadt des bekannten Vinzenz Prießnitz ... Er war 1918 auch in Abbazzia tätig. Er starb im März 1931, Beisetzung auf dem Zentralfriedhof in Wien Tor IV (Neues Wiener Journal, 20. März 1931).

Hersteller des Apparates: Electricitätsgesellschaft SANITAS, Berlin N24. Friedrichstr. 131d.

 

1925 (20.4.) ließ er sich als Dr. Siegfried Samuel EBEL einen Unterbrecher für elektro-therapeutische Einrichtungen patentieren (https://patents.google.com/patent/DE498678C/un) sowie diesen Apparat für Elektrotherapie (https://patents.google.com/patent/FR614797A/en) - ein Gerät, das mit seiner4-V-Trockenbatterie völlig harmlos daherkam, und mit jeder x-bliebigen Taschenlampen-Batterie betrieben werden konnte. 

Nach dem Tod des Erfinders (?) konstituierte sich in Wien eine "Tonisator-Gesellschaft" mit Sitz in der Seilerstätte n°15, die ihre Geräte mit viel Geschick an den Mann brachte (Neues Wiener Journal, 25. Dez. 1932):


"Krankheiten des Herbstes 

von Dr. rned. A. K. 

Medizin und Statistik haben herausgefunden, daß es eine  Anzahl von Erkrankungen gibt, die insbesondere im Herbst bedeutend zahlreicher auftreten als zu anderen Jahreszeiten. Der Uebergang von der warmen zur kalten Jahreszeit mit den durch den Sommer ungewohnten Temperaturdifferenzen, die Abendfeuchtigkeit und nicht zuletzt die Folgen der im Sommer zum Beispiel durch zu kaltes unbesonnenes Baden begangenen Sünden beginnen sich im Herbst zu rächen. Ebenso machen sich jetzt Sportverletzungen, zu denen der Sommer reichlich Gelegenheit bot und die gewöhnlich nicht mit dem erforderlichen Ernst behandelt wurden, doppelt unangenehm bemerkbar.Alle diese Erkrankungen, die oft mit großer Schmerzhaftigkeit verbunden sind, werden in der modernen Medizin außer durch die bekannten internen Behandlungsmethoden vornehmlich auf elektro-therapeutischem Wege behandelt. Hier spielt der nach Angaben von Dr. med. S.S. Ebel konstruierte „Tonisator" eine ganz besondere Rolle. Durch eine äußerst sinnreiche Konstruktion wird der elektrische Strom, im Gegensatz zu dem von veralteten Apparaten verabreichten, zu einem regelmäßig an- und abschwellenden Strom verwandelt, dessen Rhythmus sich weitestgehend den biologischen Vorgängen im menschlichen Körper anpaßt. Hiedurch wird dem Strom jede brüske und schmerzhafte Wirkung genommen, er wird angenehm und schmerzstillend empfunden. Selbst Kinder, die sich bekanntlich gegen jede elektrische Behandlung ablehnend Verhalten, sind ihm ohne weiteres zugänglich. Die Eigenschaften machen den „Tonisator" gerade bei den im Herbst häufig auftretenden Krankheiten unentbehrlich. Hieher gehören vor allem Erkrankungen der Muskeln, Gelenke und Nerven. Hiebei ist es gleichgültig, ob sie als akute Erkrankungen oder als Rezidiven von bereits seit Jahren bestehenden Muskel- oder Gelenks-erkrankungen auftreten: die „Tonisatorströme" bringen in den allermeisten Fällen schon nach wenigen Behandlungen dauernde Befreiung von den Schmerzen und endgültige Heilung.  Dieselben Erfolgs hat der „Tonisator" bei den schmerzhaften, häufig das Berufsleben störenden Folgeerscheinungen nach Sportverletzungen, wie Verrenkungen, Verstauchungen, Zerrungen, Folgen nach Knochenbrüchen usw., aufzuweisen. Nach ganz wenigen Sitzungen schwinden auch hier die Schmerzen und erfolgt dauernde Heilung. Eines speziellen Anwendungsgebietes des „Tonisators" sei bei dieser Gelegenheit noch gedacht, da gerade dieses im Herbst von großer Wichtigkeit ist. — Nimmt man nach dem Urlaub seine gewohnte berufliche Beschäftigung wieder auf, so zeigen sich anfänglich oft unangenehme Ermüdungserscheinungen, gegen die erfahrungsgemäß der „Tonisator" ein ganz hervorragendes Mittel ist. Alle Muskeln und Nerven werden dllrchgeknetet und machen eine Passive, äußerst heilkräftige Massage und Gymnastik durch, die ihre Rückwirkung nicht nur rm körperlichen Befinden, sondern auch in der gesteigerten geistigen Regsamkeit findet. Nicht mit Unrecht wird behauptet, daß die „Tonisatorströme" ein ausgezeichnetes und unschädliches Regenerationsmittel find" (Neues Wiener Journal,10. Sept.1933).

 

Lit.:

Schrottenbach Heinz, Ein Fortschritt in der Elektrotherapie: Der Tonisator nach Dr. Ebel, in: Münch.med.Wschr., 74,1801-1802 (1927).

Prinz, A., Der Tonisator in der täglichen Praxis, in: Mitt. d. Niederösterr. Ärztekammer u.d. Landesorganisation der Ärzte, Baden bei Wien.

Ein Leben für das Werk. Robert Otto zum Dank. Zusammengestellt und herausgegeben zum 40jährigen Bestehen der Electricitätsgesellschaft Sanitas und zur Vollendung des achtzigsten Lebensjahres ihres Gründers. 3. Oktober 1899 - 1939. Denk- und Festschrift. 130 (3) S. mit einer Vielzahl von sw. Abb. Format: 30x21,5.