Anästhesie


Bluttransfusionsgerät (1) n. HENRY und JOUVELET

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Am 6.10.1914 gelang Professor Emile JEANBRAU (1873-1950) von der Medizinischen Fakultät der Universität Montpellier am Hospital der Stadt Biarritz die erste direkte Bluttransfusion: zwischen einem Soldaten (Isidore Colas) und seinem ausgebluteten Kaporal (Henri Legrain). Im Mai 1917, mit der Erfindung der Beimischung von Natriumzitrat, gelang es, Blut zu konservieren. Dennoch blieb jahrzehntelang die direkte Blutübertragung im "Arm-zu-Arm"-Verfahren tägliche Praxis in unsern Spitälern.

Michael E. DeBakey wies 1934 auf die bisher entwickelte Vielzahl von Methoden der Bluttransfusion nach dem Prinzip des "milking-tube" hin, deren Instrumente jedoch von ihm als zu groß und unpraktisch empfunden wurden. Er modifizierte die Rollerpumpe dahingehend, dass eine bis dahin problematische Weiterbewegung des Pumpenschlauches während des Pumpvorgangs innerhalb der Pumpe durch eine Fixierung des Schlauches am Pumpengehäuse verhindert wurde. In der gemeinsam mit Charles Ernest Schmidt 1935 verfassten Patentschrift dieser "Surgical pump" (Pat.-Nr. 2018998) wurden weitere Vorteile beschrieben. So war die Förderung des Blutes in nur eine Richtung möglich, um zu verhindern, dass die Flüssigkeit vom Empfänger zum Spender gepumpt werden konnte. Außerdem war zur genauen Quantifizierung der Fördermenge ein automatischer Zähler der Pumpenumdrehungen installiert worden. Eine halbe Umdrehung dieser Pumpe entsprach dem Fördervolumen von einem Kubikzentimeter. Im gleichen Jahr präsentierten auch Henry und Jouvelet in Frankreich eine kleine Rollerpumpe zur Bluttransfusion, die ebenfalls einen Rotationszähler aufwies.

"Le sang est encore complet, on l'appelle le "sang total", il n'est pas séparé en ses différents composants et sa durée de conservation n'est pas illimitée. De plus, les organismes de collectes et de redistribution du sang ne sont pas encore vraiment organisés pour transporter les flacons. Donc, chaque unité de santé au sein des armées est équipée de ce dispositif de transfusion directe et d'urgence qui permettait, même dans des conditions précaires, de soutirer le sang d'un donneur compatible et de l'envoyer directement dans les veines du receveur" (https://www.france5.fr/sante/histoires/W00476/11/).

Pierre JOUVELET (1890 -?) war Militärarzt und lebte lange Jahre in China. "En 1916-1917 Jouveau Dubreuilh et P. Jouvelet donnent une nouvelle impulsion à l’établissement médical. Le second développe l’Institut de vaccination de Pei Men. Jouvelet œuvre à T ch e n - To u pendant dix ans, puis revient en Chine avec la mission Lytton (1932) et une mission Specia (1936)" (https://www.revuemedecinetropicale.com/135-135_-_history_trop_jmm.pdf).
Wegen seiner China-Erfahrung bestimmte man ihn 1932, um als Dolmetscher und Arzt die Mandschureikommission des Völkerbundes zu begleiten.

Ein Verbindungsschlauch zum vorgestellten Apparat wurde hergestellt in den Ets GAZEL, 5. route de Gournay in Noisy-le-Grand. Dabei fällt auf, dass auf der Verpackung die Rede geht von "Henry H. und Dr.P. Jouvelet" - Henry also offenbar kein Arzt war.

Über lange Jahre blieb die Transfusion ein eher experimentelles Unterfangen. 1935 wurden den Luxemburger Kollegen endlich praktikable Transfusionsgeräte vorgestellt:
"Im zweiten Teil der Sitzung stand die Frage der B l u t t r a n s f u s i o n auf der Tagesordnung, wobei die Herren Dr. L. Molitor, Dr. H. Loutsch, Dr. J. Faber und Dr. Fr. Demuth eingehend zu Worte kamen. Die Frage der Bluttransfusion beschäftigt schon seit längerer Zeit unser Rotes Kreuz, das in der Frage der Blutspender sowie in Bezug auf Aufklärung des Publikums hinsichtlich des grossen Wertes dieser neuesten Behandlungsmethode sich grosse Verdienste erworben hat. Herr Dr. Leon Molitor besprach die beim Menschen vorkommenden vier Blutgruppen sowie die mittels Testserums vorzunehmende Untersuchung des Blutes vom Spender und vom Empfänger. Das vom Roten Kreuz unentgeltlich verabfolgte Testserum gestattet, innerhalb einer halben bis anderthalb Minuten festzustellen, zu welcher Gruppe das Blut eines Empfängers gehört, wonach der entsprechende Blutspender zur sofortigen Blutabgabe herangeholt wird. Die in dieser Hinsicht von Dr. Molitor an Ort und Stelle vorgenommene Blut untersuchung eines der sympatischsten Aerzte aus dem Süden des Landes ergab innerhalb einer halben Minute, dass dessen Blut zu Gruppe B gehört. Herr Dr. Henri Loutsch besprach die ärztlichen Indikationen bei denen die Bluttransfusion vorgenommen wird. Hierzu gehören in erster Linie akute, starke Blutverluste, bei denen die Bluttransfusion lebensrettend wirkt, ferner Magengeschwüre, verschiedene chronische Bluterkrankungen, Kohlenoxyd, Gasvergiftung, ausgebreitete Verbrennungen sowie verschiedene akute Infektionskrankheiten. Die Bluttransfusion ist heute so weit gediehen, dass bei akuten Infektionskrankheiten Immunblut von an der betreffenden Krankheit geheilten Spendern übertragen wird, wobei nicht nur gesunde Blutkörperchen sondern im Serum des Spenders vorhandene Antikörper auf den zu behandelnden Kranken übertragen werden. Herr Dr. Jean Faber besprach die Technik der Bluttransfusion an Hand der verschiedenen Transfusionsapparate sowie die Vorsichtsmassregeln die bei diesem Eingriffe zu treffen sind. Herr Dr. Demuth erklärte die Organisation der vom Roten Kreuz geschaffenen Blutspenderdienstes. Dank seiner Propaganda verfügt das Rote Kreuz über Blutspender in Luxemburg, Esch an der Alzette sowie in zahlreichen Ortschaften des Landes. In nächster Zeit werden die Namen der Blutspender sämtlichen Aerzten des Landes zur Kenntnis gebracht, so dass dieser neue medizinische Dienst, dank dem Entgegenkommen des gesamten Aerztekorps sowie sämtlicher Krankenanstalten, sich im ganzen Lande zum Wohle der Kranken auswirken kann. Behufs weiterer Auskunft sowie zur Annahme und zur Untersuchung von Blutspendern steht das Rote Kreuz sämtlichen Interessenten zur Verfügung. Herr Präsident Dr. Jean Faber dankte den anwesenden Kollegen für ihr überaus zahlreiches Erscheinen, brachte den Dank der Gesellschaft an die anwesenden Aerzte aus Lothringen und aus Arlon sowie an Prof. Ed. J. Klein, Präsident der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Sektion des Grossherzoglichen Institutes zum Ausdruck und nahm alsdann in einem Saale des Bakteriologischen Institutes eine flott vonstatten gehende Blutübertragung von einer Spenderin auf einen Empfänger vor" (Escher Tageblatt vom 20.2.1935). Die Ärzte konnten also spâtestens ab 1935 ihre Spender aus einer Liste des LRK aussuchen ...

Vorgestellt wird eine Henry&Jouvenet-Pumpe, wie sie im Februar 1934 in der Académie de Médecine vorgestellt wurde und in den staatlichen Kliniken (Kriegsministerium, Marine, Kolonien und Assistance Pulique) zum Einsatz kam. "Fabriqué par les Ets Gazel à Noisy le Grand, distribué par les Ets D.Simal et At.Lebros, rue des Ecoles à Paris Vème".

1949 (!) verkauften die "Etablissements D. SIMAL et Auguste LEGROS Réunis, 26 r. des Ecoles à Paris" die hier vorgestellte Pumpe an die Klinik St. Elisabeth in Luxemburg.

Lit.:
Henry L, Jouvelet P: Appareil à transfusion du sang. Bulletin de l'Académie de Médecine 1934; 111: 312-319 .
Bernabé MT, The Jouvelet transfusion-accelerator pump, in: Soins Chir. 1987 Jun-Jul;(76-77)