Pharmazie


Pyramidon

PYRAMIDON
 

Phenazon wurde in den 1880er-Jahren in Erlangen von dem Münchener Ludwig KNORR (1859-1921) synthetisiert und 1884 als Antipyrin® lanciert.

Der Heilbronner Friedrich STOLTZ (1860-1936) und Ludwig KNORR gelten als Erfinder des Amino-Phenazon, welches 1897 von Hoechst als Pyramidon® auf den Markt kam. Allein in Deutschland war das weiße Pulver 1977 in fast 200 verschiedenen Arzneimitteln enthalten.

Aminophenazon ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Stickstoffheterocyclen bzw. bzw. Pyrazolon-Derivate. Es besteht also aus (dem in der Fieber- und Schmerz-therapie bekannten) Pyrazolon-Grundgerüst mit einer Aminogruppe in 4-Position des Pyrazolon-Heterocyclus.

 

 

Zum Hersteller

Die Chemie-Firma "Meister, Lucius & Brüning", später "Farbwerke Hoechst AG", startete mit Antipyrin und Pyramidon ihre Karriere als Arzneimittelhersteller: Es waren die ersten beiden Medikamente, die in den Fabrikhallen am Mainufer produziert wurden; bis dahin hatte sich das 1863 gegründete Unternehmen ausschließlich mit der Erzeugung synthetischer Farbstoffe beschäftigt.

 

 

Der Name

Der Name Pyramid(on) hat absolut nichts mit den ägyptischen Pyramiden zu tun. Die Wortschöpfung ist nachweislich durch Kürzung und Umschichtung der systematischen chemischen Bezeichnung entstanden, und zwar aus Dimethylamino-phenyl-dimethyl-pyrazolon (Univ.-Prof. Mag. pharm. Dr. Heinrich P. Koch: Woher kommen die Namen unserer Arzneimittel? Ein Streifzug durch Nomenklatur, Legislatur, Linguistik und Kulturgeschichte der modernen Arzneimittelnamen, in: Österreichische Apotheker-Zeitschrift, 11. Aug. 1990 S.604-612; 15. Sept. 1990 S.709-712; 3. Nov. 1990 S.851-859; 10. Nov. 1990 S.872-875; 8. Dez. 1990 S.956-961; 26. Jan. 1991 S.81).

 

 

Nebenwirkungen

Berühmt-berüchtigt war die Pyramidon-Agranulozytose: man nimmt an, daß auf 100 Patienten, die mit Pyramidon behandelt wurden, ein Fall von Agranulozytose fällt (Leopold Meyler, Richard Polák, Schädliche Nebenwirkungen von Arzneimitteln, Springer Verlag 1956 S.22).

Weniger bekannt ist die mögliche Umwandlung des Pyramidons in den krebserregenden Stoff Dimethyl-Nitrosamin (Der Spiegel n°34/1977). "Bis 1978 blieb Pyramidon ein mengenmäßig bedeutendes Produkt der Hoechst AG. Dann wurde es vom Markt genommen, weil Aminophenazon in den Verdacht geraten war, die Bildung von kanzerogenen Nitrosaminen im Organismus zu fördern. In Kombinationspräparaten wurde Aminophenazon meist durch Propyphenazon ersetzt" (Barbara Voll, Von der Weidenrinde zum Lysinat, in: Pharmazeutische Zeitschrift Ausgabe 10/1999). Dieser Verdacht hatte den Hersteller Jahre zuvor veranlaßt, seinem Pyramidon vorsorglich eine stöchiometrische Menge Ascorbinsäure zuzusetzen, da dieses im Tierversuch die Bildung von Dimethylnitrosamin verhindert (H. Kewitz, Medizinisch und wirtschaftlich rationale Arzneitherapie, Springer 1978 S.149).

Pyramidon ist seit 1978 nicht mehr im Handel. Reine Hysterie! Schon mit einer Portion Salami oder rohem Schinken ißt man nach Heidelberger Messungen (Prof. Rudolf Preußmann vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg) mindestens so viel Nitrosamin wie mit zehn ,Pyramidon'-Tabletten.

"Pyramidon durfte Anfang des 20. Jahrhunderts in keiner Hausapotheke fehlen. Es muss sich um ein wahres Allheilmittel gehandelt haben. Das Medikament war einsetzbar gegen Fieber, Entzündungen, aber auch Kopfschmerzen. Bereits 1893 hatte der in Heilbronn geborene Friedrich Stolz Pyramidon entwickelt. Der Apothekersohn Stolz kam in der Region herum. Er machte seine Apothekerlehre in Kupferzell, und arbeitete danach als Gehilfe in Weinsberg und in der Sicherer‘schen Apotheke in Heilbronn. Statt Apotheker wurde Stolz dann allerdings Chemiker. 1906 gelang es ihm als erstem Adrenalin künstlich herzustellen. Warum man das Wundermittel Pyramidon heute nicht mehr kennt, hat einen einfachen Grund: 1978 wurde die Produktion eingestellt, weil es Hinweise gab, dass das Medikament krebserregend ist" (Stimme.de, 30.4.2018).

 

 

Exponat

In Österreich wurde der Verkauf amino-phenazon-haltiger Medikamente erst ab dem 1. Jänner 1992 verboten. Karton- une Blechschachtel, 1980er Jahre (?).

Herkunft: Flohmarkt Völs/Innsbruck 8/2018.