Pharmazie


Reiseapotheke (12)

P1050392
 

 

 

Schauten Sie von oben in einen Apothekenkasten, wünschten Sie, gleich das Etikett lesen zu können, ohne jede Flasche einzeln hochheben zu müssen, um das Etikett auf ihrem "Bauch" lesen zu können: genau das war mit dieser etwas skurrilen Form der Beschriftung "on top" möglich ...

 

"Beckers (G.W.) neue Haus- und Reiseapotheke, oder medizinisches Noth- und Hülfsbüchlein, 2 Bände 8° 1815, 2 fl.30kr" (Wiener Zeitung, 24. Juli 1815). "nebst einer genauen Untersuchung aller wirksamen und überall zu habenden Hausmittel. Für Ökonomen, Landleute und Reisende" (Wiener Zeitung, 8. Jan. 1818). "Beckers (G.W.) neue Haus- und Reiseapotheke, oder medizinisches Noth- und Hülfsbüchlein, 2 Bände 8° 1815, 2 fl.30kr" (Wiener Zeitung, 24. Juli 1815). "nebst einer genauen Untersuchung aller wirksamen und überall zu habenden Hausmittel. Für Ökonomen, Landleute und Reisende" (Wiener Zeitung, 8. Jan. 1818).

Der Leipziger Gottfried Wilhelm BECKER (1778-1854) war ein damals renommierter Arzt und populärwissenschaftlicher Schriftsteller.

 

Bekannter ist der Verfasser der nächsten Reiseapotheke: "Hufeland's Haus- und Reiseapotheke, ein Rathgeber dieser Art sollte billiger Weise in keiner Familie fehlen; man findet darin die hilfreichsten, wohlfeilsten und zugleich unschädlichsten Hausmitiel gegen die obigen Krankheiten" (Vereinigte Ofner-Peste Zeitung, 23. Juni 1842). In mehreren Auflagen erschienen, wurde sie zum Standardwerk der Reisenden.

 

"Der wohlfeilste Hausarzt in der Brieftasche. Ein augenblicklicher und verlässlicher Rathgeber, um sich selbst und seinen Angehöngen bei plötzlichen Unglücks- oder Krankheitsfällen, ohne Hilfe eines Arztes, schnell Rettung oder Erleichterung zu veiscbaffen. Nebst Angebe von mehr als 500 Hausmitteln, mit besonderer Rücksicht auf deren Ünschädlichkeit und der Einrichtung einer Reiseapotheke. In alphabetischer Ordnung verfasst von einem menschenfreundlichen Arzte. Siebente vermehrte Auflage. Preis" (Innsbrucker Nachrichten, 21. Nov. 1881) – der Name des angebl. menschen-freundlichen Arztes blieb dem Leser verboten.

 

Die Homöopathie als Inbegriff der Selbstmedikation greift um sich: "Es gibt in Deutschland fast nur nach homöopathischem Princip zusammengestellte Reiseapotheken, die man durch jeden Apotheker sich verschreiben lassen kann. Um aber eine zweckmäßige Reiseapotheke sich zusammenzustellen, ist es nöthig, sich von einem Arzte die hauptsächlichsten Arzneimittel mit einer kurzen Anweisung des Gebrauchs notiren zu lassen, unter Berücksichtigung der Reiseroute, da man je nach der Gegend, die man bereist, gewisse Mittel mehr oder weniger nöthig hat" (Illustrirter Zeitung, 30. Jan. 1864).


Neben diesen Reiseapotheken für Laien, die eher Rathgeber für Reisende waren als Apotheken, gab es in entlegenen Regionen die Reiseapotheke des Hausarztes: "Die Apotheke des Kalmykiscben Arztes bestand in einem ledernen Sacke., in welchem mehrere lederne Beutel mit mongolischer Aufschrift befindlich waren; in diesen steckten die einzelnen Medicamente, alle in trockener Form, gröfstentheils in kleiner Quantität. Unter denselben waren hauptsächlich Kampher, Zimmt, Cardamom, Rheinfarrensaamen, gelbes Sandelholz, Mahagony, Myrobalonen, Rhabarber, Süßholzsaft und Auripigment. Das Süßholz wird von ihm bei kranken Augen, Rhabarber bei Geschwüren, Rainfarrensaamen bei Halsweh, und Auripigment bei kalten Geschwülsten gebraucht, und zwar alles äußerlich, das Auripigment namentlich in Salbenform. Seine Kunst schien sich demnach besonders auf äufserliche Behandlung zu beschränken. Ein kleiner Sack mit ledernen Beutelchen, der bei den Krankenbesuchen an den Sattel des Pferdes gehangen zu werden pflegte, constituirte die Reiseapotheke" (Joh. Friedr. Erdmann, Reisen im Inneren Rußlands, in: Litterarische Annalen der gesammten Heilkunde, Berlin 1826 S.110).


Echte Reiseapotheken enthielten eine Unzahl von zerbrechlichen Fläschchen. 1873 stellte ein Apotheker aus Venedig daher auf der Weltausstellung in Wien eine bruchsichere Neuheit vor: "Eine vorzügliche Idee hat ein Venezianer Apotheker, der eine Reiseapotheke in der Weise herstellt, daß er die einzelnen Medikamente in Gelatine gleichmäßig vertheilt. Seine Reiseapotheke ist nun nichts weiter als ein Buch, in welchem solche medikamentöse Gelatinetäfelchen, enthaltend Digitalin, Chinin, Morphium, Coloquinten und Tartarus stibiatus, also die vorhin, im Eingange dieses als beinahe unentbehrlich bezeichneten Materialien enthalten sind. Die Dosierung erfolgt einfach derart, daß man für einen jeden Patienten je nach Bedarf ein größeres oder kleineres Stück der Gelatine herunter schneidet" (Neues Wiener Tagblatt, 23. Okt. 1873).

 

Für Expeditionsreisen konzipierte der Apotheker BROEKER eine Apotheke, die er ausstellte: "Zum Gebrauche für Forschungsreisen eingerichtet, hatte der Apotheker Broeker eine tragbare Reiseapotheke exponirt, welche bei einer relativ grossen Anzahl ausgewählter Medicamente und anderweitiger Hilfsmittel eine leichte und schnelle Handhabung gewährt" (Mittheilungen der keiserl.-königl. Geographischen Gesellschaft, 1875 S.535).

 

Exponat

Ensemble von 9 Fläschchen – keine zwei sind identisch – die aus einer Reiseapotheke stammen dürften, die beim Kauf nicht mehr vorhanden war.  

Acid. tartaric. in pulv. (Weinsäure; lokale Desinfektion),

Cocain. hydrochl. (Kokain; ört. Betäubung),

Jodoform. (Jodoform; 1822 erstmals hergestellt),

Kal. hypermang. (Kaliumhypermanganat; lokale Desinfektion),

Linim. styrac. (Styraxliniment; Krätzmittel),

Plumb. acetic. crist. (Bleiacetat; giftiger Zuckerersatz),

Tinct. jodi (Jodtinktur; Hautdesinfektion),

Tinct. opii (Opiumtinktur; schmerzstillend),

Zinc. sulfur. (Zinksulfat; blutstillend, bakterientötend).