Pharmazie


Salvarsan, Myo-

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Ein neues Produkt

1927 kam Myo-Salvarsan in den Handel, chemisch das Na-Salz der Dioxydiaminoarsenobenzol-dimethansulfosäure, während Salvarsan die Dinatriumverbindung des Diaminodioxyarsenobenzols und Neosalvarsan Diaminodioxyarsenobenzol-monomethansulfinsaures Natrium war. 

 

Die Fachpresse schrieb zu dem "neuen" Salvarsan:

"Das Myo-Salvarsan ist als dioxydiaminoarsenobenzol-dimethansulfonsaures Natrium chemisch dem Neosalvarsan außerordentlich ähnlich, jedoch ist es weniger oxydabel und kann gelöst ohne Zersetzung zu erleiden oder an Toxyzität zuzunehmen, mehrere Stunden an der luft stehen. Die klinischen Erfahrungen mit Myo-Salvarsan, die in der Herxheimer-schen Klinik in Frankfurt a.M. gesammelt worden sind, zeigen, daß das Myo-Salvarsan Hoechst in der Tat ohne Nebenerscheinungen vertragen wird, was sich von ähnlichen ausländischen Präparaten nicht sagen läßt, innerhalb ein bis 2 Tagen ohne Infiltratbildung resorbiert wird und daß auch seine Wirkung, was das Verschwinden der Spirochäten anbetrifft, eine gute ist. (..) Die intramuskuläre und subcutane Injektion von Myo-Salvarsan soll die intravenöse Injektion von Neosalvarsan mit ihren guten Erfolgen nicht verdrängen. Myo-Salvarsan ist also nur für die Fälle bestimmt, in denen eine intravenöse Injektion undurchführbar ist" (Wiener med. Wochenschrift 1927 S.1326).

 

Frage eines Lesers: "In neuester Zeit wurde statt des nur interavenös anwendbaren Neosalvarsans ein intramuskulär zu injizierendes Myosalvarsan empfohlen; kann dieses Myosalvarsan das Neosalvarsan ersetzen und wie ist die Dosierung?" Antwort der Experten: hinsichtlich der Beeinflussung luetischer Symptome ist das Myosalvarsan, wenn auch in seiner Wirkung etwas weniger rasch, der des Neosalvarsans annähernd gleich. Ob es sich auch für die Abortivbehandlung ebensogut eignet wie das Neosalvarsan, ist noch nicht entschieden – schrieb die Fachwelt 1928 (Medizinisches Seminar: Neue Folge, herausgegeben vom Wissenschaftlichen Ausschuss des Wiener medizinischen Doktorenkollegiums, Wien 1928). 

 

 

Exponat

Ausgestellt ist ein Ärztemuster mit 0,3 g Wirksubstanz "Staatlch geprüft im Institut für experimentelle Therapie Frankfurt a.M. am 25.4.1929. Import aus Bulgarien (!). Dosierung: Amp. zu 0,10-0,6 intramusculär, 2 Injektionen pro Woche, steigend (im ganzen 3-4 g).

 

 

Epilog

Da Myosalvarsan, trotz anfänglicher Euphorie, ausländischen Präparaten nicht ganz ebenbürtig war, gab die I.G.-Farbenindustrie 1933 Solu-Salvarsan heraus. Auf dem Markt aber konnte sich nur Neosalvarsan behaupten ...

 

Lit.:

Wilhelm Kolle (1868-1935), Über Myosalvarsan, ein schmerzlos intramuskulär und subcutan injizierbares Salvarsanpräparat, in: Dtsch.med.Wochenschr. 1927 S.475.

Bernhard de Rudder (1894-1962), Erfahrungen mit Myosalvarsan, in: Münch.med. Wochenschr. 1927 Nr.50 S.2143.