Pharmazie


Diuretin

DIURETIN
 

 

 

   Im 19. Jahrhundert begann der Siegeszug der synthetischen Arzneimittel.

- 1875 das Pilocarpin aus dem Jaborandiblättern,

- 1891 das Digitonin aus dem Fingerhutblättern

- 1899 das Digitoxin.

Praktisch jede Pflanze, deren pharmakologische Wirkung z.T. schon Jahrhunderte lang bekannt war, wurde auf ihre Inhaltsstoffe untersucht.

 

Der nächste Schritt wurde gemacht, als vorhandene pflanzliche Inhaltsstoffe "verbessert" wurden, etwa indem die Löslichkeit oder auch ihre "Giftigkeit" verändert wurden. So konnte das schwer lösliche Theobromin als Natriumsalz mit salicylsaurem Natrium als "Diuretin" der Fa. Knoll 1895 und mit essigsaurem Natrium als "Agurin" 1901 von der Fa. Bayer in den Handel gebracht werden.

 

Zum Diuretin

1887 gelang Hans Christian Joachim GRAM (1853-1938), bekannt wegen der von ihm angegebenen bakteriologischen Färbung, in Kopenhagen die Synthese des Doppelsalzes. Das Theobromin löst sich mit großer Leichtigkeit in Alkalien unter Bildung von Alkalisalzen auf; das durch Lösen von Theobromin in Natronlauge entstehende Theobromin-Natrium vereinigt sich mit Natriumzitrat zu einem Doppelsalz, dem Theobromin-Natrium-Natriumsalicylat, welches unter dem Namen Diuretin in den Handel kam.

1889 empfahl er auf Grund der Arbeiten von v. SCHROEDER dessen Anwendung zur medizinischen Behandlung.

"The experiments of Schroeder reported in 1889, and confirmed by clinical observations made at Schroeder's suggestion, the same year by Gram, of Copenhagen, established the value of the alkaloid theobromine, a product of the seeds of Theobroma cacao, as a diuretic of great power, acting by direct stimulation of the renal epithelium and lacking in the unpleasant effects upon the nervous system, tinnitus, restlessness, insomnia and delirium, attributed to its homologue caffeine. Gram, after trial of many compounds, overcame the disadvantage of the insolubility of the alkaloid by forming, by combination with salicylate of sodium, a double salt, sodium-theobromine-salicylate, which should contain at least 46.5 per cent of the theobromine (Knoll's is said to contain 48 per cent.) and to which the name diuretin has been given. The therapeutic as well as commercial value depends upon its richness in theobromine. The compound occurs in the form of a white powder".

 

1891 begann mit der Markteinführung des „Diuretin-Knoll“ der Siegeszug einer in der modernen Medizin unentbehrlichen Medikamentenklasse, der Diuretika. Das weiße, amorphe, kristallinische Pulver - als Theobrominnatriosalizylat offizinell – war ein harntreibendes Mittel bei Wassersucht, Nieren und Herzkrankheiten. Während das im „Diuretin“ enthaltene Theobromin (Hauptalkaloid der Kakaobohne) heute keine therapeutische Bedeutung mehr besitzt, sind Substanzen wie Hydrochlorothiazid, Spironolacton und der Klassiker Lasix®.

 

Diuretin wurde vor allem als Diuretikum eingesetzt, aber auch bei Herzinsuffizzienz und bei Asthma. Vom Standpunkt der Urinausscheidung betrug die beste Dosis 50mg/kg KG, sollte möglichst viel Harnsäure ausgeschieden werden, so wurde 100mg/kg KG empfohlen. "Das Diuretin war sehr verbreitet, von 1895 bis 1932 war es das am meisten verwandte Theobrominderivat in Amerika, wohl auch in Europa. Insgesamt war es fast 70 Jahre lang auf dem Markt" (Cordula Schaarschmidt,  Theobromin zur Geschichte  und Gegenwart eines Wirkstoffs, These München 2008 S.61).

 

Exponat

Fläschchen mit Inhalt, in den USA vertrieben von der Importfirma des Chemikers Dr. Ernst August BILHUBER (1891-1973). Nach 3 Jahren Chemiestudium in Deutschland war der Princeton-Abgänger 1916 in die USA zurückgekehrt.