Pharmazie


Quecksilber-Pflaster

Merkurialpflaster 1
 

 

    Heutzutage sind transdermale Pflaster ein Zukunftsmarkt. Doch gab es schon einmal eine Zeit, als diese Darreichungsform Top-in war. So wurde die lokale Anwendung des Quecksilbers schon in den frühesten Zeiten geübt.

 

   1506 lobte der italienische Arzt Angelus BOLOGNINUS das mit Quecksilber hergestellte Pflaster. Das am meisten verwendete derartige Präparat war das 1535 von Pietro Andrea MATTHIOLUS (1501-1577) empfohlene "Emplastrum mercuriale", das einen Ersatz des alten, nicht hergestellten "Emplastrum de Vigo", nach dem Leibarzt des Papstes Julius II Giovanni da VIGO (1450–1525) benannt, bildete. Das in Frankreich noch im 20. Jahrhundert gebräuchliche Sparadrap de Vigo war ein "Emplastrum adhaesivum" mit einem Gehalt von 20% Quecksilber (Joh. Almkwist, Syphilis-Therapie, Springerverlag 1928). Den gleichen Gehalt hatte das in Deutschland und Österreich hergestellte "Graue Pflaster", während es in andern Länders bis zu 35% Hg enthielt. Sehr brauchbar war auch das von dem Hamburger Dermatologen Paul Gerson UNNA (1850-1929) angegebene und von dem Altonaer Apotheker Paul Carl Beiersdorff (1836-1896) hergestellte graue Pflaster "Quecksilberguttaplast".

 

"Das Quecksilberpflaster, bey den Wundärzten, ein mit Terpenthin abgeriebenes Quecksilber, so fern es als ein Pflaster gebraucht wird; Emplastrum mercuriale" (Johann Christoph Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, 1774–1786).

 

Prominenter Patient wurde der amerikanische Präsident Georges Washington (1732-1799): "Er fing sich eine Erkältung oder Grippe ein, während er draußen im Regen ritt, und die Ärzte kamen und zuallererst ließen sie ihn zur Ader, setzten ihm Blutegel an. Das half nicht. Er fühlte sich schlechter, also ließen sie ihn dann ohne die Blutegel zur Ader. Sie schnitten ihn einfach und ließen ihn in einen Eimer bluten. Und dann half das nicht, also wurden ihm Quecksilberpflaster gegeben. Und er fühlte sich sogar noch schlechter und dann schließlich gaben sie ihm also Quecksilber zum Einnehmen. Und das tötete ihn. Er wurde im Prinzip totgedoktert. Und er war nicht der letzte".

 

"Quecksilberpflaster wird bereitet aus 2 Teilen metallischem Quecksilber, 1 Teil Terpentin, 6 Teilen Bleipflaster und 1 Teil gelbem Wachs. Es enthält das Quecksilber in feinster Verteilung" (Meyers Konversations-Lexikon, 1888).

 

"Quecksilberpflaster ist grau und darf mit unbewaffnetem Auge keine Quecksilber-kügelchen erkennen lassen" (Eugen Dieterich und ‎Karl Dieterich, Neues Pharmazeutisches Manual, Springerverlag 1913).

"Als Ersatz der Schmierkur sind Einreibungen mit Quecksilberseifen (Beiersdorf, Görner, Unna) sowie das Tragen oder Auflegen von Quecksilbersäckchen (Welander) oder Quecksilberpflastermull (Unna, Merkolinthsdiurz von Blaschko) empfohlen worden. In die Praxis vermochten sich diese Maßnahmen indes nicht einzubürgern" (Paul Mulzer, die syphilitischen Erkrankungen in der Allgemeinpraxis, Lehmanns Verlag 1922).

"Das Quecksilber wird mit dem Wollfett innig verrieben und die Verreibung in der durch Schmelzen erhaltenen, halberkalteten Mischung aus dem Wachs und dem Bleipflaster gleichmäßig verteilt" (Prof. Dr. O. Anselmino, Prof. Dr. Ernst Gilg, Kommentar zum Deutschen Arzneibuch 6. Ausgabe 1926 S. 527-528).

Während Syphilis über Jahrhunderte mit subcutanen oder intramuskulären Quecksilberinjektionen, sowie mit Pflastern behandelt wurde, trat die Quecksilbertherapie der Syphilis nach der Entdeckung des SALVARSAN durch Paul Ehrlich im Jahr 1910 in den Hintergrund. Daher die sehr engherzige Empfehlung für das Pflaster aus dem Jahr 1930 "resorbierend und antiparasitär" (A. Perutz, C. Siebert, R. Winternitz, Pharmakologie der Haut, in: Handbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten Arƶneimittel, Springerverlag Berlin 1930). 

 

Zum Citocoll-Praeparat

  Die ersten Kautschukpflaster kamen um 1870 in den USA in den Handel. Die Pflastermasse war bereits auf Stoff gestrichen und das gebrauchsfertige Pflaster haftete schon auf der Haut. Nachteilig aber war die sehr begrenzte Lagerzeit, da die Füllstoffe wie verschiedene Stärkearten und Veilchenwurzelpulver verhältnismäßig rasch verdarben. Auch zeigten sich oft unangenehme Hautreizungen nach ihrer Anwendung. "Citocoll hydrargyres" ist ein derartiges Kautschuk-Pflaster" (GEHES Codex 1922 S.17).

Woher kam der Name "Cito"? Hier eine mögliche Erklärung: 1896 brachte Troplowitz das „Cito Sport-Heftpflaster“ zum Abdichten defekter Fahrradreifen auf den Markt – das weltweit erste technische Klebeband. Auf Lateinisch bedeutet Cito nichts anderes als "zügig", "schnell".

  

Exponat

19.5 cm lange Rolle mit quecksilberdurchtränktem Pflaster in einer 21x4.5x4.5 cm grossen Kartonverpackung. Herstellerfirma ? (verschlungene Buchstaben HGZ - Geschenk von Herrn Mag.Dr.Andreas Winkler.

Nota: ein ähnliches Produkt wurde in den USA von Johnson&Johnson hergestellt (https://www.ub.edu/pharmakoteka/node/27070).