Pharmazie


Steinoel: LEUKICHTAN

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Große 250g Blechdose, Praxisgröße, 1933

 


1880 erwarben die Hamburger Geschäftsleute Heinrich Cordes und Gustav Hermanni (gest. 1908) die Schürfrechte und die Erlaubnis zur Wiedereröffnung der Maximilianshütte in Reith/Seefeld und gegründeten 1884 die „Österreichische Ichthyol GmbH Ichthyol-Gesellschaft". 1925 brachte sie das erste Arzneimittel mit dem dunklen Ichthyol unter dem Handelsnamen Ichtholan® auf den Markt. 1933 wurde helles Ichthyol (Leukichtan®) entwickelt, das zur Behandlung von oberflächlichen Hauterkrankungen wie Akne, Neurodermitis, Psoriasis und zur Wundheilung und bei älteren, nicht nässenden Geschwüren der Haut eingesetzt wird.



Herkunft: aufgelöste Praxis des Arztes STEINER in Matrei a.Br.

 

Die Salbe (Leukichtansalbe) wurde als 20g-Packung 1936 registriert (Reg.-Nr. 4531) (Pharmaceutische Post 19. September 1936).


„Leuk-Ichtan-Salbe (Oesterreichische Ichthyol-Gesellschaft m.b.H., Reith b. Seefeld/Tirol): Enthält je 10 % Leukichtan u. Lebertran, 80 % Zinksalbe“ (Chemisches Zentralblatt Nr.13 vom 29. September 1937 S.2396).

 

Zur Geschichte des Ausgangsstoffes

"Die Nachrichten über das Seefelder Schieferöl reichen weit zurück und verlieren sich im Sagenhaften. In der kleinen Ortschaft Leithen findet sich ein Gemälde an einer Hausfront, welches den Zweikampf zwischen dem ortsansässigen, bäuerlichen Riesen Thyrsus und einem fremden Ritter Haymon darstellt. Thyrsus soll angeblich um 860 n.Chr. in diesem Hause gelebt haben. Er wurde in dem Zweikampf erschlagen und sein Blut versickerte im Boden. Der Volksmund deutete das aus den Schiefern gewinnbare dunkle Öl als das Blut des Thyrsus, woraus sich die mundartliche Bezeichnung als "Dirschen-öl" ableitete. Die moderne Chemie hat festgestellt, daß das Öl tatsächlich eine Beziehung zu Blut besitzt. Es lassen sich sogenannte "Porphyrine" nachweisen, die Abkömmlinge des roten Blutfarbstoffes sind. Aber das hat natürlich nichts mit dem Riesen Thyrsus zu tun.


Wie es sich wirklich bei der Entdeckung des Öles verhalten haben mag, das können wir nur mutmaßen. Möglicherweise sind Bitumenmergelbrocken in ein Hirtenfeuer oder in einen Kohlenmeiler geraten und die Leute wurden auf das ausschwitzende Öl und den stinkenden Qualm aufmerksam. Neugierig, wie der Mensch seit eh und je gewesen ist, haben sie daran herumprobiert, ob und was man mit dem öligen Zeug anfangen kann. Der eine hat seine Wagenachsen damit geschmiert, der andere eine eitrige Wunde seines Ochsen damit behandelt, der dritte seine Lampe gefüllt und angezündet. Siehe da! Das Dirschen-öl erwies sich als brauchbar, insbesondere war seine heilsame Wirkung bei allerlei Gebresten des Viehs unverkennbar. So bildete sich bald eine Technik heraus, wie man das Öl herausdestilliert und in Vorlagen auffängt und die armen Bergbauernfamilien gingen den dunklen Schiefern nach, gewannen sie im Eigenlöhnerbetrieb und verschwelten die Schiefer. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts ist die Gewinnung des Dirschenöls bereits im Gebiet von Reith urkundlich belegt. Die "Olearii" gewannen das Öl nicht mehr nur für den eigenen Hausgebrauch, sondern begannen eine Handelschaft. Kraxenträger brachten das geheimnisvolle Öl immer weiter im Land herum. Das Geschäft muß geblüht haben, denn die Landesregierung erklärte die Ölschiefer als »vorbehaltenes Mineral" und machte die Gewinnung genehmigungs- und abgabepflichtig. Daher werden auch heute noch vom Staat Grubenfelder auf Ölschiefer-verliehen und unterliegen allen Vorschriften des Bergrechtes.


Im Laufe der Jahrhunderte breitete sich der gute Ruf des Dirschenöles als Heilmittel für das Vieh immer weiter aus, aber es blieb zunächst bei den bäuerlichen Kleinbetrieben. Wie gesagt, versuchte man 1839 das Öl industriell zu gewinnen um eine eigene österreichische Produktion von Petroleum für Beleuchtung ins Leben zu rufen. Das Unternehmen scheiterte an den zu hohen Gewinnungskosten gegenüber dem flüssigen Erdöl der Amerikaner. Ebenso erging es auch dem Asphaltwerk von Scharnitz, das im Weitkar und Eddgraben im Karwendel Ölschiefer erschürft hatte.


In den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde der Hamburger S c h r ö t e r, der wegen Silbermutungen ins Karwendel geschickt worden war, auf das Seefelder Öl aufmerksam. Er faßte den Gedanken das stinkende Öl so umzuwandeln, daß es auch in der Humanmedizin seine heilende Wirkung geltend machen könne. Es gelang ihm dies in der Tat durch "Sulfonierung", d.h. durch Behandeln mit konzentrierter Schwefelsäure. Aus dem Öl wurden hierdurch wasserlösliche Sulfonate, die in Form von Ammoniumsalzen als Salben verwendet werden konnten. Das neue Produkt erhielt den Namen „Ichthyol", zusammengesetzt aus dem griechischen Wort „Ichthys" = Fisch und „Oleum" (lateinisch) = Öl. Damit war der Start gegeben. Es fanden sich Hamburger Kaufleute, die das Kapital riskierten, die Schürfrechte wurden erworben, die Maximilianshütte in Stand gesetzt und das Ichthyol als Heilmittel lanciert. Der Name war wohl deswegen gewählt worden, weil in den Begleitgesteinen der Ölschiefer nicht selten Fischschuppen, manchmal auch größere Teile von fossilen Fischen versteinert aufgefunden worden waren. So meinte man, daß das Öl aus Fischkadavem entstanden sei. Dies ist aber sicher nicht richtig. Mögen die Fische vielleicht einen winzigen Bruchteil dazu beigetragen haben, die größte Masse ist sicher aus dem Plankton des Meeres entstanden, aus jenen winzigen tierischen und pflanzlichen Lebewesen, die in unerhörter Menge das warme, besonnte Meerwasser erfüllen.
Die Kaufleute hatten mit dem neuen Ichthyol Glück: Der beste Hautspezialist der damaligen Zeit P. G. U n n a prüfte die Wirksamkeit, veröffentlichte seine Untersuchungen und gab damit den Anstoß zu einer Menge weiterer medizinischer Arbeiten, die das Mittel rasch in der ganzen zivilisierten Welt bekannt machten.


So weit, so gut. Aber Sie werden fragen, wie hängt der Faulschlamm mit dem Bitumen zusammen, wie wird aus dem Bitumen das 01 und aus was besteht dieses eigentlich, wie kommt es zu seiner medizinischen Wirksamkeit?
Der Faulschlamm enthält die unverwesten organischen Reste, d.h. Fette, ÖIe, Kutin der Zellwände, Eiweißstoffe, wie sie Fleisch und Blut zusammensetzen, Wamse, Harze. Alle diese Stoffe können allmählich in "Proto-bitumina" übergehen, indem Kohlensäure und Wasser aus den Molekülen abgebaut werden. Es bleiben zurück "Kohlenwasserstoffe", teils mit langen C-Ketten, bei denen die freien Valenzen des Kohlenstoffes mit Wasserstoff abgesättigt sind, teils ringförmig gebaute Kohlenwasserstoffe wie das Benzol oder aum komplizierte, mehrzyklische Verbindungen, in denen neben Kohlenstoff und Wasserstoff auch Stickstoff und Schwefel in beträchtlicher Menge gebunden sein kann. Die Fülle der verschiedenen Verbindungen ist sicher sehr groß. Es ist völlig unmöglich sie aufzuführen, schon deswegen, weil nur ein kleiner Bruchteil von ihnen identifiziert ist. Durch fortschreitende "Kondensation", d.h. Verknüpfung zu längeren Ketten gehen die "Protobitumina" allmählich in die sehr stabilen "Poly-bitumina" über, die in den Schiefern vorhanden sind".

 

Quelle

https://www.zobodat.at/pdf/Jb-Verein-Schutz-Alpenpfl-Tiere_36_1971_0143-0153.pdf