Pharmazie


Infundierapparat resp. Dekoktorium

um 1880 

Kaiser Friedrich II. von Hohen- staufen hat um 1240 die Ausübung der Heilkunst in zwei Berufe geteilt – in den des Arztes und in den des Apothekers, weil er erkannte, dass die Aufgaben in der Heilung des Kranken zu mannigfaltig sind, um sie einer Berufsgruppe allein aufzuerlegen. Was er zuerst für das Königreich Sizilien und Unteritalien – er lebte ja ausschließlich in Palermo – geltend machte, kam etwa 60 Jahre später auch in den nördlichen Reichsgebieten zum Durchbruch. So finden wir 1303 die erste öffentliche Apotheke in Innsbruck und 1320 in Wien.
Im Laufe des 14. Jahrhunderts wandelte sich der Apotheker vom fliegenden Händler zum wohlhabenden Patrizier, der nicht nur Heilpflanzen, Gewürze und Drogen verkaufte, sondern auch selbst Arzneimittel in seiner Offizin herstellte. Später verlagerte sich die Arzneimittelherstellung von der Offizin in ein abgesondertes Labor, und noch heute wird der Verkaufsraum einer Apotheke als Offizin bezeichnet. Für die Entwicklung und Ausstattung eines Apothekenlaboratoriums war die Alchemie von großer Bedeutung. Allerdings verwendeten die Apotheker des 16. und 17. Jahrhunderts anders als ihre Kollegen aus der Alchemie ihr Wissen zur Herstellung von wirksamen Arzneimitteln. An die Stelle der alchemistischen Techniken trat ab der Mitte des 18. Jahrhunderts die pharmazeutische Chemie.

Zur Inneneinrichtung eines grösseren Laboratoriums gehörte klassisch ein Athanor, ein Langzeitbrennofen, der bis ins 18. Jahrhundert gebräuchlich war. An den Wänden reihten sich technische Laborgläser aneinander, die vor allem zur Destillation verwendet wurden (Retorten, Destillierhelme (Alembices), Vorlagegefäße, Kolben und Phiolen unterschiedlichster Farb- und Formgebung). Daneben standen Gerätschaften wie Filtriergeräte, eine Salbenmühle, ein Reihe Tinkturenpressen, Schmelztiegel verschiedener Größen und (beispielhaft für jüngere Zeiten) Berzeliusbrenner, Woulffsche Flaschen, Polarisationsapparat und andere Geräte des analytischen Laboratoriums.

Die medizinalischen Theegetränke unterscheiden sich grundsätzlich in drei Herstellungsarten
- den Aufguss (frz. une infusion). Für einen Aufguss oder Thee werden die frischen oder getrockneten Pflanzentheile mit heißem oder kochendem Wasser übergossen und darin für eine bestimmte Zeitspanne belassen. Dann wird abgeseiht.
- das Dekokt (frz. la décoction, le décocté) [décocter heist im vulgären Argo-Französisch soviel wie "chier" und "déféquer" - sch...n ]
- das Macerat (frz. une macération). Das Macerat oder auch Kaltauszug genannt, ist für die Ingredienzien von frischen Blütenthees die schonenste Methode. Hier wird einfach kaltes Wasser über die Pflanzentheile gegossen und das Ganze für mindestens ½ Stunde bis zu 24 Stunden kühl und am besten im Dunkeln stehen gelassen.

Ein Dekokt (lat. decoquere, decoctum = abkochen), Abkochung oder Absud ist ein wässriger Extrakt, der durch das Kochen von festen Drogen, wie Hölzern, Rinden, harten Blättern und Wurzeln (evtl. auch Fleischstücke und Insektenhüllen) gewonnen wird. Er wird meist mit kaltem Wasser angesetzt und erst dann zum Kochen gebracht. Die Kochdauer hängt von den jeweils verwendeten Rohstoffen ab. Je nachdem, welcher Inhaltsstoff extrahiert werden soll, muss eine kürzere oder längere Dauer angesetzt werden: Das sind Kochzeiten von ca. 8 - 30 Minuten oder mehr, auch ein Ansetzen über Nacht ist möglich. Manche Kräuter werden anschließend gefiltert oder abgeseiht. Für die Abkochung kann in der Regel eine kleinere Menge Kraut (ca. 1/3 weniger) als beim Aufguss verwendet werden. Als Faustregel gilt: 12 Stunden vor dem Kochen einweichen; Kochzeit je nach Dicke der Pflanzentheile (von kurz Aufkochen bis zu 2 Stunden simmern); und niemals über längere Zeit volles Rohr brodeln lassen, es sei denn, es ist ausdrücklich im Rezept erwähnt. Durch Auskochen von Pflanzen oder Pflanzenteilen werden Aromen und/oder Wirkstoffe aus den Pflanzen gezogen. Eine optimale Freisetzung der Wirkstoffe wird durch wenig Droge in einer großen Menge an Menstruum (Wasser) erreicht. Bei der Zubereitung als Aufguss und Dekokt ist von Bedeutung, dass die Pflanzen mit geschlossenem Deckel ziehen beziehungsweise auskochen, da sich bei diesem Vorgang meist therapeutisch besonders wirksame ätherische Öle bilden, die besonders flüchtig sind und ansonsten verloren gehen würden. Speziell für Kinder kann man das konzentrierte Dekokt mit Sirupus Simplex versetzen. Dabei ist zu beachten, dass durch den veränderten Geschmack auch die Wirkung des Dekoktes beeinflusst werden kann.

Die vom Arzt erstellte Rezeptur wird vom Apotheker zusammengestellt und aufbereitet. Die Methode ist der westlichen Welt etwas ausser Mode geraten. So schrieb Dorvault bereits 1910 (L'Officine, Paris S. 1395):
"Ce mode, très employé jadis, est, avec de justes raisons, presque abandonné aujourd'hui... on a recours à la décoction toutes les fois que les matières que l'on veut atteindre ne peuvent se dissoudre que par une action prolongée de l'eau et de la chaleur. C'est pour cette raison que l'on traitera par décoction les semences des céréales, le lichen, le chien-dent, le gaïac; c'est pour cette même raison encore que l'on traitera par une ébullition prolongée les membranes animales, les os, le corne de cerf, pour obtenir la gélatine qui n'y préexiste pas, et ne se forme que dans cette condition"

In der TCM werden Dekokte aus 8 und mehr Kräutern eingesetzt – die Flüssigkeit wird innerhalb von mehreren Stunden langsam getrunken.
Das Dekokt kann entweder normal im Kühlschrank (nicht in Thermosflaschen) oder ähnlichem aufbewahren (Gefahr der Gährung!). Allerdings ist eine mehrstündige Aufbewahrung nach dem Erhitzen für die Tagesration möglich. Im Kühlschrank ist das Dekokt bzw. der Tee bei normalen Kühlschranktemperaturen ca. 1 Woche haltbar.

Aus dem Bestand des Apothekenlabors Alphons ENGELDINGER (1912-2003) in Esch stammt das hier vorgestellte „Dekoktorium“ [unter dem Begriff "decoctor" bezeichnet der Lateiner einen Verschwender öffentlichen Besitzes!], mit der 2 Behälter im „Bain Marie“ geheizt wurden (Schnellinfundiergerät von Mürrle).
- rechts im Bild: Gehäuse in leicht konischer Zylinderform aus massivem dickwandigem Zinn mit Messingmanschette und keilförmigen Führungen aus Messing; Deckel ebenfalls aus masivem Zinn mit Überfang aus Messing; Deckelgriff in Kugelform aus Holz; Handhabe ( seitl. Griff ) aus Holz (Höhe 18 cm)
- links im Bild: Porzellanbehältnis mit Originaldeckel.

 

Ein ähnliches Gerät, mit nur einem Tiegel, findet sich im Katalog von Felix Bauer "Laboratoriums-Apparate und Utensilien S. 216, 1912.

In der Melm'schen Hirsch-Apotheke in Oerlinghausen wird ein typengleiches Dekoktorium gezeigt. Wie bei unserm Gerät verfügt es über zwei unterschiedliche Infundierbüchsen: eine aus Zinn und eine aus Porzellan 

Link
www.apotheke-sommer.de/decocta_und_infusa.htm

Zu den Kännchen
Die beiden Kännchen werden auch als "Infundierbüchsen" bezeichnet. Es gibt sie in Zinn und in Porzellan...

Weiterentwicklung des Gerätes
In der TCM wird das Dekokt zumeist von den Patienten zu Hause selber zubereitet. In modernen Spitälern und Apotheken in China werden heute spezielle Maschinen verwendet (engl. decoctor), welche die Kräuter kochen und trinkfertig in Plastikbeutel verschweissen. Die Patienten erhalten Portionen für die bequeme Einnahme während einer oder zwei Wochen.

Die wohl bekannteste Rezeptur eines Aufgusses ist das Infusum Ipecacuanhae, das noch vor wenigen Jahrzehnten regelmässig in Apotheken hergestellt wurde.

Zur Herstellerfirma Mürrle/Pforzheim
1889 Brauerei Gustav Adolf Mürrle
1894 Brauerei Mürrle & Co
Gg. Jb. Mürrle /Pforzheim (Archiv Deutsches Museum /München).

Keine Angaben zur Herstellerfirma unseres Gerätes auf Internet zu finden. Ein sehr ähnliches Gerät ist im Apothekenmuseum Bad Münstereifel ausgestellt.