Pharmazie


Giftflasche, dreieckig

 

Starke Schlaf- und Schmerzmittel mussten früher in dreieckigen Flaschen abgefüllt werden – so hatte es Friedrich der Große vorgeschrieben. Wenn nämlich der Apotheker, der damals auch Wein verkaufte, nachts von einem Patienten aus dem Schlaf gerissen wurde, dann sollte er auch im bedröhnten Zustand nicht zur falschen Flasche greifen.

Bis ins 19. Jahrhundert spielte die Form der Apothekerfläschchen eine entscheidende Rolle:

  • runde Flaschen enthielten Tropfen, die geschluckt wurden,
  • sechseckige Flaschen enthielten Flüssigkeiten, die zur äußeren Anwendung gedacht waren,
  • viereckige Flaschen enthielten vornehmlich Gifte,
  • dreieckige Flaschen wurden akribisch unter Verschluss gehalten: in ihnen wurde Morphium abgefüllt – allein die ungewöhnliche Form der Flasche signalisierte gleich wenn man sie in die Hand nahm, womit man es zu tun hatte – Verwechslungen wurden auf diese Weise ausgeschlossen. Dreieckige Flaschen lassen sich in der Tat schlecht in der Hand halten - ideal, um eine Giftflasche von andern Flaschen zu unterscheiden: Apotheker bewahrten ihr Morphium (Morph. hydrochl.) vornehmlich in klarsichtigen Flaschen auf mit dreieckiger Basis...

    Zum Morphium
    Der Schlafmohn, aus dem Opium hergestellt wird, ist seit ca. 4000 Jahren in Europa bekannt. Man weiß auch, daß der Mohn schon vor 6000 Jahren bei den Sumerern als Rauschmittel verwendet wurde. Die alten Griechen gaben dann der Mohnmilch ihren bei uns üblichen Namen "Opium" (von "Opos", Saft). Das Elixier (Saft) ging alsbald in die griechische Sagenwelt ein. Mit der Eroberung Griechenlands durch Rom verbreitete sich der Stoff weiter nach Europa. Vor allem in der Medizin wurde Opium eingesetzt. So erfand der bekannte Arzt PARACELSUS (1493-1541) das "Laudanum", eine Wunderarznei, deren Opiumgehalt nicht wenig zu seinem Ruhm beigetragen haben dürfte.
    1803/04 isolierte der deutsche Apotheker Friedrich Wilhelm SERTÜRNER (1783-1841) [damals noch Apothekergehilfe!] einen kristallinen Extrakt aus dem Saft der Mohnkapsel, den er "Principium somniferum" nannte. Die Arbeit "Darstellung der reinen Mohnsäure (Opiumsäure) nebst einer wissenschaftlichen Untersuchung des Opiums mit vorzüglicher Hinsicht auf einen darin neu entdeckten Stoff" wurde erst 1806 publiziert. 1817 benannte SERTÜRNER dieses "Prinzip" nach dem griechischen Gott des Schlafes Morpheus "MORPHIUM"...

    Ab 1826 war die Substanz als analgetisches Medikament frei in allen Apotheken erhältlich. Der Extrakt wirkte wesentlich stärker als Opium.

    - Anfangs wurde Morphium vor allem oral verabreicht. Als Pulver eingenommen war Morphium schlecht verträglich: Übelkeit, Erbrechen waren häufige Nebenwirkungen.
    - Auf der Haut hat Morphium keine Wirkung. Wenn man es allerdings auf eine Wunde tropft, kommt es schnell in die Blutbahn. Für diese Anwendungsform hielten sich viele Menschen eine Wunde offen, auf die sie in regelmäßigen Abständen eine wässrige Morphiumlösung tropften. - Als 1853 die Injektionsspritze erfunden wurde, nutzten die Ärzte sofort die Möglichkeit, den Stoff unter die Haut zu injizieren, da dieser nun schon nach 15 Minuten seine volle Wirkung entfalten konnte. Im grossen Stil wurde injektables Morphium (Morphiumsulfat) erstmals im Krimkrieg (1854-1856) und im amerikanischen Sezessionskrieg (1861-1865) zur Behandlung der Verletzen und bei Amputationen eingesetzt: als viele Verwundete nach der Genesung immer noch nach der Droge verlangten, war allen Beteiligten klar, dass Morphium süchtig machte. Mittels der Injektionsspritzen nach PRAVAZ (s.d.) spritzten die Ärzte auch im Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 Morphium in rauhen Mengen subcutan und erhofften sich durch diese Massnahme immer noch eine Vermeidung (!) der Sucht, die bei der oralen Einnahme von Morphium geläufig war: weit gefehlt - unzählige Soldaten verließen als Morphinabhängige die Feldlazarette: später nannte man diese "Krankheit der Soldaten" Morphinismus und Morphinomanie...
    1874 wurden in Preußen zwischen 2,3 t und 5,4 t Morphium pro Jahr produziert.
    Um die Jahrhundertwende war Morphium in seiner injektablen Form bis in die Kreissäle vorgedrungen, wo es mit Skopolamin vermischt wurde. 1912 wurde es erstmals bei einer Herzattacke verschrieben.
    1914 wurde Morphium in den USA rezeptpflichtig (Harrison Act) - Grossbritannien und Frankreich folgen dem Beispiel 1916...

    Lit.:
    Von Steinbüchel, R., Vorläufige Mittheilung über die Anwendung von Skopolamin-Morphium-Injektionen in der Geburtshilfe, in: Centralblatt Gynekologie 1902; 30: 1304–1306.

    Das hier vorgestellte Glas enthielt (in seinen glorreichen Tagen!) Morphium Chlorhydrat-Pulver:
    "On l'obtient en dissolvant la morphine [cristalline, pure] délayée dans l'eau chaude avec Q.S. d'acide chlorhydrique officinal pour laisser à la liqueur une réaction légèrement alcaline au tournesol. On concentre au Bain-Marie jusqu'à pellicule et abandonne à cristallisation dans un lieu frais. Les cristaux égouttés et essorés sont séchés à l'air" (Dorvault, L'Officine de Pharmacie pratique, Paris 1910 S. 945).
    Auf diese Arzt wurde ein "sel officinal" hergestellt, ein weisses Pulver, das im Giftschrank aufbewahrt wurde und bei Bedarf in Sirop, Zäpfchen oder Pommade gemischt oder in eine Injektionsflüssigkeit aufgelöst wurde...
    [lat. morphini hydrochlorici; frz. morphine hydrochloridrique].

    Herkunft der hier vorgestellten Flasche: der Raum Bremen...