Pharmazie


Emser Salz

 

Die Emser Quellen 1172 und 1362 werden die "Thermae Emptzianae" oder das "warm bayt bey Eumetze" erstmals urkundlich erwähnt. Immerhin wissen wir, dass schon im frühen Mittelalter reger Badebetrieb herrschte; wohlgemerkt: Badebetrieb. Die erste Trinkempfehlung ist uns aus dem 16. Jahrhundert am "Kränchen" bekannt. Später im 17. Jahrhundert kam der Kesselbrunnen dazu, und noch später diverse Brunnen als Felsenquellen unter wechselnden Namen. Sie wurden flach gefasst. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Römerquelle entdeckt. Anfang des 20. Jahrhunderts kam es zu einer Neufassung aller Quellen. Als letzte der großen Quellen wurde nach dem 2. Weltkrieg durch Bohrung der sogenannte Kampe-Sprudel erschlossen, der sich als überaus ergiebig erwies. Ems verdankt seinen Ruf vor allem seinen 17 Heil-Quellen, die nach dem Mediziner Hufeland zu den alkalisch-muriatischen Säuerlingen zählen und als Thermen die einzigen dieser Art in Deutschland sind.

Der Bäderbetrieb
Im 17. und 18. Jahrhundert gab es zwischen den hessischen und nassauischen Badhäusern (nach der jeweiligen Herrschaft benannt) erhebliche Konkurrenz, die dem Badebetrieb zusätzlich Auftrieb gab. Die jeweiligen Aktivitäten wurden gefördert durch namhafte Badeärzte dieser Zeit, die zweifellos zum Wohle ihrer Patienten agierten und den zunehmenden Ruf des Bades verbreiteten. Einer der ersten, dessen wissenschaftliche Abhandlungen, wenn auch heute längst überholt, erhalten und von medizinhistorischen Interesse sind, war Anfang des 16. Jahrhunderts der Marburger Professor Dr. med. Johannes Eichmann, genannt DRYANDER (1500-1560), dessen Name in einer der Emser Reha-Kliniken erhalten blieb. Im Lauf der Zeit verbreitete sich der Ruf der Emser Thermen weit über die engen Grenzen der Duodez-Fürstenhäuser hinaus, so dass im 18. Jahrhundert und zunehmend im 19. Jahrhundert Kaiser, Könige, Herzöge, aber auch Prominenz aus Kultur, Politik und Wirtschaft hier Heilung suchte und fanden.

Die Salzderivate
Aus 350 ml Thermalwasser wird durch Verdampfen ein Gramm Emser Salz gewonnen. Das Salz enthält mehr als 20 verschiedene Mineralien und Spurenelemente. Hauptbestandteile sind Natrium-, Chlorid- und Hydrogencarbonat-Ionen.
1) Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts konnte das Emser Wasser nur getrunken werden oder aber der Kurgast musste darin vor Ort baden. Wollte man es fernab geniessen, musste man teure und schwere Steinkrüge kaufen - was ab dem 18. Jahrhundert geschah.
2) 1858 entwickelten der Bad Emser Kurarzt Dr. Ludwig SPENGLER (1818–1866), der Apotheker August Weber und der Hausverwalter Georg Hasslacher ein Verfahren, die Sole des Inhalatoriums zu verdampfen und das salzhaltige Resultat in Pastillenform zu pressen. Dazu komprimierten sie das Salz (NaHCO3, Natriumhydrogencarbonat) und Zucker und wahrscheinlich etwas Bindemittel (Stärke, Maisstärke) zu einer pastillierfähigen Masse. Ihre Nachfolger verbesserten das Verfahren und konnten in die Pastillen wesentliche Salze des Mineralwassers einfügen, die zuvor in der Sole gefehlt hatten. Emser Pastillen werden seither bei leichten, erkältungsbedingten Halsschmerzen eingesetzt, Redner und Sänger schätzen sie, da durch das Lutschen der Pastillen die Rachenschleimhaut befeuchtet und beruhigt wird. Die Emser Pastillen kamen 1858 erstmals in den Handel. Zumeist wurden die Pastillen in kleinen Pappschachteln oder Döschen gehandelt. Ab 1911 erhielten die Käufer die Emser Pastillen auch in silbrig glänzenden Aluminiumröhrchen, in denen sie vor Feuchtigkeit geschützt waren.
3) Durch Abdampfen des Emser Mineralwassers wird das Emser Quellsalz gewonnen, welches in Wasser gelöst Verwendung findet: zu Douchen und zum Gurgeln bei chronischen Katarrhen der Nasen-Mund- und Rachenhöhle, zu Inhalationen und zu Irrigationen. Auch bei Magensäure, Magenkatarrh, Gicht usw. wird das Quellsalz dem Emser Wasser zur Verstärkung zugesetzt, und zwar ein Teelöffel voll auf 1 Liter Wasser.

Besitzverhältnisse
Produziert wurden die Emser Salze und Pastillen zunächst von der Herzoglich Nassauischen Hausverwaltung - seit 1806 war Ems ein Teil des Herzogtums Nassau. Das Herzogtum Nassau aber wurde 1866 von Preußen annektiert - aus der nassauischen Hausverwaltung wurde daraufhin die "Königlich-Preussischen Bade- und Brunnendirektion Ems". Nach Ende des Preussischen Staates im Jahr 1918 wurde das Bad ein staatlicher Betrieb. 1959 wurden sowohl die Solequellen als auch die Einrichtungen für die Salz- und Pastilleproduktion verpachtet (Fa. Siemens & Co).

Emser Produkte in Luxemburg
1868 warb eine stadtluxemburger Apotheke mit Emser Pastillen:
"Emser-Pastillen gewonnen aus den Salzen der Felsenquellen, von den Herren Ärzten empfohlen, gegen Verschleimungen des Halses, Brust und Magens, sind ächt zu erhallen bei Weckbecker-Heldenstein (Luxemburg). Die Administration der König=Wilhelm's =Felsenquellen" (Luxemburger Wort vom 28.10.1868 und 8.12.1868).
Offenbar waren die Pastillen ein wirtschaftlicher Renner, der sich in der rauhen Jahreszeit gut absetzen liess. Denn im Herbst des darauffolgenden Jahres bot sie auch der Konkurrent an: "Apotheke Fr. Heldenstein, Nachfolger von Fr. Dargent, GrossStrasse Nr. 28 gegenüber Hastert-Hartmann Niederlage der echten Emser Pastillen. Die Schachtel à Fr. 1.05 Im Dutzend billiger. Königl. Pr. Emser Brunnen=Verwaltung" (Luxemburger Wort vom 30.9.1869)
"Will man den Schleimhauten der Luftwege Medikamente direkt zuführen, so inhalliere man mit einem Apparat oder über einem Topf mit heissem Wasser, Salzdämpfe, besonders Emser Salz" (Escher Tageblatt vom 2.2.1937).

Zum vorgestellten Glas
1858 erfand der Zinngiesser John Landis MASON (1832-1902) aus Brooklyn/New York den metallenen Schraubverschluss von Konserven-Gläsern.
Das hier vorgestellte, aus Sofia/Bulgarien reimportierte, 8.3 cm hohe und 3.9 cm dicke Salz-Fläschchen zeichnet sich zum einen durch seine smaragdgrüne Farbe aus (die durch Hinzufügen von Eisenoxyd zum Quartz entsteht), zum andern durch seinen eigentümlichen Verschluss: ein hölzerner Pfropfen (Messhütchen?) mit einem Dichtungsring aus Kork wird durch einen Schraubdeckel (Aluminum, Blech, Zinn?) gehalten, auf dem "königl. Bade- Brunnendirektion K[öniglich]. Pr[eussische]. D[omänenverwaltung] Schutz-Marke, Königlich Ems" in Hochrelief zu lesen ist, der Text von einer Krone überspannt - Datierung des Fläschchens also in die Zeitspanne von 1866-1918 ...

Lit.:
Hermann Sommer, Zur Kur nach Ems, ein Beitrag zur Geschichte der Badereise von 1830 bis 1914, Stuttgart 1999.