Pharmazie


Bakelit-Dose (2)

 

"SCILLITRINE, le calme de la fibre lisse" war indiziert bei Gefäss-, Bronchial- und Darmkrämpfen resp Bluthochdruck und Angor, Aerogastrie, Aerocolie und Spasmen des Sphincter Oddi, Angstzuständen und Schluckauf sowie Asthma und Husten. Laut Aufschrift (auf einer anderen Verpackung) enthielt es pro Tablette 1/100stel Gramm "phényléthylmalonylurée": ein Antiepileptikum aus der Gattung der Barbiturate …
Daneben enthielt das Präparat ursprünglich pro Tablette 1/100stel Gramm SCILLA-Pulver (Codex GEHES, Dresden 1939 S. 191). Daher der Name des Produktes. Man findet SCILLITRIN-Dosen, wo die Scilla-Komponente nicht mehr angegeben ist - möglicherweise war die kardiotonische Komponente der Firma zu ungeheuer resp. sie konkurrierte mit einem Kardiotonikum der Firma (Convalbaïne). Die Meerzwiebelgewächse (Gattung Scilla) werden heutzutage nur noch von Homöopathen medizinisch als Kardiotonika eingesetzt ...

Die Scillitrin-Dragées wurden zumeist in Aluminiumschachteln vertrieben. Überhaupt wird Bakelit nur selten zum Abpacken von Medikamenten benutzt – wozu auch, ist doch seine auffälligste Eigenschaft die elektrische Isolierung. Die aber macht bei der Konservierung von Pillen und Tabletten keinen Sinn!

Weitere Produkte der Laboratoires Perrier waren das Herztonikum Convalbaïne und das Abführmittel Jecol. Sitz der Firma war Paris, 17 bis Bd Rochechouart am Fusse von Montmartre resp. 12 rue Henner, Paris 9ème .

Nota:
1855 wurde der Bakelit-Ausgangsstoff Formaldehyd entdeckt. Baekeland experimentierte Anfang des 20. Jahrhunderts mit Phenol und diesem Formaldehyd. Er entdeckte, dass beide Stoffe in einer exothermen Reaktion zu einem Kunstharz polymerisierten. Das Harz ist leider nicht 100%ig stabil - aus Bakelit verdunsten immer geringe Mengen der Ausgangsstoffe Phenol und Formaldehyd, was nicht nur einen strengen Geruch erzeugt, sondern auch bei der mechanischen Bearbeitung und der Lagerung ein, wenn auch minimales, Gesundheitsrisiko darstellt. Kein Grund für übertriebene Vorsichtsmassnahmen: jeden Tag entstehen 50 g Formol in unserm Körper, der Mensch atmet daher jeden Tag ca. 0,001 bis 0,01 mg/m3 Formaldehyd aus ...

Vorgestellt wird eine leere Scillitrine-Schachtel aus Bakelit, Grösse 5,5x3x1cm.