Nachtgeschirr


Bettpfannen (1)

Stechbecken, um 1900 

"Schon die alten Römer" hatten Pisspötte, matella genannt.
Für bettlägerige Patienten waren die, noch heute unverändert im Gebrauch befindlichen, Nachttöpfe ungeeignet - allzuoft wurde der Inhalt verschüttet. Bettpfannen (lux. Bettpân) mit einge- schlagenem Rand verhinderten ein solches Überschwappen des Pfanneninhaltes. Speziell für behinderte Personen entwickelt, treten sie im 17. Jh. erstmalig auf. Die Einkrempelung des Oberrandes verhinderte ein versehentliches Verschütten des Pfanneninhaltes und gestattete dem Patienten, bequem und ohne Gefahr von Druckstellen lange Zeit auf seiner Pfanne zu verweilen. Die Einkrempelung machte allerdings ein komplettes Entleeren des Gefässes nach der Benutzung unmöglich - ein Auslaufstutzen wurde erforderlich - zumeist mit Schraubgewinde. Er diente zugleich als Griff, um die Pfanne unter den Patienten zu schieben.


Frz. "vases d'aisance"

Paul Bidault, in: Les étains médicaux, Paris, Ch. Massin 2000, veröffentlicht sog. "bassins de lit" aus Zinn:

 

Stempel Jahr Durchmesser
J.-B. Boicervoise, Paris 1737 32 resp. 20 cm
Jacques Dorey, Caen 1763 24 resp. 15 cm
G.V.M., Paris 1815 28 resp. 17 cm
Corleu, Paris 19. Jh 23 resp. 15 cm
Douenne,Lyon 1850 26 resp. 15 cm

a) Das Modell G.V.M. zeichnet sich durch "attaches pour coussin" aus, die wir auch bei unserem Exemplar vorfinden (ungestempelt, Becken 24,5 resp. 17,0 cm Durchmesser, Auslaufstutzen 6,5 resp. 6,3 cm Durchmesser, max. Durchmesser der Verschlubklappe 7,5 cm; Gravierung exzentrisch am Gefäbboden M.I.B., erstanden 3/1998 in Metz-Grigy 1998). Eine n.g. Firma bot diese "coussins pour bassins ronds" in zwei unterschiedlichen Ausfertigungen an: "en MOLESKINE" und "en peau".
b) gestempelte Zinn-Bettpfanne aus Charleroi/Belgien
c) gestempelte Pfanne aus Porzellan (Firma BAER).

Der Nachttopf, auch Brunzeltopf genannt (lux. Potschamp oder Potti) stellt u.E. kein medizinisches Gerät dar, wurde es doch in der Hauptsache von Gesunden benutzt.

Nachtgeschirr


Bettpfannen (2)

 

Grosse Pfanne "Marque de Sarreguemines", um 1900

Vorbesitzer: die Familie Mathias Schwachtgen-Bichel aus Luxem- burg/Eich. Mein Dank geht an Roger Schwachtgen...

Anästhesie


Aether, Transportflasche

um 1950 

a) Modell einer Firma aus Bonn/BRD


b) Modell aus Steingut, möglicherweise elsässische Arbeit


c) Modell aus Emaille, unbekannte Provenienz.

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Aether, Transportflasche

Weibliches Urinal, 1897 

"Urinflaschen für Frauen in der Form eines Pantoffels erhielten ihren Namen nach dem französischen Jesuitenpater Louis BOURDALOUE (20.8.1632 in Bourges - 13.5.1704 in Paris), der berühmt war für seine wohltönende Stimme und überragende Redekunst. Doch waren seine Predigten so lang, dab seine Bewunderinnen gezwungen waren, sich während seiner Ausführungen von ihren Zofen unauffällige Urinale in den Kirchenstuhl bringen zu lassen" (Bennion). Ab 1670 predigte BOURDALOUE öfters vor Louis XIV, der ihn 1686 ins Languedoc schickte, um dort vor Protestanten zu predigen und sie zum katholischen Glauben zurückzuführen. Am Ende seines Lebens zog er sich aus dem Kirchen- resp. Kanzeldienst zurück und wirkte vornemlich in Hospitälern, Gefängnissen und frommen Anstalten.

Urinale stellen ein Sammelgebiet sui generis dar. Frühe Modelle (aus Zinn, 1780) haben eine gewisse Ähnlichkeit mit heutigen Saucières. Die "Wellcome Collection" enthält ein seltenes Exemplar aus Leder aus der Zeit um 1820 und ein weiteres von Spode aus der Zeit um 1805: "Pewter urinals and bedpans from the eighteenth century onwards are regularly found as are the more unusual female urinals called bourdaloues, many of which are highly decorated" (Warren).

Als besondere Seltenheit gilt unter Sammlern das folgende, von Villeroy&Boch in Mettlach hergestellte BOURDALOUE aus weissem Porzellan (unser Exemplar ist infolge feuchter Lagerung leider gebräunt), dessen zartes Veilchenmuster daran erinnert, dass der Inhalt nicht immer "nach Veilchen" roch.

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Bourdaloue (2)

um 1930 

"Louis BOURDALOUE galt seinerzeit als "König unter den Predigern und Prediger von Königen". Am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. predigte er weitschweifig, jedoch so fesselnd, dass insbesondere die Damen unter seinen Zuhörern kein Wort davon missen mochten. Seine Stimme soll "schön und von Ansehnlichkeit" gewesen sein. Damals hat sich eingebürgert, dass die Damen von daheim mitgenommene Saucièren mit in die Kirche brachten, in die sie gegebenenfalls unter den weiten, langen Röcken nonchalant ihre Blase entlehrt haben.
Die Porzellan-Manufakturen griffen die neue Sitte bald auf und formten ein Gefäß, das den Saucièren zwar noch glich, aber zum Hinein-Urinieren besser geeignet waren: den "pot de chambre oval". Dieses dann nach und nach auch bei anderen öffentlichen Gelegenheiten oft benutzte Utensil wurde mit allerlei Verzierungen (nicht selten anzüglicher Art) versehen und in unterschiedlichen Formen angeboten. Es bürgerte sich jedoch der Begriff Bourdalou dafür ein" (Wikipedia).

Wesentlich schlichter war dieses französische Modell aus Choisy-le-Roy.

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Bourdaloue (3)

 

Nicht nur die Frauen ...


Ich erinner an Funde, die bei Ausgrabungen in der schottischen Abtei "Melrose Abbey" getätigt wurden: irdene Kugeln mit Henkelgriff und ... einer Öffnung, in die der Pimmel des Mönches hineinpasste. Unter der Kutte getragen, erlaubte diese "Pinkelkugel" dem braven Mönchlein, den mehrere Stunden dauernden Andachten beizuwohnen, ohne das Kirchenschiff verlassen zu müssen, wenn die Blase drückte. Da bekommt das luxemburger Wort "schiffen" für pinkeln einen ganz neuen Sinn ...

Nota: die Mönchskugeln wurden nicht etwa in den Abwasserkanal entleert, sondern wurden in der neben der Abtei gelegenen Gerberei abgegeben, wo der Urin bei der Lederverarbeitung ein begehrter Stoff war.

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Bourdaloue (4)

 

 

Nachtgeschirr


Bourdaloue (5)

"Soziales Modell", um 1930 

Urinschalen aus emailliertem Blech erwiesen sich als ungünstig, da die Emaille abplatzte und so Angriffsfläche für Bakterien bot. Heute werden solche Produkte aus hygienischen Gründen aus Edelstahl oder Kunststoff gefertigt.

Nachtgeschirr


Nachttopf

 

Der Nachttopf bewahrte den Bedürftigen davor, des Nachts auf den Hof oder hinter das Haus schleichen zu müssen, und dort seinen Hintern dem Regen und der Kälte auszusetzen.

Der Nachttopf, im süddeutschen und ostösterreichischen Raum auch Brunzeltopf genannt, heisst auf Luxemburgisch "Potschamp" oder kurz "Potti" - womit die Richtung feststeht, aus der dieses Requisit zu uns kam: Frankreich...

Kacktöpfe gibt es nachweislich seit dem Mittelalter – keine Darstellung eines Schlafgemaches ohne dieses pikante Detail. Sie waren aus Ton, aus Holz, später aus Porzellan oder emailliertem Metall, auch mal aus Zinn wie der folgende Bericht belegt:
„une pot de Chambre d’étain adjugé à la femme Blum pour dix sols et trois deniers“ (ANLux, Notar J.J. Conter 1786 n°13).

Der Nachttopf stellt u.E. kein medizinisches Gerät sensu strictu dar, wurde es doch in der Hauptsache von Gesunden benutzt. Dennoch wollen wir ein einheimisches Exemplar vorstellen, belegt es doch eine wichtige Etappe in der Entsorgung der menschlichen Abfälle : die Privatisierung des « Geschäftes ».
In der Tat vollzog sich das „Kacken“ in der Antike und im Mittelalter durchaus im öffentlichen Rahmen – Gemeinschaftsanlagen waren gängig. Erst das 18. Jh. entdeckte die Intimsphäre: Klosetts wurden nun „heimliche Örtchen“, in die man sich still und heimlich verzog.

Auch nach der Einführung der Abortanlagen blieb der Topf beliebt – in Frankreich gab lange Zeit die „Hochzeitstöpfe“. Warum der Franzose von seinem "Thomas" spricht und in der Region Bordeaux von seinem "Jules", wenn er den "pot-de-chambre" meint, entzieht sich meiner Kenntnis. In der bescheidenen Hütte wie bei Hofe gab es die Töpfe:
"Le pot de chambre de l’impératrice Elisabeth d’Autriche, dite «Sissi», n’a pas trouvé preneur au cours d’une vente aux enchères à Munich le 16 octobre 1998" (Zeitungsmeldung ARTCULT).

War der im Hospital untergebrachte Sieche des nachts zu schwach, den langen und dunklen Weg zum Abort anzutreten, erhielt er von der Siechenmagd eine „Harnkachel“ gereicht… Meist gab es im Schlafgemach einen Topf pro Schläfer. Doch gab es auch „Abtritts-eimer“, in denen sich mehrere Schläfer entsorgen konnten.

Anfänglich stand der Topf unter dem Bett. Ab 1720 begegnet man dem Nachtschränkchen, in dem der Pinkelpot diskret untergebracht werden kann.

Vorgestellt wird ein „Pottschamp“ der Fa. Villeroy & Boch, Septfontaines (einem Vorort von Luxemburg), erstanden im Mai 2004 auf einem Flohmarkt in Diekirch. Auch andere Werke von Villeroy & Boch haben Nachttöpfe hergestellt, z.T. sehr esthetische Gebilde mit floralem Muster: Dresden, Mettlach ...


Besuche:

  • Manfred KLAUDA, Deutsches Nachttopfmuseum München, Zentrum für auβergewöhnliche Museen (ZAM), Westenrieder Strasse 41, D-80331 München (tägl. geöffnet von 10-18°°) www.zam-museum.de.
  • Museum für Historische Sanitärobjekte, Gmunden, Österreich.

Nachtgeschirr


Sitztoilette

Toilette aus Puppenhaus, um 1950 

Sitztoiletten gibt seit den Zeiten der alten Aegypter. Die Römer kannten Sitztoiletten, das Mittelalter. Sie arbeiteten im Allgemeinen nach dem Prinzip des "Plumpsklosettes", was zur Folge hatte, dass die üblen Gerüche (denke an die Verbindung Miasma-Epidemie) aufstiegen und der Aufenthalt auf dem "stillen Örtchen" zur olfaktorischen Qual geriet.

Erst die Erfindung des Syphons und der Wasserspülung brachte Abhilfe.

Der Londoner Schriftsteller John HARINGTON (1561-1612) installierte als Erster 1594 ein Klosett mit Wasserspülung in seiner Villa und beschrieb diesen Vorläufer des "water-closet" 1596 in seiner Arbeit "A New Discours" – die Idee wurde aufgegeben und sollte erst im frühen 18. Jahrhundert eine gewisse Wiedergeburt erleben. Es vergingen aber noch Jahrzehnte, bis europaweit das Problem der Abortentsorgung gelöst werden sollte; bis heute ist das Problem nur im Ansatz und höchstens in Ballungsgebieten einiger reicher Regionen zufriedenstellend gelöst.

Latrinen waren also durchaus nichts selbstverständliches und blieben lange Zeit ein Artikel mit Seltenheitswert.

  • 1686 wurde der Tuchmacherinnung in der Stadt Luxemburg ein Zimmer in der Louvignystrasse überlassen, unter der Bedingung "dass keinem Sechser, Amtsmeister oder Bruder verübelt werden soll, bei Versammlung des Amtes sein Wasser in den Hofraum abzuschlagen (zit. van Werveke, Zur Kulturgeschichte des Luxemburger Landes, aus den Protokollen der Notare. Separatdruck der "Luxemburger Zeitung" 1897, S. 7-8; zit. bei Rupprecht, Logements militaires à Luxembourg,1979, S. 181-182). Diese Vertragsklausel beweist dass diese Form des Wasserabschlagens 1686 nicht mehr ganz selbstverständlich war, und das Fehlen einer Latrine den Menschen auffiel... Schon bald sollte die Latrinenfrage Anlass zu einem Gemeindereglement werden:
  • Vom 15.9.1691 liegt uns ein erstes umfassendes Polizeigeglement vor, das die Errichtung von Aborten sprich Senkgruben fordert: gemäss Art.5. mussten in allen Häusern "latrines ou lieux secrets" eingerichtet werden, da Kinder und Dienstpersonal vielfach in den Gassen der Stadt ihre Notdurft verrichteten "ce qui est cause que les enfans et autres Domestiques font leurs necessitez devant les portes et sur la rue". Notfalls würden Latrinen auf Befehl der Stadtverwaltung gebaut, auf Kosten der säumigen Eigentümer. Die gebetsartig wiederholten Ermahnungen der Behörden legen den Schluss nahe, dass die Bevölkerung diesen Anordnungen nur in in beschränktem Masse nachkam.
  • 04.05.1720: « Deffense de jetter des immondices dans les rues, ordre de faire des latrines ». Diese Ordonnanz des städtischen Gerichtes enthält die amüsante Bestimmung, derzufolge jeder, dem man einen Pisspot aufs Haupt entleert hat, kurzerhand die Fenster des betreffenden Hauses einwerfen darf (zit. v. Werveke, Kulturgeschichte Bd. II, S. 91; Kontz, Baugeschichte, 1951, S. 165).
  • 05.10.1723: « Deffense de jetter de l'eau ou autre chose dans les rues, de tenir des pigeons, cochons, ordre de construire des latrines en maisons ou il n'y en a pas ». Allen Besitzern von Häusern ohne Latrinen wird angedroht, falls binnen 2 Monaten dieser Missstand nicht behoben sei, der Magistrat die Latrinen auf Kosten der Eigentümer bauen lasse. Mieter dürfen die Unkosten für den Bau dieser Installation von der Miete abziehen.

    An das Latrinenproblem soll das kleine Exponat - eine Sitztoilette aus Blech, Teil der Einrichtung eines Puppenhauses - erinnern. Hersteller: die Spielwarenfabrik Göso (Götz & Sohn) in Fürth, die Mitte des 20. Jahrhunderts ganz raffiniertes Kinderspielzeug aus Blech herstellte ...

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Urinal, chinesisches

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Zur Vervollständigung der Urinal-Sammlung hier ein chinesisches Urinal, wie es im 19. Jh. im Gebrauch war.

 

Nicht seine Funktion als Nachttopf ist interessant, sondern der ganz besondere Wert, den die alten Chinesen dem Urin beimaßen.

 

Seit dem 12. Jh. ist die Behandlung von Alterserscheinungen mit Extrakten aus Urin von jungen Menschen bekannt, mit den sog. "autumn minerals", so genannt, weil die in einem komplizierten Trocknung- und Extraktionsverfahren aus dem Urin gewonnenen weißen Kristalle dem Herbstfrost ähnelten.

 

Diese Kristalle aber waren nichts anderes als männliche (wenn aus Knabenurin gewonnen) und weibliche (wenn aus Mädchenurin gewonnen) Sexualhormone.

 

Vielleicht benutzte man aus diesem Grunde so wundervoll verzierte Urinale (Porzellan). Wieso man aber für die  absonderliche viereckige Form für die Öffnung entschied ist mir schleierhaft.

 

Die Preise für diese Urinale gehen von 20 bis 1000 Euro, je nach Epoche. Für mich als Laien sehen sie alle gleich aus. Mir kommt es auch weniger auf den Wert als auf den medizinhistorische Hintergrund an  - und der lehrt uns, daß  chinesische Pharmazeuten schon im Mittelalter dazu fähig waren, kristallin reine Sexualhormone herzustellen. 

 

Lit:

Lu Gwei-Djen, Joseph Needham, Medieval preparation of urinary steroid hormones, in: Med Hist. 1964 Apr; 8(2): 101–121.

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Urinal, männlich (1)

 

Schon den römischen Herren stand ein Urinal zur Verfügung, das "scaphium", es war aus gebranntem Lehm oder aus Edelmetall, je nach Geldbörse. Für das Grosse Geschäft benutzten Mann und Frau das "lasanum", den Nachttopf...

Noch heute wird in den Spitälern von den Herren das "pistolet" benutzt. Natürlich darf es auch für den Herrn ab und zu etwas aus Glas sein - "da weiss man, was man hat[te]".

Finden Sie nicht auch, dass der burgunderrote Hintergrund unseres Bildes dem Urin gleich den Beigeschmack von etwas Feierlichem, geradezu Akademischem verleiht ?

Fast wie zu Zeiten der Uroskopie (siehe Urologie).