Diverses


Spucknapf (11)

"crachoir de bistrot", Frankreich 1900 

 

  Seit hunderten von Jahren wurde in Europa gespuckt, die Lage verschärfte sich, als Kautabak bei der Landbevölkerung in Mode kam (ursprünglich wurde eher bei der Marine "gekaut", da das Rauchen auf den Holzschiffen zu gefährlich war). Zum Auffangen des überschüssigen Speichels dienten Spucknäpfe, die in öffentlichen Gebäuden, in Wartehallen der Eisenbahn, in Gastwirtschaften aufgestellt waren. 

 

Neben diesem harmlosen "Tabakspucken" gab es eine weit gefährliche Variante: das Spucken der Tuberkulose-kranken, die mit dem Auswurf tausende von Krankheitserregern in ihre Umwelt verteilten. Und Schwindsüchtige gab es jede Menge - bis weit ins 20. Jahrhundert hinein:
"Ansteckende Krankheiten. Vom 1.-31. Mai wurden folgende Fälle von ansteckenden Krankheiten festgestellt [..]. 12 Fälle von Tod infolge von Tuberkulose in Esch, Diekirch, Grevenmacher und Remich"
(Luxemburger Wort vom 6.7.1931).

 

"Sanitäre Lage. Im Laufe des Monats September wurden folgende, ansteckende Krankheiten im Lande festgestellt [..]: Sterbefall infolge von Tuberkulose 5 Fälle im Kanton Esch, 1 Fall in den Kantonen Mersch, Diekirch, Vianden, 2 im Kanton Wiltz"
(Escher Tageblatt vom 3.11.1939).

 

Schon die Kleinen wurden zu disziplinierten Spuckern erzogen:
"Mit Auswurf behaftete Kinder sollen besondere Plätze in der Nähe der Spucknäpfe bekommen oder das Dettweiler'sche Spuckfläschchen benutzen, sonst ausgeschlossen werden"
(Polizeipräsidium Berlin, zit: Luxemburger Wort vom 3.4.1891).

 


Zum Reinigen musste ein Angestellter den aufsaugenden Sand entsorgen und anschließend die Schale mit einer desinfizierenden Lösung (meist 5%iges Karbol) auswischen.

 


Die Zeit der Spucknäpfe ist vorbei, oder doch nicht? Die offene Lungen-Tuberkulose haben die Behörden weltweit - dank Antibiotika - im Griff, Kautabak ist "out". Dafür ist eine neue Sauerei unterwegs: Kaugummi, von dem Tonnen auf unsere Bürgersteige hingespuckt werden. Schuhsohlen drücken die einzelnen "Gummi's" platt. Warum nicht Spucknäpfe aufstellen, um dieser wilden Entsorgung ein Ende zu bereiten ? Dass über radikale Lösungen nachgedacht wird, sieht man am Fall Singapur: hier ist es unter Strafe verboten, auf die Gehwege zu spucken ...

 

Abschliessend eine schaurige Geschichte, bei der ein luxemburgischer Schmied in den USA als Mörder auftritt:
"Luxemburgisches aus Amerika. — Ueber einen bedauernswerten Vorfall, welcher sich in Fillmore, Dubuque County, Iowa, ereignete und bei welchem einer der Hauptbeteiligten, dem Namen nach zu urteilen, ein Luxemburger-Amerikaner zu sein scheint, entnehmen wir einem Wechselblatte das Folgende : Der Flecken Fillmore, etwa sechs Meilen östlich von Cascade gelegen, war am Montag abend verfl. Woche der Schauplatz einer schauerlichen Tragödie. Der „Bartender" John Melloy wurde nämlich im Salon von Hawks & Otting von dem Grobschmied Anton Lehnertz mit einem Spucknapf erschlagen. Die näheren Umstände des schrecklichen Vorfalls sind kurz wie folgt: „Tony" Lehnertz, welcher der Wirtschaft gegenüber eine Schmiede betreibt, betrat gegen halb 6 Uhr den Salon und forderte ein Glas Liquör. Dieses wurde ihm jedoch entschieden von dem Wärter John Melloy verweigert, weil Lehnertz's Frau dem Salonbehälter die Verabreichung geistiger Getränke an ihren Gatten strenge verboten hatte. Darob wurde Lehnertz zornig und überhäufte Melloy mit Schimpf- und Schandnamen. Als es diesem zu bunt wurde, reichte er über den Schanktisch und versetzte Lehnertz eine Maulschelle, daß ihm die Nase blutete. Lehnertz verliess hierauf den Salon, kehrte aber nach etwa drei Minuten zurück, und während Melloy in gebücktem Zustand, um ein Fass Bier in den Eisschrank zu schaffen, raffte Lehnertz einen 8-einviertel Pfund schweren gußeisernen Spucknapf vom Boden auf und versetzte damit dem gebückten Melloy kaltblütig einen gewaltigen Schlag an den Kopf, der ihm den Schädel zermalmte. Melloy fiel zu Boden, verlor aber nicht die Besinnung und stand bald wieder auf, während Lehnertz nach seiner Wohnung flüchtete, sein Schrotgewehr lud und die Drohung ausstieß, daß er den ersten Mann erschießen werde, der sich in die Nähe wage. Melloy wurde nach der vier Meilen entfernten Offizie des Dr. Shields in Bernard gebracht, wo er gegen 7 Uhr eintraf. Auf der Fahrt dorthin hielt er sich gut; als er sich aber in der Amtsstube des Arztes niederlegte, verlor er die Besinnung und um ein Viertel nach 9 Uhr war der junge Mann eine Leiche. Lehnertz wurde vom Sheriff abgeholt und nach dem Gefängnis in Dubuque geführt. Der ermordete junge Mann war erst 23 Jahre alt, aus Washington Mills gebürtig und hinterläßt eine verwittwete Mutter, drei Brüder und vier Schwestern. Anton Lehnertz ist 26 Jahre alt und verlebte seine Jugendjahre in Cascade. Dieser Fall sollte jedem dem Trunke und der Rauflust ergebenen jungen Mann zum warnenden Beispiel dienen!" (Luxemburger Wort vom 22.8.1905).
... ein Kollateralschaden des Aufstellens von Spucknäpfen in amerikanischen Saloons!

 

Exponat: 26x20x4 cm grosser Spucknapf aus emailliertem Gusseisen, der aus einem Bistrot in Saint Quentin / Picardie stammt.