Karikaturen


Aderlass in Algerien

 

Auf der Ansichtskarte, die in den 30er Jahren von der algerischen Regierung herausgegeben wurde, sieht man einen "hajam", d.h. Aderlasser, resp. "tahar", d.h. Beschneider und Barbier, der auf dem Dorfplatz den aus pharaonischen Zeiten datierenden "hijama", d.h. Aderlass praktiziert – eine Praxis, die der Prophet Mohammed lobend erwähnte: ein Mal im Jahr sollte der Eingriff am Punkt "el Kaliss" durchgeführt werden – vorbeugend im Frühjahr, therapeutisch konnte er über das ganze Jahr vorgenommen werden. Besonders günstig sind der 19., 17. und 21. Tag des Mondkalenders (Sunna).

Die Haut wird mittels Rasiermesser oberflächlich eingeschnitten, Dann wird mittels zweier "mghaïetehs" d.h. Saugtassen Blut aus der Nackenregion und zwischen den Schulterblättern abgesaugt:
"Un chirurgien, toujours présent sur le marché, soulageait ceux qui étaient affligés d'un excès de sang en leur appliquant sur la nuque, des ventouses scarifiées, confectionnées en fer blanc et munies d'un long tuyau; par ce tuyau, il aspirait le produit de la saignées. Pour démontrer l'efficacité de l'opération, il le recrachait à longs jets, à la vue des badauds ahuris!" (M. Ernst-Puech aus Monbrun, im internet 2011).

Der "Chirurg" saugte also das kranke Blut durch das Röhrchen an und spuckte es im hohen Bogen aus – welch wunderbare Kinoszene! Anlass für eine kurze Betrachtung zur frühen Heilkunde in Algerien.
Im 18. Jahrhundert praktizierte in Alger der grosse Abd Errazak Ibnou HAMADOUCHE el Dyazaïri, im 19. Jahrhundert verfügte Algerien immer noch über eine Reihe einheimischer Ärzte, die, ohne im Besitz universitärer Diplome zu sein, eine leistungsfähige Medizin anboten. Grosse Krankenhäuser, die ab 1830 in Alger, Oran und andern Städten des Landes entstanden, waren eher für die hier residierenden Ausländer gedacht - die Einheimischen wurden in kleinen "infirmeries" behandelt.
Ab 1867 bildete die junge, durch Dekret vom 3.4.1857 gegründete "Ecole de médecine" von Alger sogenannte "officiers de santé" aus – die beiden Ersten hiessen Ben Boulouk BACHI und Kaddour Ben AHMED.
1878 wird als Arzt am Militärhospital von Cherchell ein Dr. Mustapha Hadj MOUSSA genannt, der später in der Lokalpolitik von Constantine eine Rolle spielte und 1920 starb.
Der nächste in Europa graduierte algerische Arzt war der 1857 in Nedroma im Departement Oran geborene Mohammed NAKKACH, der am 16.6.1880 in Paris mit Erfolg eine Doktorthese verteidigte. Er starb in Tlemcen am 19.1.1942 und wurde in Nedroma beigesetzt.
Am 14.12.1881 verteidigte ein Taieb MORSLY vor der Medizinischen Fakultät Montpellier eine Doktorthese.
Der nächste an einer europäischen Universität promovierte Arzt algerischer Herkunft war Mohammed Ben Larbey SEGUIR. Im Dezember 1850 in Cherchell geboren, studierte er in Alger. 1874 kehrte er aus Paris mit dem Titel eines "officier de santé" zurück, ging aber 1882 nach Frankreich zurück, um weitere Diplôme zu erwerben: in Gegenwart seines Freundes Victor Hugo verteidigte er seine Doktorthese am 16.7.1884 in Paris. Ihr Thema: "La médecine Arabe en Algérie", in der er über die damals noch häufige Trepanation in der Provinz Constantine und andere spezifisch arabische Therapieformen berichtete. Er starb am 20.10.1939 und wurde auf dem Friedhof von El Kettar beigesetzt. Eine Strasse der Kasbah von Alger ist nach ihm benannt.
Der 1869 geborene Bechir DINGUEZLI promovierte als erster Tunesier an einer europäischen Fakultät, der 1882 geborene Hassen ELFITOURI als erster Lybier an der Universität von Istanbul.
Am 30.12.1909 wurde in Alger endlich die erste medizinische Fakultät des Landes gegründet …