Ophthalmologie


Brillen-Bügel-Messer "KIRBEND"

KIRBEND eigenes

KIRBEND der Firma Kirk Brothers/London

 

 

Wo haben Brillenträger die Ohren? Weit hinten am Kopf, oder eher kurz hinter der Nase? Um das zu messen erfand ein Londoner Optiker um 1920 das folgende Instrument.

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Neben den Maßen der Gläser, die vom Optometristen vorgegeben werden und sich auf dem ärztlichen Rezept wiederfinden, bleiben dem Optiker eine ganze Reihe von Maßen zu erheben:

- die Frontgröße,

- die Glashöhe,

- die Glasbreite,

- die Stegbreite.

 

Die Brille mit Bügeln - das Vorbild der heute gebräuchlichen Brillen, erfand 1727 der in Soho/London etablierte Optiker Edward SCARLETT (um 1688-1743). Die Bügel reichten allerdings nicht bis zu den Ohren, sondern lagen den Schläfen an – wodurch oft Kopfschmerzen resultierten. 1752 verlängerte der Londoner Optiker James AYSCOUGH (um 1720-1762) die Bügel bis über die Ohren, wodurch der Tragekomfort wesentlich verbessert wurde. Um die sperrigen Stangen zu verbergen, brachte er zwei Gelenke an. Die Ohrenbrillen wurde im 19. Jahrhundert durch den französischen "pince-nez" abgelöst. In Diplomaten- und Offizierskreisen fand das Monokel im 19. und im frühen 20. Jahrhundert breite Anhängerschaft. Frauen bevorzugten das Lorgnon: der 1. Weltkrieg läutete das Ende dieser allzusehr vom sozialen Stand des Trägers bestimmten Mode ein.

 

Zeitlich fällt das Gründungsjahr der Firma Kirk (1919) in etwa zusammen mit dem erneuten Aufkommen der Brille mit Ohrenbügeln (engl. "temples"): ab 1917 machte der Hollywood-Komiker Harald LLOYD (1893-1971) mit seinen großen, runden Schildpattbrillen die Schläfenbrille mit gebogenem Bügel derart populär, daß sie die seit dem 19. Jahrhundert üblichen Brillen, wie "pince-nez", Monokel und Lorgnon, rasch verdrängte, die nun als altmodisch empfunden wurden. Seither gehört ein weiteres Maß zur Brille:

- die Bügellänge.

 

Die Bügellänge wird vom Brillenanschlag (Schraube des Scharniers) bis zum äußersten Ende der Seite gemessen (beinhaltet die Krümmung und die gesamte Neigung des Bügels). Ist der Bügel zu kurz, übt er hinter den Ohren zu starken Druck aus. Eine derart fest aufliegende Brille hinterlässt meist auf Nase und Schläfen Druckstellen. Bei einem zu langen Bügel rutscht die Brille zu weit nach vorne. Unterscheiden sich die Längen beider Bügel stark, sitzt die Brille schief auf. Üblicherweise messen die Bügel zwischen 125 und 150 Millimeter. Eine normale Bügellänge liegt zwischen 135mm – 145mm. Bügellängen können nur durch Austausch von Teilen verändert werden. Nur selten besteht die Möglichkeit, Mitunter reicht auch das Verbiegen der Bügelenden.

 

Exponat

1920 überreichte die Firma KIRK ihren Verkäufern ein, vermutlich aus den ersten Optometers weiterentwickeltes, Gestänge zum Bestimmen der Bügellänge, mit dem der Punkt bestimmt werden konnte, an dem die Brillenstange gebogen werden mußte "the point to bend". Maße 23,2 x 4 x 3 cm, beidseits der Gleitschiene sind zwei Skalen eingraviert: in cm und in inches. Irrtümlich wird das Instrument auch schon mal als Optometer vorgestellt, so in einem richtigen Museum:

(https://www.historiadelamedicina.org/Instrumentos/instrumento_66.html).

 

Der Name "Kirbend" setzt sich folglich zusammen aus KIR und "bend" biegen". Der Schriftzug "KIRBEND" mahnte die Optiker, wessen Brillen sie verkaufen sollten. Bekannt ist, daß die Firma Kirk & Brothers als erste groß auf Werbung setzte.

 

Zur Firma KIRK

"In 1919 Sidney and Percy Kirk, two ex-dairy farmers (Milchbauern), established themselves in London, where they manufactured various items, including buttons that they supplied to Woolworths. Never averse to taking work home with them, they converted a sewing machine into a lens cutter. Encouraged by Max Wiseman of optical instrument business M. Wiseman and Co., who later founded the Algha Works, the Kirk brothers concentrated on optics and in 1920 established a frames-manufacturing business on Gray's Inn Road, eventually employing one hundred people. Between 1925 and 1935 they took out ten patents for improvements in pads, mountings and pince-nez. Sidney Kirk was apparently the more 'hands-on' brother, while Percy handled the marketing. Kirk Brothers was the first British optical company to have a publicity department and, in 1929, the first to employ motorcycle couriers. The Kirbro brand offered various products prefixed 'Kir', such as the Kirbend side-measuring rule. After the Second World War the brothers split; Percy continued as a wholesaler in his own name (retaining the brothers' Motex safety-googles business, which he moved to Devon, where it later merged with the Savoc firm), and Sidney started the Kirk Optical Co. in Hatton Garden, London's "jewelery street." Den Betrieb gibt es immer noch: "Renowned for their innovation and style, the Kirk Brothers soon became a benchmark to be compared against. Three generations later, Jason and Karen Kirk are doing it all again!" Bekannte Leute trugen ihre Brillen: Menschen wie Julia Roberts, Stevie Wonder und Elton John. Große Ehrungen: London Design Awards 2014, Goldmedaille der Brillenmesse "Hall of Frames" in Stuttgart im October 2014. Zur Zeit verkauft das Unternehmen Kirk&Kirk seine Kollektion "Kaleidoscope" aus italienischem Acrylglas, das … in Frankreich verarbeitet wird – very British, indeed.

 

Anmerkung 

In einer ersten Phase, als die Optiker mit Standardmaßen wenig Erfahrung hatten, mag die Einführung des KIRBEND noch sinnvoll gewesen zu sein. Als sich herausstellte, dass die Maße von Mensch zu Mensch auffallend wenig variierten – fast alle Menschen kommen mit Brillenbügeln zw. 135 und 145 mm Länge aus, und ausreichend Vergleichsbügel vorlagen, hat sich das Vermessen der künftigen Brillenträger erübrigt: man setzte ihnen einige wenige Testmodelle auf die Nase und wusste im Nu Bescheid. So erklärt sich die Tatsache, dass der KIRBEND allem Anschein nach keinen Nachfolger hatte.