Innere Medizin


Senfpapier RIGOLLOT

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In der asiatischen Küche ist Senf seit der Antike bekannt. Über Kleinasien gelangte das Senfkorn nach Griechenland, wo es auch aufgrund seiner Heilkraft geschätzt wurde.

Im 1. Jahrhundert beschreibt der griechische Arzt und Pharmakologe Pedanios DIOSKORIDES die heilende Wirkung des Senfs in seiner Abhandlung „Materia Medica“. Das kalt gepreßten Senföle – auch diejenigen aus anderer Quelle z.B. aus Kapuzinerkresse und Meerrettich - wirken antibiotisch gegen Erkältungskrankheiten und werden heute wieder geschätzt zur Behandlung multiresistenter Keime; Senfpflaster bewähren sich als lokale Heilmittel bei rheumatischen Schmerzen und Neuralgien. Seine „kulinarische“ Tradition beruht nicht nur auf der starken Würzkraft mit entsprechendem Mythos als Aphrodisiakum, sondern auch auf dem günstigen Effekt auf die Verdauungsvorgänge - Senf wirkt „verdauungsfördernd“.

 

Das Senfpflaster war bis ins 19. Jahrhundert ein bekanntes Haus- und Heilmittel: der Brei wurde auf Leinwand gestrichen und auf die Haut aufgelegt bzw. angewickelt – noch in den 1950er Jahren wurden in deutschen Haushalten bei Lungenentzündung Senfwickel auf diese traditionelle Art hergestellt und auf die Brust getan.

 

Wirkungsprinzip

Es handelt sich um eine sogenannte "derivative" Therapie, bei der man hoffte, die kranken "inneren Säfte" der befallenen Lunge zu der durch die Senföle stark durchbluteten (geröteten) Haut ableiten zu können. 

 

Exponat

Kartonschachtel mit 3 Senfblättern.
Klassisch der quer über die Schachtel gelegte Schriftzug „RIGOLLOT" in Rot

Angeregt durch ein 1860 von dem Apotheker BOGGIO entwickeltes „Senfpapier“, das Pariser Pflaster (Taffetas de Boggio), verbesserte der Pariser Apotheker Jean RIGOLLOT (1810-1873) das Pflaster 1866 indem er Papierblätter mit dem Pulver von gemahlenen und ölfreien schwarzen Senfkörnern bestrich und mit einem Caoutschuk-Kleber daran fixierte: auf die Haut gelegt bewirkten die Blätter eine Rötung der Haut und Erwärmung.

 

Eine eher seltene Anwendung 

„Senfpflaster bei der Geburt. Zur Beschleunigung der Geburt, zur Anregung der Wehen benützt man in neuester Zeit — Senfpflaster, das man auf gewisse Hauptpartien auflegt. Die inneren Organe des menschlichen Körpers stehen jedes zu ganz bestimmten, eng umgrenzten Hautbezirken in Beziehung. Bei Erkrankung des Organs schmerzt meist auch die ihm entsprechende äußere Hautstelle. Umgekehrt kann man aber auch von diesem Hautstück auf das innere Organ einwirken. Daher sind durch Reizung der der Gebärmutter entsprechenden „Headschen Zone" durch Nadelstiche oder Senfpflaster die Wehentätigkeit beschleunigt und die Geburt erleichtert“ (Pilsner Tagblatt, 29. Mi 1936).

 

1867 stellte er sein Präparat auf der Weltausstellung vor – der große wirtschaftliche Erfolg fußte auf der zu dieser Zeit regen Angst vor Lungentuberkulose – da war jedes Mittel recht. 1872 leitete er eine ganze Fabrik, die nichts tat als „Senfblätter“ herzustellen.

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