HNO


Schlingenschnürer n. WILDE

Schlingenschnurer n. WILDE
 

"Wenngleich die Idee, die Polypen durch einen um sie herum gelegten Faden abzubinden, auf die Hippokratiker zurückgeführt werden muss, so ist der Gebrauch der Schlinge in der heute üblichen Weise doch verhältnismässig jungen Datums. Die erste Beschreibung einer solchen Vorrichtung habe ich bei William ROBERTSON gefunden, der dieselbe im Jahre 1805 abbildete und zur Beseitigung von Nasenpolypen warm empfahl. (..) Durch Modification desselben entstand später die Wilde'sche Ohrenschlinge, die den meisten Nasenpolypen-schlingen das Vorbild wurde. (..) Das erste Instrument von Wilde, das er in seiner Arbeit „Die Ursachen und Behandlung des Ohrenflusses" (Stralsund 1846) im Origin. Dublin Journ. of med. sc. 1844 Jan., S.37 ff. beschreibt und abbildet, war noch gerade; die jetzt allgemein gebräuchliche Knickung rührt, soviel ich habe finden können, von Wilde her und ist zuerst in seinen „praktischen Bemerkungen über Ohrenheilkunde", Göttingen 1855, S.64 u. 482, beschrieben worden. Wilde giebt selbst an, dass er das Princip seiner Schlinge dem Instrumente von Robertson entlehnt habe" (P. Heymann in: P. Bergengrün, Handbuch der Laryngologie und Rhinologie, Wien 1900 S. 837-838).

 

 

Polypen wurden seit jeher abgebunden, diejenigen der Gebärmutter ab dem 18./19. Jahrhundert mit dem Schlingenschnürer (frz. serre-noeud) n. Desault (1738-1795) oder Schreger (1766-1825), diejenigen in Nase und Ohr ab dem 19. Jahrhundert mit dem hier vorgestellten Instrument, von dem wir eine Abbildung im Katalog des Medicinischen Waarenhauses Berlin 1910 S.153 fanden (oben im Bild).

 

Benannt wurde das Gerät nach seinem Erfinder, dem irischen Chirurgen, Ophthalmologen und Otologen William Robert Wills WILDE (1815-1876), dem Vater des Schriftstellers Oscar Wilde (1854-1900).

 

Seine Anwendung wird wie folgt beschrieben:

"Therapie. Das schnellste Verfahren zur Heilung von Schleimpolypen ist die Abtragung mit dem durch v. Tröltsch in Deutschland allgemein bekannt gewordenen Wilde'schen Schlingenschnürer und sofort nachfolgender Galvanocauterisation des Wurzelrestes. Wegen der Schmerzhaftigkeit dieses combinirten Verfahrens ist es von vielen Patienten nicht ohne Narcose zu ertragen, es bietet aber dafür den Vortheil, dass auf diese Weise nicht selten mit einem einmaligen operativen Eingriff das Leiden gründlich und dauernd beseitigt werden kann. Viel schonender und bei einiger Geschicklichkeit fast ausnahmslos ohne Narcose, auch bei Kindern leicht ausführbar, ist das Abschnüren mit der Wilde'schen Polypenschlinge und erst am folgenden Tage begonnene Aetzen des Wurzelrestes mit Höllenstein, das nach jeder Abstossung des Aetzschorfes so lange wiederholt werden muss, bis keine Prominenz mehr erkennbar ist. Dazu sind häufig Wochen und Monate erforderlich. Die Vorzüglichkeit der Wilde'schen Schlinge wird bewiesen durch die Benutzung des gleichen Mechanismus für Polypen des Kehlkopfes und der Nase" (Hermann Schwartze, Die chirurgischen Krankheiten des Ohres, in: Deutsche Chirurgie, Verlag Enke Stuttgart 1885 S.218).

 

"Mit dem WiLDE'schen Instrumente lassen sich auf das Schonendste ohne Narcose unter Vermeidung jeder Nebenverletzung auch kleine, auf dem Trommelfell oder innerhalb der Paukenhöhle wurzelnde Polypen entfernen. Besteht bei letzteren nicht bereits ein grösserer Defect im Trommelfell zur Einführung der Schlinge, so kann die vorherige Spaltung des Trommelfells erforderlich sein. Zur Armirung des Schlingenschnürers habe ich im Laufe der Jahre der Reihe nach Silberdraht, Platindraht und ausgeglühten Stahldraht benutzt, und bin schliesslich beim Stahldraht geblieben" (E. Berthold, Lehrbuch der Ohrenheilkunde, Verlag von C.W. Vogel, 1893 S.723). Auch konnten mit der Wilde'schen Schlinge Hammer und Amboß extrahiert werden (S.772). Über die ungewöhnliche Extraktion eines Messingknopfes aus der Paukenhöhle mit Hilfe dieser Schlinge berichtete v. Tröltsch.

 

Exponat

Unser Schlingenschnürer stammt aus dem Nachlaß eines Arztes aus Hall und tauchte im September 2018 auf dem Flohmarkt am Innsbrucker Hafen auf …