HNO


Hörrohr

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- Der römische Arzt ARCHIGENES (2. Jh.n.Chr.) erwähnte ein Hörrohr als Mittel gegen Schwerhörigkeit, ebenso der griechische Arzt Alexander von TRALLES (5. Jh.n.Chr.).

 

- Eine mittelalterliche Miniatur aus dem 12. Jahrhundert zeigt König Artus mit einem Hörrohr bei der Jagd.

 

- "Das Hörrohr, das bisher als eine Erfindung des 17. Jahrhunderts galt, ist bereits von Leonardo angegeben und beschrieben, indem er dabei zunächst ein Blasrohr verwendete" (Luxemburger Wort, 2.11.1913).

 

- 1613 wurde erstmalig ein Hörrohr erwähnt: der italienischer Handwerker Paolo APROINO (1586-1638) rühmte sich, der Erfinder zu sein. Der italienische Dichter und Rechtsgelehrter Joh. Bapt. LALLI (1572-1637) aus Nurcia benutzte ein derartiges silbernes Hörrohr. In der Renaissancezeit wurde sein Hörtrichter wiederentdeckt und nachgebaut – teure Einzelanfertigungen aus Kuhhörnern oder aus Metall.

 

- 1650 beschrieb der Jesuit Athanasius KIRCHER (1601-1680) eine von ihm gebaute Hörmaschine, die 1673 in seinem Buch „Phonurgia nova sive conjugium mechanico-physicum artis & naturae paranymta phonosophia concinnatum“ abgebildet ist: eine Art hohle Zigarre, die zwischen Redner und schwerhörigem Zuhörer aufgestellt wurde.

 

- um 1700 baute der  Blasmusik-Fabrikant William BULL "trumpet maker to his Majesty" als erster Hörrohre in Serie.

 

- die erste wirklich kommerzielle Produktion von Ohrtrompeten wurde 1800 von Frederick C. REIN in London gegründet. Noch um 1900 benutzte man seine Schalltrichter.

- 1812 bis 1814 fertigte der aus Regensburg stammende Johann Nepomuk MÄLZEL (1772-1838) Hörrohre für Ludwig van Beethoven an. 

 

Hier die Lage nach dem 1. Weltkrieg:

"Kann Schwerhörigkeit durch Apparate verbessert werden? Der Weltkrieg hat das Heer der Schwerhörigen und Tauben um ein beträchtliches vermehrt und die meisten von diesen werden wohl schon vor der Frage gestanden haben, ob ihnen etwa durch einen der verschiedenen, oft in marktschreierischer Weise, in den Zeitungen angepriesenen Apparate geholfen werde könne. Es ist ohne weiteres verständlich, daß das scheinbar gleichartige Symptom der Schwerhörigkeit, da es einer Reihe verschiedener anatomischer und physiologischer Ursachen entspringt, durch keinen Apparat gleichmäßig zu beheben sein wird, es können durch künstliche Apparate nur die Bedingungen der Schallzuleitung verbessert werden. Am längsten sind Hörrohre zur Verbesserung des Gehörs bekannt und in weitester Verbreitung im Gebrauch. Bei der Fortpflanzung des Schalles durch Röhren nimmt seine Intensität nur minimal ab, der durch eine Röhre dem Ohr zugeleitete Schall tritt dasselbe fast mit derselben Intensität, als wenn der Schall unmittelbar am Ohr erzeugt wäre; die konische Form des Rohres begünstigt die Sammlung und Verstärkung der Schallwellen. So gibt es eine Reihe von Hörrohren verschiedener Form, für deren Auswahl rein subjektive Gesichtspunkte maßgebend sind. Sie dürfen nicht benutzt werden, wenn durch sie Ohrensausen erzeugt oder vorhandenes gesteigert wird. Die größte Rolle in den Ankündigungen spielen wohl die sogenannten "unsichtbaren Hörrohre": geschickt wird hierbei auf die Eitelkeit der Schwerhörigen spekuliert und nicht ohne Erfolg. Ihr Wert soll einmal in der UnauffäIIigkeit, dann aber auch in der Sammlung und Verstärkung der Schallwellen liegen. Als Hörapparate sind sie nicht anzusprechen, denn selbst der Laie muß sich sagen, daß die kleine Oeffnung nur wenig Schall sammeln und die Kürze denselben in keiner Weise verstärken kann. Durch die Einführung solcher Gehörpatronen können unter Umständen Verletzungen enstehen, die sehr gefährlich und bösartig werden können. Auch Hörapparate größeren Stils sind auf dem Markt erschienen, deren Wert bei genauer Prüfung durch Fachmänner sich als höchst zweifelhaft erwiesen hat, indem sie keine wesentlich bessere Hörvermittlung schafften, als die Höhrrohre solider Firmen. So wurden sogenannte Akustik-Apparate in den Handel gebracht, welche auf dem Prinzip des Mikrophons und Telephons beruhen. Derartige Apparate bestehen aus einer isolierten Sprechvorrichtung, die durch Kupferdraht mit einer elektrischen Taschenbatterie verbunden ist: Von der Sprechvorrichtung geht die Leitung zu den Hörballons, die innen eine Membran haben, deren Schwingungen dem Hörer mitgeteilt werden. Die verschiedensten Versuche haben in seiner Weise den Erwartungen und Besprechungen entsprochen; Tatsache ist, daß sie den Schall zu verstärken vermögen und auch Gespräche leiten, die nicht direkt in die Sprechvorrichtung gesprochen werden, aber sie verstärken auch alle Nebengeräusche, welche den Schwerhörigen derartig verwirren können, daß er ihn nicht selten wieder aufgibt. Bei den sog. "Dentaphonen" und “Audiphonen" handelt es sich um Apparate, bei welchen mit Hilfe der Knochenleitung die Schallwellen auf das Labyrinth übertragen werden sollen, indem der Schwerhörige eine Platte aus Hartgummi oder Holz zwischen die Zähe nimmt oder an die Kinnlade lehnt, während gegen diese gesprochen wird. Der Gedanke, statt der Luftleitung der Knochenleitung sich zu bedienen, bei Hörversuchen, ist alt; benutzt man doch auch Stimmgabeln, um die Hörfähigkeit für verschiedene Töne zu bestimmen, und bedient sich der Knochenleitung. Es ist aber doch ein großer Unterschied, ob man bloß Schallwirkungen erzeugen will, die hier nicht ausgeschlossen sind, oder zur Ton- und Lautwahrnehmung den Schwerhörigen bringen will. In letzter Beziehung sind alle Versuche selbst bei Schwerhörigen mit Vokalgehör, ja sogar mit Wortgehör ohne Erfolg geblieben. Es ist also bei der Anschaffung eines Gehörapparates immer besondere Vorsicht geboten. Kaum auf einem anderen Gebiete wird so viel schwindelhafte und gewissenlose Reklame getrieben, als wie mit den sog. gehörverbessernden Apparaten. Wer sich einen solchen Apparat anschaffen will, lasse sich immer vorher von einem Ohrenarzt beraten; nur so kann er einer unnützen Geldausgabe und schwindelhaften Uebervorteilung entgehen. Das wichtigste Hilfsmittel im sprachlichen Verkehr für den Schwerhörigen und Ertaubten ist das Ablesen des Gesprochenen vom Gesicht. So wesentliche Fortschritte die Ohrenheilkunde in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, in zahlreichen Fällen vom Schwerhörigkeit ist sie doch machtlos und deren Folgen können dann nur durch die genannte Methode und nur in bestimmten Fällen durch einen Apparat, deren zuverlässigster und billigster ein gutes Hörrohr ist, gemildert werden" (Escher Tageblatt, 7.4.1923).

 

 

Exponat

Zweiteiliges Hörrohr aus Messingblech (Replik), erworben 4/2017. Länge ausgezogen 36 cm, zusammengeschoben 21cm

Trichterdurchmesser 10 cm x 8 cm

Herkunft: Zwickau.