Geburtshilfe


Neugeborenenwaage (1)

Deutsches Fabrikat, benutzt in Verdun, als antikes Stück gekauft in Etain 

Erst seit 1815 werden Neugeborene gewogen - in der Maternité von Paris begann der Arzt Michel FRIEDLAENDER in jenem Jahr am Pariser "Hospice de la Maternité" mit dem Wägen der Neugeborenen! Fortschrittliche Hebammen führten von nun an aufwendige, platzraubende Waagen mit sich, so wie die hier vorgestellte Waage in einer aufklappbaren Holzkiste, mit säuberlich eingelegtem Messinggriff, die zwischen den Weltkriegen von einer Hebamme aus Verdun benutzt wurde.

1875 gründete Franz Schneider Senior eine feinmechanische Werkstatt in Heilbronn. Sie beschäftigte sich am Anfang mit der Reparatur der damaligen High-Tech-Produkte Fahrräder und Nähmaschinen. In den nachfolgenden Jahren wurde die Produktion von Präzisionswaagen aufgenommen. 1890 zog die Firma in ein eigenes, neu erbautes Gebäude in Sontheim bei Heilbronn und erweiterte die Waagenproduktion.
1901 nahm Schneider die Gebrüder DÖFT als Gesellschafter mit auf. Die Firma wurde in eine OHG umgewandelt. Es folgte eine Erweiterung des Produktprogrammes: man stellte jetzt neben den Waagen noch Hähne und Ventile her. Ferner begannen erste Zulieferungen von Metallteilen an die Automobilindustrie. 1906 erweiterte man die Produktion um eine Metallgießerei für Messing- und Rotgussteile für die Ventilherstellung. 1920 trat Franz Schneider Junior an die Stelle seines Vaters in der Führung der Firma. Nach 16 Jahren der Weiterentwicklung wurde das Unternehmen 1936 in zwei Firmen aufgespalten:

  • eine Firma verblieb mit der Waagenproduktion in dem Gebäude in Sontheim unter der Führung der Gebrüder DÖFT. Die Firma, die zeitweilig das Logo "Schutzmarke Adler" führte, existiert nicht mehr.
  • die andere Firma wurde mit der Armaturenfertigung nach Nordheim an den heutigen Standort am Bahnhofplatz verlagert und unter der Leitung von Franz Schneider Junior fortgeführt. Sie besteht noch heute.

    Alter der vorgestellten Waage: nach 1936. Die Waage verfügt über eine grosse Schale, mit breiterem Kopfteil, die zum Verstauen umgekehrt auf die Waage gelegt wird.




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Neugeborenenwaage (2)

Waage Testut 

«Durant des millénaires, le pesage a peu évolué. Les instruments mécaniques, fléau à bras égaux puis balance romaine, se sont améliorés avec les progrès de la métallurgie essentiellement, mais pas de révolution. Une évolution très importante fut apportée par l’invention du principe de la balance Roberval par Gilles Personne de Roberval en 1669, en permettant le dépôt de la charge et des poids d’équilibre au lieu de les suspendre. Puis la balance Béranger, du nom de son inventeur, fit son apparition en 1840 et fut suivie en 1849 du premier pont-bascule fabriqué par Béranger. En 1820, à Strasbourg, Quintenz mit au point la bascule décimale qui facilitera la pesée en ne nécessitant que le dixième de la charge à peser. C’est vraiment à partir du XIXe siècle que naîtra l’industrie du pesage.
Firme Testut, fondée en 1820 par Charles Rodolphe TESTUT, dont le siège était à Paris, avec des usines à Lyon, puis à Corbeil au sud de Paris, puis à Béthune après la fusion avec la société Aequitas en 1971. En 1989, METTLER fait l'acquisition de la société américaine TOLEDO, spécialiste de la fabrication de balances industrielles, et s'ouvre ainsi les portes du marché outre-atlantique. En 1999, c'est sur le marché des balances Poids-Prix que le Groupe étend son champ d'activités, avec le rachat de l'entreprise TESTUT- LUTRANA».

Die vorgestellte Waage stammt aus einer eingesessenen Pariser Praxis. Sie konnte von Privatpersonen gemietet werden; die Waage blieb dabei, wie das Etikett besagt "Eigentum der Firma Testut".


Cave Verwechslungen mit dem bekannten Anatomen Jean-Léon TESTUT (1849-1925), Professor der Anatomie in Bordeaux, Lille, dann Lyon. 1889 erschein zum ersten Mal sein "Traité d'anatomie humaine". Nach ihm ist das bemerkenswerte "Musée TESTUT -LATARGET" in Lyon benannt.




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Neugeborenenwaage (3)

 

Die hier vorgestellte Korbwaage erinnert an eine Waage der besonderen Art, die in der Renaissance im Kloster Marienthla bei Mersch in Gebrauch war:
Laut Pater Alexander Wiltheim wurden im Marienthal kleine Kinder auf eine Waage gelegt, mit Getreide von gleichem Gewicht "losgekauft". In der Aufstellung der Klostergüter, 1783 bei der Sequestrierung des Klosters aufgestellt, findet man die beim "wägen" benutzte Waage wieder: "uralte Waage mit Korb".

Hatten die Eltern nicht genügend Eigenmittel, so gingen sie von Haus zu Haus und bettelten das Korn zusammen. Auch wurde durch Betteln Geld gesammelt womit dem Heiligen zu Ehren Messen gelesen wurden.

In einem Register, welches zwischen den Jahren 1677 und 1698 geführt wurde, verzeichnete eine Schwester Sakristanin alle die wunderbaren Heilungen, die in Marienthal vorkamen:
8.8.1676:
"Michel und Susanna aus Hurttenhaus zu Clapich bey Mersch haben ein kind zu haus in einer wag weihen lassen anne 1676, und als sie anjetzo den 8. august ihr opfer und gelubt verrichten, versicheren sie das das kind gleich gesungen und gesund worden".
10.8.1676:
"Heut den 10.August 1676 kombt Nicolaus und Barbara Reinersch von Hinsdorf ihr vorhaben volzihen das sie gehabt haben vor dem somer und also bald seye das kind besser worden".

Auch Van Werveke berichtet über einen Fall von Kindswägung in Marienthal (AEL, fond v.W. n0. 1675).




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Neugeborenenwaage (4)

 

Die hier vorgestellte Babywaage mit ihrer Tuchbespannung würde heute wohl nicht mehr von den Behörden in Brüssel zugelassen: welch eine Verletzungsgefahr an den 4 Metallbügeln, zwischen denen das Tuch ausgespannt ist!


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Neugeborenes absaugen

 

Das Absaugen des Neugeborenen verfolgt im Prinzip zwei unterschiedliche Ziele:
a) ein therapeutisches resp. prophylaktisches.
b) ein diagnostisches.

ad a) Viele Neugeborene kommen stark verschleimt zur Welt und haben mütterliches Blut und Fruchtwasser aspiriert - manche sogar Mekonium (Kindspech). Die oberen Atemwege (Nasenöffnung, Mundhöhle, Rachen) sollten schnellstmöglich von diesen Hindernissen befreit werden. Bei mekoniumhaltigem Fruchtwasser wurde bis vor kurzem empfohlen, Mund und Rachen des Kindes sogar möglichst noch vor dem ersten Atemzug abzusaugen um das Risiko einer Aspiration in die Lungen zu minimisieren. Das Absaugen von Mekonium über Nase und Mund des Babys noch vor der Entwicklung der Brust (intrapartales Absaugen) wird aber neuerdings als nicht wirklich sinnvoll beschrieben
www.agn.at/html1.php?hid=189

Da Kindspech unter anderem aggressive Enzyme aus der Gallenblase und der Bauchspeicheldrüse enthält, kann es die Lungenbläschen des Neugeborenen zerstören und zum gefürchteten Mekonium-Aspirations-Syndrom MAS führen.

Ein vitales Neugeborenes, das innerhalb der ersten 5 bis 10 Sekunden zu schreien beginnt, braucht nicht abgesaugt zu werden. Absaugen ist für das Kind unangenehm, kann zu Schleimhautläsionen führen. Allerdings bringt kräftiges Husten beim Absaugen dem Kind 2 Punkte auf der Skala von Virginia APGAR (1909-1974) ein...

Der Magen wird nur bei adäquater Oxygenierung und stabilisierter Atmung abgesaugt:
– bei Polyhydramnion, Atemnotsyndrom oder bei schaumigem Speichel,
– nach oder unter Beutelbeatmung und vor einem Transport.

ad b) Gelingt es nicht, den Katheter bis in den Magen vorzuschieben, besteht der Verdacht auf eine Oesophagusatresie.
Das Absaugen von mehr als 20 ml Magen- flüssigkeit ist verdächtig für eine obere gastrointestinale Obstruktion.

Cave: Auslösung eines vagalen Reflexes durch Berühren der Rachenhinterwand mit reflektorischer Bradykardie und Apnoe ist möglich. Daher wennmöglich Monitorüberwachung!

Vorgestellt wird ein Mundsaugkolben, angeschlossen an einen Katheter Charrière 10 mit endständiger Öffnung (bei Frühgeborenen wird ein entsprechend dünnerer Katheter, z.B. Charrière 8 benutzt), wie er 1990 in der Maternité Charlotte in Luxemburg benutzt wurde.

Link:
www.neonet.ch/newborn-d.pdf




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Pater semper incertus, mater certa

 

"Pater semper incertus" - der Vater ist immer zweifelhaft. So ist auch der hochadelige Vater auf der Ansichtskarte, der stolz auf seine "Leistung" schaut, nicht wirklich der Erzeuger: der Page links im Bild hat ihm Hörner aufgesetzt - er war's!

Als der britische Sexualforscher Robin Baker in Liverpool und dem Südosten Englands genetische Fingerabdrücke von Eltern und Kindern einholte, deckte er auf, dass der Anteil der so genannten "Kuckuckskinder", die nicht vom vermeintlichen Vater stammten, je nach Wohnbezirk bis zu 30 Prozent betrug. Der Mittelwert seiner Recherchen lag bei neun Prozent. Nach einer Studie der US-Universität Virginia Commonwealth (Richmond) sind etwa 5 - 10 Prozent aller Kinder in der westlichen Welt sogenannte "Kuckuckskinder". Einer rezenten Studie zufolge gibt es allerdings viel weniger “Kuckuckskinder” als bisher angenommen. Im europäischen Schnitt stammten nur 3,7 Prozent der Kinder nicht von dem Mann ab, der als Vater gilt, sagt Professor Mark Bellis von der John Moores University / Liverpool. Immerhin! Die Tatsache, dass es überhaupt solche Kinder "der Liebe" gibt, muss immer dann bedacht werden, wenn die Blutgruppenzugehörigkeit eine entscheidende Rolle spielt, z.B. bei der Rhesus- prophylaxe: man vergesse niemals einer rh-negativen Mutter während der Schwangerschaft (28. SSW) das Anti-D zu spritzen, selbst dann nicht, wenn der Vater ebenfalls rh-negativ ist und das Kind "eigentlich" nicht Rhesus-positiv sein dürfte....

Vorgestellt wird eine Ansichtskarte des bekannten Zeichners Marcel JEANJEAN (1893-1973) aus dem Jahr 1950. Titel der Karte „L’Orgueil“ - "der Stolz".
"Marcel Jeanjean est né le 31 janvier 1893 à Sète. En 1914, il occupe ses loisirs dans les tranchées en croquant ses compagnons. Puis il s'engage dans une arme moins terre à terre, l'aviation. Les mordus connaissent au moins des morceaux de son oeuvre: Jeanjean a abondamment illustré les débuts de l'aviation, puisqu'il les a vécus au plus près. Son ouvrage le plus connu, Sous les Cocardes, est une souriante évocation en images de la vie d'une escadrille, maintes fois réédité et toujours convoité par les collectionneurs. Il a été peintre officiel du Département de l'Air, titre ronflant où l'on s'attendrait à voir un artiste à barbe, pompeux et pompier, plutôt qu'un producteur d'images naïves, simplement mais si joliment coloriées, grouillantes de bonshommes, de chiens, de chats, veaux, vaches, cochons, couvées, et ces drôles de machines plus ou moins volantes. Il est mort à Soisy-sur-École (Essonne) le 25 juillet 1973" (Internet: https://perso.orange.fr/pertuze/Marcel_Jeanjean.html).




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Perforatorium (1) n. LEISNISCH

 

Schon FENOMENOFF, GUYON, LEISNISCH- KIEWISCH, MARTIN, PAJOT, RAPIN und WALCHER hatten Geräte angegeben, mit denen man den Schädel nicht mehr "nur" anstechen, sondern regelrecht anbohren konnte.

Der "Trépan-Perforateur" nach BRAUN war nichts anderes als ein über eine Kurbelwelle angetriebener Kron-Trepan.

Carl BRAUN von Fernwald (1822-1891) wurde in Zistersdorf in Nieder-österreich geboren. Studium in Wien, Assistenzjahre in der geburtshilflichen Klinik von KLEIN, wo er Nachfolger von SEMMELWEIS war.
1853 übernahm er eine Lehrstelle an der Hebammenschule von Alle-Laste in Tirol.
1854 setzte er in Wien die Errichtung einer gynäkologischen Klinik durch - es wurde die sog. "I. geburtsh.-gyn. Klinik" Wiens (die sog. "zweite" wurde 1873 errichtet und SPAETH übertragen).
1856 wurde als Professor der Geburtshilfe nach Wien berufen. Durch Einhaltung strengster hygienischen Maßnahmen gelang es ihm, die Sterblichkeit der Wöchnerinnen auf unter 1% herabzudrücken. Neben der Einführung etwas modiifizierter antiseptischen Prinzipien waren es zweckmäßige Ventilations- und Heizungseinrichtungen sowie Verbesserumgen der Krankensäle, die er hierfür verantwortlich machen konnte.
Er leitete die Klinik bis 1891. Er war ein begnadeter Tüftler, der uns - ausser dem Trepan, eine Reihe weiterer Instrumente hinterliess:

  • BRAUN'scher Ballon, ein Colporhynter ähnlich demjenigen von CHAMPETIER de Ribes angegebenen.
  • BRAUN'scher Haken, ein sog. Schlüsselhaken zur Dekapitation.

    Das hier vorgestellte Exemplar stammt aus dem Nachlass des in der Hauptstadt Luxemburg praktizierenden Arztes Joseph PRIM (1891-1974)




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Perforatorium (2) n. SIEBOLD, DUBOIS und NAEGELE

 

War die Extraktion eines lebenden Kindes nicht möglich, so konkurrierten die Techniken Sectio, Heb-osteotomie und Kraniotomie. War das Kind bereits abgestorben, kam Anfang des 20. Jh. nur die Kraniotomie in Betracht "damit bei der in der Regel nachgeschickten, künstlichen Verkleinerung der Inhalt, das Gehirn, austreten kann". Voraussetzung war ein nahezu vollständig eröffneter Muttermund....

Zur Kraniotomie wurden in Deutschland Anfang des 20. Jh. vor allem die Scheren nach
a) nach SIEBOLD
b) SMELLIE (beide aus dem Besitz von Frau Dr. Sisi LENTZ) benutzt, letzterer zeichnete sich durch einen Verschluss-mechanismus aus, der ein versehentliches Öffnen der Branchen beim Einführen des Gerätes verhindern sollte. Beim Einführen wurde das Instrument, mit der einen Hand gedeckt, an den Kopf geführt und, wenn möglich an einer Fontanelle durch die Schädelkapsel hindurchgestoben, indem man das Instrument senkrecht in den Kopf stieb, um ein Abgleiten zu vermeiden. War der Kopf noch beweglich, mubte er von aussen fixiert werden...
c) Der gerade "perce-crâne" nach DUBOIS gehörte Dr. Jos. PRIM

Nota: diese Scheren schneiden, wenn man sie öffnet - andere Scheren schneiden bei Schliessen!

Doch blieben trotz Kraniotomie diejenigen Becken gebärunfähig, deren Conjugata vera kleiner als 5,5 cm betrug. Bei diesen absolut verengten Becken kam nur die Sectio in Frage. Eine weitere Einschränkung der Einsatzmöglichkeiten für die Kraniotomie stellte der nachfolgende Kopf dar: hier empfahl DÖDERLEIN von dem Versuch einer Kraniotomie abzusehen und das alte Verfahren von COHN anzuwenden, und die Halswirbelsäule einzuschneiden, damit das Hirn "wurstförmig" austreten könne.

d) An die Perforatorien erinnert dieses etwas zierlichere, leicht gebogene, 20 cm lange Instrument, dessen Spitze, geschlossen, die dreieckige Form eines Perforatoriums besitzt. Das Instrument wird aber ganz anders geöffnet als ein Perforatorium. Öffnet man ein solches, so schneiden seine beiden Messer, öffnet man aber das hier vorgestellte Gerät, so zerreisst es mit den Seitenflächen der beiden Messers. Es handelt sich ... um eine Tonsillen-Abszess-Zange n. THILENIUS.

Die Gravur "Rostfrei" deutet auf einen deutschen Fabrianten...




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Perforatorium (3) n. BLOT

 

Die Instrumente, die Hebammen bis ins 17. Jahrhundert hinein benutzten, glichen zum großen Teil jenen der Bader oder Wundärzte. Eucarius Rößlin hat 1513 in seinem Buch "Der Swangern Frauwen und hebammen Rosegarten" u.a. beschrieben, was die Hebamme tun sollte, wenn das Kind im Mutterleib gestorben war. Falls austreibende Medikamente wie Bibergeil, Myrrhe und Raute nicht wirkten, hatte sie Haken, Zange und Schere aus Eisen zu Hilfe zu nehmen. Lag das Kind mit dem Kopf zum Ausgang der Gebärmutter, konnte es mit den Haken (Dekapitationshaken, Geburtshaken) am Kopf gefasst und herausgezogen werden. War die Lage ungünstiger, mussten Extremitäten abgetrennt und einzeln hervorgebracht werden. Wenn der Kopf wegen einer Flüssigkeits- ansammlung zu groß war, hatte die Hebamme mit Lasseisen oder einem scharfen Messer einzugreifen. Später benutzte der Arzt für diese Zwecke Perforatorien.

Aus der „Metzer Wunderkiste“ [um 1900] stammt dieses Perforatorium nach BLOT, in den Kliniken allgemein „der scharfe Dolch“ genannt.

Hippolith BLOT (1822-1888) war Geburtshelfer, Direktor des Vaccinationsdienstes und „prof. agrégé“ der medizinischen Fakultät Paris.

„Nichts sticht besser als der scharfe Dolch [nach BLOT]“, schrieb Albert Döderlein noch 1925 (zit. nach Anton Schaller, Instrumentarium obstetricium Viennense, Wien 2002 S. 70).




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Phantom

Hebammen-Lehrpuppe, um 1950 

 

 

Phantome werden seit dem 18. Jahrhundert zu Lehrzwecken eingesetzt.

 

Erstmals in einem Lehrbuch des Schweden Johann van HORN finden wir die Beschreibung eines Lehrgerätes, das aus zwei Elementen bestand: einem weiblichen Becken (die meisten Konstrukteure des frühen 18. Jh. benutzten natürliche weibliche Becken von Leichen) und einer mit Baumwolle und Haar ausgestopften Puppe. HORN scheint das Modell ab 1705 benutzt zu haben. 1739 bildete MANNINGHAM in London seine Schüler an einer ähnlichen "machine" aus. Ebenfalls kurz vor 1740 sah der Engländer SMELLIE in Paris ein Mannequin eines gew. Grégoire, das aus Weidenzweigen geflochten war, und SMELLIE nicht überzeugte. Nach seiner Rückkehr nach England konstruierte er 3 grosse "machines" mit 6 passenden Puppen, die alle bis dahin entwickelten Phantome in den Schatten stellten. Neben natürlichen Knochen (das weibliche Becken war schwer mit Kunstmaterialien nachzubilden) verwandte er Leder bei der Nachbildung der Bänder, Muskeln und der Haut. Neu an SMELLIE's Modellen war die Beweglichkeit der Gebärmutter, deren "Mund" sich öffnen konnte, sowie die Möglichkeit, mit Wasser eine volle Fruchtblase nachzuahmen. Die Kinderpuppen waren aus Holz, wobei die Gesichter fein skulptiert und der Unterkiefer beweglich waren. 1752 veröffentlichte G.F. MOHR in "Die Gebährende Frau" eine Abbildung eines deutlich primitiveren Modelles, das nur den Vorteil besass, dass es in Serie produziert und preiswert für 6 florin an Hebammen und Entbinder verkauft werden konnte.


Die italienische Didaktik, in welcher die Lehre am Leichnam eine grosse Rolle spielte, entwickelte die Idee weiter. Auf Dauer nämlich stiessen die Dissektionen von weiblichen Leichen die Beteiligten ab, zudem waren die Leichen schwer zu besorgen und entsprechend teuer. Zwischen 1750 und 1753 entwickelte GALLI gläserne Modelle, deren Produktion nicht teuer war, und deren Durchsichtigkeit genauere Einblicke zuliess. Die Modelle wurden bis nach Flandern exportiert. Die ansehnliche Sammlung GALLI's an Modellen und Puppen wurde später von der Universität Bologne erworben (Wissenschaftliches Institut). PICCOLI, ein "démonstrateur", der von 1765-67 eine Hebammenschule in Verona leitete, empfahl den Gebrauch von wächsernen Puppe, auch spätere Lehrer machten ausgiebig Gebrauch von "macchine artificial i modelli" (Gélis, S. 179).


In Frankreich entwickelte LEVRET 1750 ein Modell, die Académie des Sciences die Konstruktion verschiedener Modelle (insbesondere ein Herr Morand), 1759 half er die Puppe von Frl. DESGENETTES zu brevetieren (Gélis S. 528). In rascher Folge wurden immer bessere Puppen vorgestellt, die von Melle BIHERON 1750, Melle DuBoursier-Du COUDRAY 1759, BAUDELOQUE 1780, LEVASSEUR 1798. Frau Du COUDRAY führte ihre "machine" landesweit in die Lehre ein: ein lebensgrosses Modell, das bei der Serienfabrikation dieser Mannequins als Vorlage benutzt wurde, ist erhalten und wird im "Musée Flaubert d'histoire de la médecine" in Rouen aufbewahrt. Die Modelle wurden in Paris von Puppen- und Automatenherstellern fabriziert und zerlegt in die Landesprovinzen versandt. Das knöcherne Becken bestand aus menschlichen Skeletteilen, deren Herkunft manchmal zweifelhaft erschien, möglicherweise wurden die Knochen gelegentlich auf Friedhöfen ausgegraben.
Das geburtshilfliche Phantom reizte alle "Tüftler": 1820 führte AMELINE ein Modell aus "papier-mâché" vor, VERDIER entwickelte ein Modell mit elastischer Vulva, deren Kupferwicklungen sich dehnen liessen um einen Foeten passieren zu lassen, 1830 gipfelte die Aera der Phantome mit einer mechanischen Puppe von OZENNE, bei der der Foet in einer kontraktilen Tasche lag und naturgetreu ausgestossen wurde.

 

1877 wurde für die staatliche Entbindungsanstalt Luxemburg "un mannequin avec foetus & placenta" bei der Fa. Clasen in Brüssel gekauft. 

 

Exponat

Seit 1890 ist "Das geburtshilfliche Phantom" nach Prof. Bernhard Sigmund Schultze-Jena (1827-1919) weltweit Bestandteil der Aus- und Weiterbildung in der Geburtshilfe. Rest eines solchen Phantoms ist die hier vorgestellte Puppe. Sie wurde um 1950 in der Universitätsfrauenklinik Köln benutzt (Prof. Dr. Rudolf KAISER).




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Plazenta-Kürette

 

"An early 20th century Gyn spiral uterine auger curette. This curette can be introduced through a very slightly dilated cervix, and by slight turning of the handle and using the curette motion the blade of this curette will separate completely every particle of an adhered placenta, without injuring the uterine walls. It is indispensible in miscarriages" (Sears & Roebuck surgical Instrument Catalog, 1904).

Die Spiralkürette wurde insbesondere bei puerperalen Infektionen eingesetzt, um die mit infektiösem Material gefüllte Uterushöhle zu säubern:
"Puerperal Infection: The treatment that is most successful in the various forms of puerperal infection which has saved many patients, for the writer, where others had failed and where our general form of treatment failed as well, is what will be given below. This varies according to the nature of infection, as well as severity of the case. For these reasons it should be understood whether the infection is caused by the streptococcus, staphylococcus, gonococcus, bacillus coli communis or some other putrefactive organism. The most violent form is the streptococcus infection, the form in which there is no offensive odor to the discharge; In the mixed infection of above and the staphylococcus there is only very little odor, if any; while in infection of the bacillus coli communis or other putrefactive organism the discharge has an offensive foul odor and the uterus will be found to contain a large amount of necrotic material; the discharge as a result is very foul smelling. In these cases there is a formation of gas in the uterus for reasons given. From above it can be seen that it is easy to differentiate between the different forms of infection, except where we have a mixed infection of streptococcus or staphylococcus or both, with the bacillus coli communis or other putrefactive organism or more of these. However, in such cases we find that after curetting the temperature will remain high, or, if it goes down, only remains low for a very short while, only to rise again rapidly. That curetting is indicated in infection of bacillus coli communis or other putrefactive organism is an established fact, for the reason that the infection is more confined to the endometrium. Again, in purely streptococcus or staphylococcus infection, but especially the former, the change in the endometrium is very little, it being found on examination to be very smooth. In these cases the germ spreads rapidly along the lymphatics, or veins or both, from the uterus and general systemic infection is the result, which is often associated or followed by various complications, such as purulent pleurisy, pneumonia, peritonitis or phlegmasia alba dolens. In some cases all these complications are present. Now before going into the systemic treatment of puerperal infections a few words on the local and antiseptic treatment are to be considered carefully. The utmost care should be exercised in this direction even to the minutest details. It is a well known fact that sudden collapse has resulted from carbolic acid uterine douches. It is also a well known fact that bichloride douches are dangerous. Many women die from absorption, cases being on record where one uterine douche of 1:4000 has resulted in death from mercurial poisoning. Are these not reasons enough to condemn the use of bichloride douches? In infection of putrefactive organism, where the uterine discharge is foul smelling and curetting is indicated, the spiral curette is the quickest, safest and most convenient" (Fred J. Petersen, M.D., Materia Medica and Clinical Therapeutics, 1905).

"Auger-Curette" d.h. Spiralkürette - Import aus Bradenton/Florida. In den USA sieht man diese Kürette immer wieder in geburtshilflichen Bestecken aus der Zeit um 1900. Länge 30 cm.

Bei uns ist dieser Typ von Kürette mit seiner an die Saugkürette von AUVARD (1855-1941) (siehe Kapitel Gynäkologie, Saugkürette) erinnernden Absaugvorrichtung völlig unbekannt!




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Plazenta-Oel

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In den 1930er Jahren begannen deutsche Unternehmen, kosmetische Produkte aus Plazenten herzustellen.

 

Dieses kleine Fläschchen mit Plazenta-Hautöl wurde hergestellt  von der 1936 von der Kosmetikerin Margarethe Sendler und der Ärztin Bertha ROEBER gegründeten Fa. MARBERT.

 

Noch heute bietet die Firma eine «Tonale-Abdeckcreme mit Plazenta» an, das besondere tierische Protein bezieht sie aus Schafplazenta.