Geburtshilfe


Basiotribe n. TARNIER

 

 

   1883 gab der französische Geburtshelfer Stéphane TARNIER (1828-1897) ein Instrument an, das er "Basiotribe" nannte. Im folgenden Jahr entspann sich in der Fachliteratur eine lebhafte Diskussion, bei der grosse Uneinigkeit darüber herrschte, ob das Instrument sinnvoll sei. 

 

"Das 1883 erfundene Instrument soll vor Allem die Basis cranii zertrümmern, daher sein Name. Der Kephalothrypter Baudelocque's zertrümmert wohl den Kopf, wenn er gut gefasst ist, aber gerade das Fassen und dann das Ausziehen, ohne dass das Instrument ausgleitet, bildet die Schwierigkeit. Der Kranioklast Simpson's in seinen Verbesserungen von Braun, Fabbri etc., der Forceps-scie, die Instrumente von Lazarewitsch geben gute, doch nicht befriedigende Resultate. Einen über dem Beckeneingang stehenden Kopf vermag aber der Kranioklast weder zu verkleinern, noch durchzuziehen, es sei denn, dass es gelingt, die Basis cranii zu erfassen: er ist ein gutes Zug-, aber ein schlechtes Zertrümmerungsinstrument Der Basiotribe soll den gerügten Mängeln abhelfen. Er besteht aus 3 Branchen, einer centralen und zwei seitlichen. Die centrale, mittlere Branche ist ein Perforator in Bohrerform, welcher bei Hinterhauptsstellung bis zum Stirnbein vorgetrieben werden soll. Wird nun die einem schmalen, gefensterten Zangenblatte ähnliche, mit einem Ausschnitt versehene linke Branche durch Einschnappen in eine geknöpfte Achse des Perforatorium geschlossen, so ist das Instrument gleich einem Kranioklast zu gebrauchen. Zeigt das dermaassen angelegte Instrument Neigung zum Abgleiten, so kann man das Perforatorium in das Keilbein einbohren. Will man den Kopf noch weiter verkleinern, so wird die rechte, dritte Branche eingeführt. Dieselbe ist etwas länger als die linke und wird mittels Ausschnitt und geknöpfter Achse, die sich auf der zweiten Branche befindet, geschlossen. Jetzt ist das Instrument ein Kephalothrypter, dessen Halt am Kopfe durch die centrale Branche, den Bohrer, gesichert wird. Das Diagramm des zertrümmerten Kopfes ist 8förmig. Bei einem Fall von Beckenenge mit 6 cm Conjugata vera gelang es binnen 20 Minuten die Basiotripsie zu vollenden (Frau inficirt aufgenommen, starb nach zwei Tagen). Schildert noch weitere Fälle, um die specielle Anwendung in verschiedenen Kindeslagen zu zeigen. Bei Gesichtslagen tritt stets das Kinn in das Fenster einer Aussenbranche, wodurch das Instrument an Halt gewinnt, und empfiehlt B. dasselbe, weil es die Vortheile der Kranioklasie und Kephalothrypsie in sich vereinigt. Simpson (Edinburgh) erkennt in dem Basiotribe ein vorzügliches Instrument zur Zertrümmerung und Ausziehung des Kopfes, möchte aber doch das Hauptgewicht legen auf die intracranielle Zerbrechung der Basis cranii. Ist diese erreicht, dann bietet der Kranioklast für die Extraction geringere Schwierigkeit und geringere Gefahren, da er von den Weichtheilen des Kopfes gedeckt ist und bei seiner Anwendung Infectionskeime nicht so leicht tiefer in den Uterus geschleppt werden. Den genannten Zweck lässt der von ihm construirte Basilyst vollkommen erreichen, so dass die Extraction sogar nur mit dem Finger besorgt werden kann" - schrieb Paul Bar (Archiv für Gynäkologie, Bd. 23, Berlin 1834).


Jennings (London): "Ein gewöhnlicher Forceps kann nach der Perforation hinreichen, den Kopf auszuziehen. Man bedarf gar kein diesen so zermalmendes Instrument wie den Basiotribe" (Archiv für Gynäkologie, Bd. 23, Berlin 1834).

 

Anders der Geburtshelfer Ribemont-Dessaignes, der 1914 schrieb:
"Le basiotribe a remplacé aujourd'hui complètement le céphalotribe, en France du moins; c'est un instrument que tout praticien doit avoir dans sa trousse".

 

Exponat

Vorgestellt wird ein Instrument mit Lederschutzkappe - mit seiner Stofftasche - aus dem Besitz des ab 1923 in Diekirch niedergelassenen Arztes Paul HETTO (1890-1973). Gewicht 1429 g! Noch besass das Instrument keine 2. Schraube, um den Perforator zu fixieren - moderne Basiotribe besitzen 2 Flügelschrauben!

Geburtshilfe


Beckenzirkel (1), französisches Modell

Beckenzirkel n. MARTIN, um 1900 

 

Vor die Therapie haben die Götter die Diagnostik gestellt. Zu den Diagnostika in der Geburtshilfe gehörte ab dem 17. Jh. der Beckenzirkel.

 

Äussere Beckenmasse
Von OSIANDER stammt die Idee, die äusseren Masse des knöchernen Beckens mittels eines Zirkels abzugreifen. Die Weiterentwicklung des Zirkels geschah, unerwartet und heute übersehen, im Kampfe gegen den übertriebenen Einsatz der geburtshilflichen Zange. BAUDELOQUE (1746-1810) wehrte sich gegen allzu aktive Geburtshilfe (siehe Forcepsexzesse aus finanziellen Motiven) und wandte sich wieder verstärkt der Erforschung der Becken- verhältnisse zu. Sein "compas d'épaisseur" war zwar noch recht ungenau, da nur äusserlich einsetzbar, aber er war wegweisend: der Zirkel wurde mehrfach verbessert, so von MARTIN, COLLIN, BREISKY, KEHRER, GÖHMANN, SCHULTZE, die alle kurz nach der Jahrhundertwende eigene Zirkel angaben.

 

Distantia spinarum (Entfernung beider spinae iliacae anteriores spuerioresvorderen oberen Darmbeinstachel)

Distantia cristarum (Entfernung der beiden Beckenkämme)

Distantia trochanterica (Entfernung beider Femurtrochanteren)

Conjugata externa "diameter BAUDELOCQUI" (Lendenwirbelfortsatz-Symphysenoberrand)

 

Exponat

Das hier vorliegende Modell nach MARTIN mit seiner leicht ablesbaren Zentimeterskala ist auch heute noch im Gebrauch.

Eduard Arn. MARTIN (1809-1875) war ab 1846 Leiter der Entbindungsanstalt Jena, ab 1858 wirkte er in Berlin, wo er Direktor der Charité wurde. Bei ihm finden wir erste Ansätze zur geburtshilflichen Asepsis, wenn er die von Gebärenden und Wöchnerinnen benützten Räume mehrmals im Jahr desinfizieren liess - ein Vorläufer des grossen SEMMELWEIS. Seine Monographie "Anaesthesie bei Geburten" beschreibt den Nutzen der Chloroformdämpfe bei der operativen Versorgung ausgedehnter Weichteilverletzungen intra partum ...

Geburtshilfe


Beckenzirkel (2), englisches Modell

Beckenzirkel, um 1930 

 

 

Schon COLLIN hatte einen Zirkel angegeben, bei dem die Skala nicht proximal "vor dem Schloss" des Zirkels, sondern dahinter abgelesen wurde. An sein Gerät spielt auch das hier vorgestellte Modell an. Im englischsprachigen Raum waren (und sind) Zirkel natürlich in inch'es graduiert.

 

Exponat

Der hier vorgestellte Zirkel gehörte Frau Dr. Sisi LENTZ.

 

 

Innere Beckenmasse

Bei einigen Modellen konnte einer oder beide Äste des Zirkels in die Scheide eingeführt werden, um die "inneren" Masse abzugreifen, so bei den von HAUCH und SKUTSCH vorgeschlagenen Zirkeln.

Mit dem OSIANDER'schen Tasterzirkel wird der quere Beckendurchmesser bestimmt, indem die beiden Branchen des Zirkels auf die Innenseite der "Tubera ossis ischii" aufgedrückt werden

KLIEN gab einen Zirkel zum Messen der Distanz der "Tubera ossis ischii" an, "ein sehr bequemer Maassstaab" nach BUMM (Grundriss zum Studium der Geburtshilfe 1903 S. 530).

Zum Messen der "Conjugata vera" (Promontorium-Symphysenhinterfläche) konnten auch die Messstäbe nach BILICKY resp. GAUSS-BILICKY benutzt werden.

Im Allgemeinen begnügten sich die Geburtshelfer allerdings mit der manuellen Bestimmung der "Conjugata diagonalis" (Promontorium-Symphysenunterrand) und zogen, um den Wert der "Conjugata vera" zu errechnen, einfach 1,5 bis 2 cm ab.

Geburtshilfe


Beckenzirkel (3)

Zirkel n. MARTIN 

 

Fast identischer Zirkel, erworben in Metz-Grigy am 7.5.2005. Man beachte die der geburtshilflichen Zange nachempfundene "Bauchung".

 

Der Nutzen der Pelvimetrie wird vielfach überschätzt. Auch ohne Pelvimeter gibt die manuelle Austastung des Beckens einen durchaus vernünftigen Anhalt darüber, ob ein kindlicher Kopf durchpasst. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass mit dem Pelvimeter der "Eindruck der Wissenschaftlichkeit" erzeugt werden soll - der Pelvimeter nichts anderes ist als eine "Waffe" gegen Kollegen, die es "versäumt" haben, die Pelvimetrie durchzuführen.

 

Lit.:

- PINARD, Adolphe, Nouvelles recherches de pelvimétrie et de pelvigraphie, sur la forme et les diamètres antéro-postérieurs de 100 bassins viciés représentés de grandeur naturelle, thèse de médecine de Paris n° 236, 1874.

- Vortrag an der Uni Jena (in Vorbereitung): Katja Regenspurger: "Zur Rolle der Pelvimetrie im Professionalisierungsprozess der Geburtshilfe".

 

Geburtshilfe


Beckenzirkel (4) n. THOMS

Amerikanischer Zirkel 

 

 

Zirkel nach Herbert King THOMS (1885-1972).


THOMS wurde 1885 in Waterbury, Connecticut geboren. Ausbildung in der "Vermont Academy" und der "Waterbury High School". 1910 Promotion an der Yale Universität. "Internships" im "Backus Hospital" in Norwich und dem "Memorial Hospital" in New London. "Assistant resident" im "Sloane Hospital for Women" in New York City. Anschliessend Facharztausbildung in Geburtshilfe im "Johns Hopkins Hospital". 1915 ging er nach New Haven wo er als Geburtshelfer praktiziert. "Associate clinical professor of obstetrics and gynecology" in Yale, 1927 Mitglied der Fakultät. Von 1947 bis zu seiner Pensionierung 1953 "chairman of the Department of Obstetrics and Gynecology".


Er arbeitete über Beckenmessung und förderte das nachgeburtliche "rooming-in" System. Als Hobby betrieb er Medizingeschichte ...


Aus seiner NICHT-radiologischen Periode stammt das vorgestellte Instrument, mit dem 2 Masse erhoben werden konnten:

- der "intertuberous diameter" (mit Hilfe der horizontalen Branche),

- der "intertuberous diameter" (mit Hilfe der horizontalen Branche),

- der "posterior sagittal diameter" (mit Hilfe der horizontalen Branche und des fingerförmigen, senkrecht zur Branche versetzten Ausläufers).

Als sich der vorgestellte Zirkel in der Praxis nicht bewährte, wandte sich THOMS der Röntgentechnik zu.

 

Lit.:

Greulich, W. , H. Thoms, The dimensions of the pelvic inlet of 789 white females. Anatomical Record 72: 45–51, 1938.

Thoms, Roentgen Pelvimetry as a Routine Prenatal Procedure. (Transactions 1940;64:80).

Die RX-Methode hatte ihre Berechtigung in einer Zeit, als rachitische Becken noch häufig waren. Ab 1984 aber nahm die Zahl der von den Geburtshelfern angeordneten RX-Aufnahmen drastisch ab. Die RX-Pelvimetrie hatte sich überlebt... Und der elegante Beckenzirkel aus den 20/30er Jahren war ohnehin längst in die Schublade der Geschichtler gelandet, Inbegriff des Altmodischen:

„Over the years some of the cherished tools of our trade have been removed from the clinical arena and have become decorative memorabilia adorning our bookshelves. The Thoms’ pelvimeter nestles quietly beside the Barton forceps” (https://www.geocities.com/r1tmm/subtotal.html).

Geburtshilfe


Beckenzirkel (5) n. GAUSS

 

 

1778 stellte Pierre-Victor COUTOULY (1738-1814) der Pariser Académie de Chirurgie einen "Appréciateur du bassin" vor, mit dem die Conjugata vera innerlich abgegriffen werden konnte. Das Verfahren stiess auf taube Ohren. Man fuhr fort, die Conjugata vera / anatomica / obstetricia indirekt zu "messen", indem man (seit BAUDELOCQUE) von der Conjugata externa (Distanz von dem oberen Grübchen der Michaelis'schen Raute -> Symphysen- vorderfläche) 8-9 cm abzog. Nur über eine innere Messung aber kann der Wert der Conjugata vera "in echt" bestimmt werden.

 

Der Beckenmesser von GAUSS-BYLICKI ist eine Weiterentwicklung der BYLICKI-Stifte, bajonettartig gebogenen Stäben, mit denen das wichtigste Innenmass des Beckens, die sog. Conjugata vera direkt abgegriffen werden konnte: zwei gegeneinander verschiebbare Arme, deren tieferer auf das Promontorium, deren kürzerer auf die hintere Innenseite der Symphyse angepresst wurde.

* L. v. BYLICKI war Geburtshelfer in Lemberg. 1904 gab er ein Set von 13 Messstäben an zum Bestimmen der Conjugata vera (Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie, Ergänzungsheft des XX. Bandes 1904 S. 441).

* Paul ZWEIFEL (1848-1927) wurde 1876 (mit 28 Jahren) Ordinarius für Geburtshilfe und Gynäkologie in Erlangen, 1887 wechselte er nach Leipzig, wo er bis 1921 eine große Schule von führenden Gynäkologen heranbildete. Auch er beschrieb einen Beckenmesser (Zentralblatt für Gynäkologie, Leipzig 1906 nr. 27 S. 763) und kommentierte die Geräte von FAUST und GAUSS.

 

*Carl Joseph GAUSS (1875-1957) war ein Enkel des grossen Mathematikers Carl Friedrich Gauss (1777-1855), der aus seiner ersten Ehe drei Kinder hatte:

- Joseph (1806-1873. Aus seiner Ehe mit Sophie Erythropel ein Sohn Carl-August. Von ihm der    Arzt Carl-Joseph GAUSS

- Minna (1808-1840)
- Louis (1809-1810), wobei die Mutter im Wochenbett starb.

Carl Joseph GAUSS gab 1905 als Assistent an der Uni-Klinik Freiburg/Brsg eine Variante zum BYLICKI'schen Instrumentarium an (Zur instrumentellen direkten Messung der Conj. obstetr., in: Zeitschr. für Geburtshilfe und Gynäkologie 1905 Bd. LIV Heft 1 S.19). Er war Ordinarius der Geburtshilfe in Würzburg von 1923 bis 1945. Seine Aera fällt also zusammen mit der NS-Zeit. 

Unmittelbar nach Kriegsende entließ die Militärregierung GAUSS aus dem Dienst. Von der Spruchkammer Bad Kissingen wurde er 1946 als "Mitläufer nach Artikel 12" eingestuft und mit einer Geldbuße von 2.000 Reichsmark belegt. Außerdem musste er die Prozesskosten von 7.500 Reichsmark begleichen. GAUSS übernahm eine Frauenarztpraxis und später die gynäkologische Abteilung des St. Elisabethkrankenhauses in Bad Kissingen.

Nachfolger in Würzburg wurde Karl Johann BURGER, der den Lehrstuhl für Geburtshilfe und Gynäkologie 1947 als völlig unbelastete Persönlichkeit übernahm. BURGER kam aus Ungarn, wo er zuletzt den Lehrstuhl II für Frauenheilkunde der Universität Budapest innehatte.

Heutzutage wird die Conjugata vera radiologisch (selten indiziert) oder echographisch (selten präzise), oder (billig, ungefährlich und "fast" zuverlässig) mit Zeige- und Mittelfinger der untersuchenden Hand bestimmmt...

 

Exponat

Vorgestellt wird ein GAUSS'scher Pelvimeter, hergestellt und vertrieben von dem Instrumentenmacher Fischer in Freiburg i.Brsg. (Fisch auf dem Griff!). Vorgestellt wurde das Gerät nicht in einer der grossen gynäkologischen Zeitschriften jener Zeit, sondern in der eher praxisnahen "Münchener med. Wochenschrift" - GAUSS sagte dazu "Ich habe geglaubt gerade jene Zeitschrift wählen zu sollen, weil ich überzeugt bin, dass mein Beckenmesser sich in jeder Hinsicht auch für die allgemeine geburtshilfliche Praxis eignet" (Zentralblatt für Gynäkologie 1906 nr.27 S. 769). Leider wurde die "Pistole" nie wirklich populär ...

 

Geburtshilfe


Beckenzirkel (6) n. Willis

 

 

Vorgestellt wird ein englisch-amerikanischer Beckenzirkel (caliper) mit inch- und cm-Angaben, aus dem Nachlass des Arztes Camille GLAESENER (1887-1952) her stammend.

 

Hersteller: Fa. William V. Willis & Co in Philadelphia. 

Geburtshilfee


Beckenzirkel (7) n. Collin

COLLIN 1

Beckenzirkel (7)

 

 

Exponat

Modell n. COLLIN, zuvor im Besitz des Mayrhofen'er Arztes ZUMTOBEL (Zillertal).

 

Der Pariser Fabrikant Anatole COLLIN (1831-1923) hatte beim Tode von Jules Charrière 1865, zusammen mit Louis Appolinaire Robert, das renommiere Haus Charrière 1866 übernommen und wurde 1876 alleiniger Besitzer.

 

Fabrikant unseres Pelvimeters ist die 1923 gegründete Vertriebs-organisation Tuttlinger Instrumenten-hersteller, die Fa. Gebrüder Martin.

Geburtshilfe


Dekapitationshaken

Schlüsselhaken n. BRAUN 

 

„Die Dekapitation gelangte bei der Querlage zur Anwendung: nach Abtrennung des kindlichen Kopfes konnte die Schulter in das Becken eintreten und den Geburtskanal passieren; damit war die Gefahr der Uterusruptur beseitigt. Für die Durchtrennung des kindlichen Halses und vor allem der Halswirbelsäule wurden eigene Haken, Messer, Scheren, Drahtschnursägen und „Guillotinen“ konstruiert“ (Anton Schaller, Instrumentarium obstetricium Viennense, Wien 2002 S. 77).


Carl BRAUN, Ritter v. Fernwald (1823-1891) war von 1856 bis 1891 Vorstand der „Geburtshilflichen Klinik“ Wien. Sein besonderes Interesse galt der Instrumentenkunde. 1850 gab er den „geknöpften Schlüsselhaken“ an, ein Instrument, das noch heute viele Anhänger hat. Der Name ist von dem jetzt ausser Gebrauch gesetzten „Zahnschlüssel“ abzuleiten, der auch darin mit dem BRAUN’schen Haken Ähnlichkeit besitzt, dass hier wie dort durch Hebelwirkung luxiert wird.


Ziel der Intervention war also nicht das Abreissen des Kopfes, sondern die Luxierung der Halswirbelsäule. In einem Zweiten Akt musste der Hals durchtrennt werden – dazu die (andernorts vorgestellte) Dekapitationsschere.
Die Spitze des Hakens wies eine Biegung nach innen auf, um zu verhindern, dass der Haken sich bei der Umdrehung über den Hals in die Höhe schob und hierdurch abglitt. Aus diesem Grunde war der Operateur genötigt, stark zu ziehen, was dann allerdings leicht zu einem ruckweisen Abgleiten führte.
Die grosse Gefahr bei der Drehung des Hakens war das Einreissen des unteren Uterinsegmentes, auf welches der gesamte Druck übertragen wurde. Diese Gefahr wurde bedeutend gemindert durch Verwendung des ZWEIFEL’schen „Trachelorhekter“, der sich aus zwei Haken zusammensetzte, die um eine gemeinsame Achse bis auf etwa 180° auseinandergedreht wurden – zudem entfiel hier auch der für die Zervix gefährlich Zug am Haken. Als Alternative entwickelte KÜSTNER sein "Rachiotom", mit dem er die Wirbelsäule des Kindes durchschnitt, während BRAUN sie durch mehrfaches Drehen seines Hakens im Uhrzeigersinne durchriss - der Haken hatte ihm daher den Vorwurf des Rohlings eingebrockt...

 

Exponat
Der BRAUN’sche Dekapitations- oder Schlüsselhaken wurde im Handel in den Längen 28 und 31.5 cm angeboten. Vorgestellt wird ein 28 cm langer Haken – Herkunft Wiesbaden.

Geburtshilfe


Dekapitationsschere

n. DUBOIS 

Die ersten Männer, die bei ab dem 12. Jh. nachweislich bei Geburten anwesend waren, fungierten möglicherweise nur als Statisten und Zeugen. Im 15. Jh. bekamen vereinzelt Chirurgen Zutritt zum Kreisbett. So beschrieb der Florentiner Chirurg Antonio BENIVIENI (1440-1502) im ausgehenden 15. Jh. eine Totgeburt, der Chirurg Pietro de ARGELLATA (gest. 1423) erklärte Extraktionsmöglichkeiten und die Zerstückelung des toten Kindes im Mutterleib.
Im 16. Jh. wurde die Geburtshilfe "Männersache", 1505 entband der Arzt Wolfgang WINTPERGER ein Frau in Krems a.d. Donau; 1516 betätigte sich der Arzt Alexander SEITZ in Freiburg/Baden als Geburtshelfer. Dass der Mann nicht überall zugelassen war, beweist der Fall des Arzte VEIT, der sich 1521 in Hamburg als Hebamme verkleiden musste, um einer Geburt beiwohnen zu können: er wurde entlarvt und schwer bestraft

***

Männer wurden zu Geburten gerufen, wenn nichts mehr ging. Daher ihr Ruf als Grobiane. Tatsache ist, dass ihnen die unangenehme Aufgabe zufiel, mit entsprechend groben Instrumenten die verkorksten Geburten zu beenden. Zu diesen Instrumenten gehörten die hier vorgestellten Scheren.

***

Von der Inzision des Schädels mub das Abschneiden des kindlichen Kopfes unterschieden werden:

Ende des vorigen Jahrhunderts empfahl FRITSCH die Dekapitation mittels einer langen, kräftigen Schere. August DÖDERLEIN ("Geburtshilflichen Operationskurses") hingegen benutzte bis zuletzt den Dekapitationshaken (Schlüsselhaken) nach BRAUN sowie das Sichelmesser nach SCHULTZE. 1923 gab er zusätzlich den TRACHELO-RHEKTOR ein, das von ZWEIFEL angegebene Instrument, das sich aus 2 Schlüsselhaken zusammensetzte.....

Die Kopfschere nach DUBOIS (frz. "Ciseaux céphalotomes") gab es in einer gerade und einer gebogenen Ausführung, Vorgestellt wird eine 27.5 cm lange, geboene Schere aus dem Nachlass von Fr. Dr. Sisi LENTZ (1902-1995).

Geburtshilfe


Eihautzange

Zange n. WINTER um 1930 

 

Georg WINTER (1856–1946) war ab 1897 Professor der Geburtshilfe in Königsberg. Die von ihm angegebene Zange war eine Weiterentwicklung der Zange von HOHL, und wurde ihrerseits später von COURANT-FRITSCH verbessert.


In den Löffeln befanden sich je 2 Längsschlitze, in denen sich die Eihäute schnell verfingen. BUMM warnte vor dem Instrument, da es in der Hand des Ungeübten immer wieder zu folgenschweren Perforationen der Gebärmutter führte.

 

Exponat

Die hier vorgestellte Abortzange verfügt über einen Korb, in dem sich die Reste der Frucht verfingen...

Obwohl er Leiter einer Universitären Klinik war, blieb WINTER ein vehementer Verfechter einer starken Hausgeburtshilfe. In diesem Sinne setzte er sich vehement für eine Beibehaltung der operativen Geburtshilfe im Privathaus durch den praktischen Arzt ein. Er stellte die statistischen Analysen Hirschs in Frage und veröffentlichte eigene Ergebnisse, die von denen Hirschs stark abwichen. Die Daten hatte er in Form von Fragebögen von seinen ehemaligen Schülern gesammelt. Mit diesen Ergebnissen versuchte er die Leistungsfähigkeit der praktischen Ärzte zu beweisen und auch die besseren Ergebnisse und Erfahrungen des abdominellen Kaiserschnittes. Er forderte:

 

1. den Ausbau der Schwangerenfürsorge mit dem Ziel, dass sich jede Schwangere vier Wochen vor der Geburt untersuchen lässt um festzustellen, ob bei der Geburt ärztliche Hilfe notwendig ist oder sogar die Einweisung in eine Klinik erfolgen muss.


2. dass der Schwerpunkt der Hebammenausbildung auf das Erkennen von Regel­widrigkeiten gelegt wird, damit so früh wie möglich ärztliche Hilfe geholt werden kann.


3. dass Fälle mit schweren Komplikationen, die fachärztlich operatives Eingreifen erfordern, umgehend ohne vorheriges „Anoperieren“ durch den praktischen Arzt in die Klinik überwiesen werden.


4. eine Verbesserung der Ausbildung der Studenten, wobei der Hauptschwerpunkt auf der Lehre der Pathologie der Schwangerschaft und der Aneignung operativer Techniken liegen soll.
Link
edoc.hu-berlin.de/dissertationen/major-sabine-2003-02-14/HTML/chapter2.html

Geburtshilfe


Episiotomieschere

Silberschere für die Episiotomie, gerade

 

 

Zur Episiotomie
Die Episiotomie stellt den häufigsten chirurgischen Eingriff in der Geburtshilfe dar und gehört seit Jahrzehnten zu den Routinemassnahmen. Wegen des Mangels an wissenschaftlicher Literatur gerät der Scheidendammschnitt zunehmend in die Kritik sowohl der Fach- als auch der Laienpresse.
Schon aus dem 13. Jahrhundert liegen Berichte vor über Dammschnitte unter der Geburt - ohne Angabe des Erfinders der Methode. MICHAELIS schlug den Eingriff 1777 vor als vorbeugende Massnahme gegen schwere Zerreissungen, der Terminus "Episiotomie" wird Carl BRAUN zugeordnet, der den Eingriff allerdings vehement als unnütz ablehnte.

 

Die erste historisch belegte Episiotomie wird Sir Fielding OULD (1710-1789) zugeschrieben, Chefarzt des Dubliner Lying in Hospitals von 1759 bis 1766. OULD, ein Schüler des Franzosen GREGOIRE, beschrieb eine mediane Schnittführung, 1847 gab der Franzose DUBUIS als Erster die mediolaterale Schnittführung.


Mit der Hinwendung zur Krankenhausentbindung häuften sich Berichte über Episiotomien. 1892 schrieb KÜSTNER, 1895 STAHL und 1895 Von OTT Berichte über die Vorteile des Schnittes sowohl für die Mutter als auch für das Kind. Veröffentlichungen von POMEROY (1918) und DeLEE (1920) stehen am Anfang einer wahren "Mode der Episiotomie". 

"D’abord restée relativement confidentielle, cette pratique s’est répandue à partir des années 50 dans les pays anglophones, puis en France. Dans les années 70-80, on prône même sa systématisation, en particulier chez les primipares pour atteindre 90 à 95 % des accouchements aux Etats-Unis et jusqu’à 80 % en France".

 

Als Vorteile wurden genannt:

- Erhalt der Integrität des weiblichen Beckenbodens und des Introitus
- Vermeidung des Uterus- und Scheidenprolapses
- Vermeidung von Einrissen des Septum vesicovaginale.

Quelle:
www.doctissimo.fr/html/grossesse/mag_2002/1115/gr_6104_episiotomie_polemique.htm

 

Nach einer Phase zweifelsfreier Übertreibung schlägt das Pendel z.Zt. in die entgegengesetzte Richtung: abgeschreckt durch die negative Presse zögert mancher Geburtshilfe nun, den Eingriff vorzunehmen, auch dann, wenn dieser häufig mehr als sinnvoll wäre ...

 
Lit.:
Schoon, Paul G., Episiotomy: Yea or Nay. Obstetrical & Gynecological Survey. 56(11):667-669, November 2001.
David M., Who invented the episiotomy?, Geburtshilflich-gynaekologische Abteilung, Universitaetsklinikum Rudolf Virchow, Freie Universitaet Berlin, in: Zentralbl. Gynaekol. 1993;115(4):188-93.

 

Exponat: Die 13 cm lange gerade „chirurgische Schere“ wurde möglicherweise von der Fa. Simal produziert. Man beachte das besondere Schloss. Mit einer abgerundeten und einer spitzen Branche artikuliert sie um eine „articulation à doigt“ (zit. Manufacture Belge de Gembloux 1942 S. 53) resp. ein „Fingerschloss“.