Hebel gefaltet
Hebelgelenk
Vor-Arretierung

Geburtshilfe


Hebel n. MURLESS

Murless 4
Hebel nach der Arretierung 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine Zeit lang konnte man den Eindruck haben, die geburtshilfliche Technik sei am Ende ihrer Entwicklungsphase angekommen. Man hatte sich weltweit an die uralten Zangen gewohnt. Das sollte sich (für einen kurzen Moment) ändern.

 

1948 entwickelte der in London geborene Bryan G. MURLESS (1908-1987) am Addington Hospital von Durban, South Africa einen in England verbreiteten Vectis bzw. Hebel, den "Murless head extractor", (Brit.med.journal) mit dem der kindliche Kopf bei der Sectio aus der Wunde geführt werden kann.

 

"Murless head extractor, a type of vectis with moveable blade, stainless steel and aluminium, by Allen and Hanburys Ltd., England, United Kingdom, Time period: 1948-1980".

 

Exponat erworben 2014 in Rochford, Essex.

Geburtshilfe


Instrumententasche (1)

Maulbügeltasche, um 1940

Zur charakteristischen Requisite der Landhebamme wurde ihr Handkoffer, in dem sie - dem unkeuschen Auge der Dorfjugend verborgen, ihr geheimnisvolles Material mit sich führte.

Bekam dennoch ein Kind den Handkoffer zu Gesicht, so wurde ihm die Geschichte vom "Koffer mit dem Kind" aufgetischt: die sagenumwobene Tasche wird von Simon, (dessen Urgrossmutter Hebamme gewesen war) beschrieben . Noch als Erwachsener vermochte er sich vorzustellen, wie er als "Ungeborener" in der Tasche eingepackt, auf die Geburt warten musste. Er schreibt: "Die Tasche war gross. Oben war ein starker, eiserner Verschluss, versteht sich, denn was wäre geschehen, wenn eine falsche Hand einmal hineingegriffen hätte? Niemand anders als die Hebamme hatte den Schlüssel dazu. Die Tasche war aus schwarzem Tollzierih. Wer den Stoff nicht kennt, denke an "toile cirée", man wird dann schnell schon das richtige finden.

Was also enthielt die Tasche wirklich? Das Luxemburger Gesetz vom 20.1.1843, reglement III, art.2. hatte von den Hebammen eine minimale Ausstattung verlangt:
"une grande seringue, une seringue pour les enfants, une sonde de femme, des ciseaux à pointe mousse".

Auf Dauer war diese Ausstattung nicht ausreichend. So begann man ab 1877, den Abgängern der Luxemburger Hebammenschule eine verbesserte "Trousse" als Belohnung mit auf den beruflichen Weg zu geben. Unter dem Deckmantel der Belohnung wurden diese Taschen an die besten Schülerinnen verteilt: Basisarbeit. 1894 hatten die ledernen Taschen folgenden Inhalt: ein Irrigator, ein Schlauch von 1,5 m mit Hahn, eine Milchpumpe, ein Fläschchen "acide phénique, ein Fläschchen mit Zimmt-tinctur, ein Fläschchen mit Hoffmannstropfen, ein Massbecher, eine Einlaufbirne, eine "canule à lavement en étain", eine "canule pour injections en étain", eine Frauenurinsonde, eine Badethermometer, ein Maxima-thermometer, ein Stillhütchen "tétine", ein Paar Scheren, eine Bürste und eine Nagelfeile.

Geburtshilfe auf dem Lande war Frauensache. Eine Hebamme sagte mir, weshalb Hebammen früher immer eimerweise heißes Wasser verlangten - um die Männer zu beschäftigen und aus dem Weg zu schaffen.

Da manche Hebammen (im Mittelalter vor allem die "nicht vereidigten") sich als Engelmacherinnen betätigten, will ich hier hurz beschreiben, was sich noch so alles an dunklen Mitteln in dem Köfferchen befunden haben mag ...

  • Lebensbaum, Sadebaum, enthält Thujon, einen stark nerventoxischen Wirkstoff, der starke Krämpfe und Blutungen der Gebährmutter auslöst.
  • Angelika( Wurzel und oleum angelicae = Öl, aus den Samen) in der Literatur sind Vergiftungen durch höhere Dosen zu Abtreibungszwecken erwähnt. Daher wohl der Name "Engelwurz".
  • Arnika: bei innerer Anwendung :konnte sehr schnell zum Abort führen
  • Rosmarin: grosse Mengen können zu Krämpfen und Gebährmutterblutungen führen.
  • Aloe, Bärentraubenblätter, Basilikum, Beifuss, Liebstöckel, Muskatnuss, Osterluzei , Raute, Thuja wirken alle abortiv!
  • Apiol, ein Wirkstoff der Petersilie, wirkt stimulierend und, allerdings erst in sehr hoher Konzentration, abortiv. Der heutige Strassenname "Pertersilienstrasse" stammt noch aus dem Mittelalter und bezeichnet eine Strasse, in der vorwiegend Huren wohnten (und arbeiteten).
  • Salbeitee hilft, gering dosiert, gegen Regelschmerzen. In hohen Konzentration soll man mit ihm abtreiben können.
  • um 1900 wurde mit geringkonzentrieter Blausäure abgetrieben.




Geburtshilfe


Instrumententasche (2)

Rolltasche, um 1920 

Zu Zeiten der Hausgeburtshilfe wurde der Arzt erst dann hinzugezogen, wenn die "Karre im Dreck feststeckte". Daher das "heftige" Instrumentarium, das der Geburtshelfer damals bei sich trug.

Die im Fachhandel erhältlichen Taschen [engl. "travelling roll"] konnten vom Arzt je nach seinem "gusto" und seinen Ambitionen bestückt werden. Die hier vorgestellte Tasche enthielt

  • 3 Geburtszangen
  • 1 Kranioklasten n. BRAUN
  • 1 Schere n. NAEGLE
  • 1 nicht identifizierte Morcelierzange, mit der fötale Knochen zertrümmert werden konnten
  • 1 Haken n. SCHROEDER
  • 1 Urinsonde, kurzes starres Modell

    Erstanden am 2.4.2005 in Metz-Grigy




Geburtshilfe


Knochenzange

n. BOER, um 1930 

Das "morcellement" des toten Kindes beinhaltete auch die Extraktion von Knochenfragmenten. Dazu entwickelten BOER, CHIARI, MESNARD und WINTER Spezialfasszangen.

Vorgestellt werden zwei Zangen nach BOER, eine gerade und eine gebogene.

Lukas Johann Boogners später BOER (1751-1835) stammte aus Uffenheim in Mittelfranken, er wurde Schüler bei SIEBOLD in Würzburg. Er beendete seine Studien an der Universität Wien, wo er bald als der beste Geburtshelfer seiner Zeit galt - und 1788 Chirurg des Kaiserlichen Hofes wurde. 1808 wurde er Professor der Geburtshilfe in Wien. Dass er nicht immer recht behielt mit seinem Grundsatz "Lass die Natur machen" beweist seine Knochenzange...

 

Beide hier vorgestellten Exemplare stammen aus dem Nachlass von Frau Dr. Sisi LENTZ (1902-1995), die ab 1932 in Luxemburg praktizierte.


Geburtshilfe


Kranioklast (1)

Kranioklast n. SIMPSON, um 1900 

 

    Zum Verkleinern des kindlichen Schädels, wurde zunächst mit einer kompressiven geburtshilflichen Zange der Schädel zermalmt (Cephalotribe). Später bevorzugte man schmalere Geräte, bei denen nicht der gesamte Kopf, sondern nur eine schmale Stelle eingedrückt wurde. SIMPSON erfand die „Englische Zange“, aber auch den Kranioklasten. Bevor man die Zwingschraube erfand, musste der Geburtshelfer den Kranioklasten mit brachialer Gewalt eigenhändig zudrücken. So bei dem hier vorgestellten Kranioklasten nach Prof. SIMPSON, erstanden über Email bei einem Händler in Warwick/United Kingdom.
www.aly-abbara.com/museum/medecine/pages_01/instruments_medicaux/cephalotribe.html

Besonders an dem Exponat ist das doppelte Schloss, möglicherweise konnte der Operateur auf diese Art sein Gerät dem kindlichen Schädel besser anpassen. möglicherweise aber auch die Hebelkraft variieren.

 

Zum Erfinder

Sir James Young Simpson wurde geboren am 7. Juni 1811 in Bathgate, Linlithgow, Schottland, als jüngstes von 7 Kindern eines Bäckers. Ab 1827 (!) studierte er Medizin in Edinburgh, und wurde Schüler des grossen Robert LISTON. Er wurde 1839 (im Alter von 28 Jahren!) Professor für Geburtshilfe an der Universität von Edinburgh, ein Tüftler, der massgeblich einer Serie wichtiger Entwicklungen in der Geburtshilfe beteiligt war:

Ende 1846 war er Zeuge einer Narkose mittels Aether, als LISTON einen Patienten in Aethernarkose operierte. Simpson beschloss unverzüglich, die Methode in die Geburtshilfe einzuführen und setzte am 19.1.1847 zum ersten Mal Äther in der Geburtshilfe ein.

“Simpson had become dissatisfied with ether in obstetric cases. He had found the heavy bottles difficult to carry up the many steps of the tenement blocks where his patients waited. He was also worried that the newly invented gas light might cause the ether to explode”.

Auf der Suche nach einem besseren Produkt stiess er schnell auf das Chloroform – im März 1847 veröffentlichte er eine Arbeit zu diesem Thema. Im Jahre 1853 wurde Queen Victoria bei der Geburt ihres neunten Kindes erfolgreich mit Chloroform anästhesiert - SIMPSON wurde 1866 in den Stand des Barons erhoben. - 1848 entwickelete er eine spezifische Zange „a combination of features from earlier models. He retained the finger rests and deep finger depressions in the handle and connected the forceps with a notched joint”.

1849 erfand er den ersten Vakuum-Extraktor „Airtractor“Er war der erste Arzt, der mit Hilfe einer großen Injektions-spritze mittels Unterdruck versuchte, Gewebe aus der Gebärmutter zu entfernen: das Prinzip der Saugkürette war damit erfunden. Jedoch erlangte dieses Verfahren trotz weiterer Verbesserungen keine große Bedeutung, bis es sich gegen 1968 von Holland aus schnell durchsetzte. Er war der erste Arzt, der mit Hilfe einer großen Injektions-spritze mittels Unterdruck versuchte, Gewebe aus der Gebärmutter zu entfernen: das Prinzip der Saugkürette war damit erfunden. Jedoch erlangte dieses Verfahren trotz weiterer Verbesserungen keine große Bedeutung, bis es sich gegen 1968 von Holland aus schnell durchsetzte.

Von Simpson stammen mehrere wichtige wissenschaftliche Arbeiten über Akupressur, Hospitalismus und Frauen-krankheiten.

Als Simpson am 6. Mai 1870 in Edinburgh starb, war seine Beerdigung ein öffentliches Ereignis. Die Familie war von der Regierung gefragt worden, ob sie einverstanden wäre mit einer Beisetzung in der Westminster Abbey – inmitten von Königen und Königinnen: die Verwandschaft lehnte diese Ehre ab. So wurde SIMPSON in seiner Heimat beigesetzt, in Edinburgh, auf dem Friedhof von Warriston.

Heute erinnert an ihn eine Bronzestatue im Park West Princes Street Gardens in Edinburgh. In der Westminster Abbey erinnert eine Büste an den grossen Mann…

Geburtshilfe


Kranioklast (2)

 

 

1860 entwickelte J.Y. SIMPSON aus der Knochenpinzette ein Gerät zum Zermalmen, eine schwere, 33 cm lange Zange, deren Löffel unterschiedlich waren: einer war gefenstert, der andere, der in den kindlichen Schädel eindringen sollte, war NICHT gefenstert. SIMPSON gab dem Instrument den völlig neuen Namen "Kranioklast".

 

STRASSMANN stellte 1910 einen anderen Kranioklasten vor, der so konstruiert war, dass der äussere Arm sowohl rechts wie links dem inneren angepasst werden konnte und daher sowohl bei erster und zweiter Schädellage anzulegen war. Hergestellt wurde sein Instrument von der Fa. Windler (Zbl.Gyn. 1910 nr. 34, S.1135).

 

 

Exponat

Vorgestellt wird ein Kranioklast n. SIMPSON aus der "Metzer Tragetasche".

 

Geburtshilfe


Kranioklast (3)

Kranioklast n. AUVARD 

 

 

Das scheußlichste aller Instrumente war der dreiblättrige Kranioklast nach AUVARD und DÜHRSSEN, ein 41 cm langes Gerät aus drei Teilen, mit dem der kindliche Kopf sowohl entleert als auch in komprimiertem Zustand extrahiert werden konnte. Nähere Details bitte ich der Fachliteratur zu entnehmen. Zur Person AUVARD's siehe unter Specula.

 

Lit.:

"Embryotome céphalique combiné", Acad. de méd. Paris, 27. Mai 1888.

 

Alfred DÜHRSSEN (1863-1933) gründete 1892 eine eigene Privatklinik für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe. Er "war ein geschickter Operateur, der zu den Begründern der modernen operativen Gynäkologie gehört. Bahnbrechend wurden seine vaginalen Operationsmethoden. Für die Geburtshilfe bedeutend ist die Einführung der Uterus-Scheidentamponade, die tiefe Scheiden- dammincision und der vaginale Kaiserschnitt" (M. Stürzbecher in NDB IV, 158 f.). Dürssen, dem wir auch eine anatomische Pinzette verdanken, war ein Verfechter der "Geburtshilflichen Ambulatorien", eines Modells, das er 1919 vorschlug. Unter dem Gesichtspunkt der Hygiene, auf die er das wesentliche Absinken der Mortalität an Kindbettfieber in den Anstalten seit der Einführung der Aseptik zurückführte, forderte Dührssen die Anstaltsgeburtshilfe idealerweise für jede schwangere Frau. In den geburtshilflichen Anstalten gab es aber bei weitem nicht ausreichend Betten und an Neubauten konnte nach dem Ersten Weltkrieg zunächst nicht gedacht werden. Deshalb forderte Dührssen, dass zumindest alle Schwangeren bei Geburtsbeginn in der Anstalt aufgenommen werden und nach komplikationslosem Verlauf einige Stunden nach der Geburt wieder nach Hause gefahren werden. Die noch fehlenden Betten sollten aus frei werdenden Lazaretten des Ersten Weltkrieges zur Verfügung gestellt werden. Dührssen schlug weiter vor, dass sich jede schwangere Frau ungefähr vier Wochen vor Geburtstermin in der Anstalt vorstellen sollte, um eventuelle Geburtsstörungen oder Abnormitäten schon vor dem Beginn der Geburt herauszufinden.

 

Er schrieb:

- Ueber die Behandlung der Blutungen post partum. Leipzig, 1889.ca. 20pp. Sammlung Klinischer Vorträge herausgegeb. von R. v. Volkmann no. 347.

- Über eine neue Heilmethode der Harnleiterscheidenfisteln, nebst Bemerkungen über die Heilung des übrigen Harnleiterfisteln. Leipzig, 1894.ca. 20pp. Sammlung Klinischer Vorträge herausgegeb. von R. v. Volkmann Neue Folge no. 114.

- Der vaginale Kaiserschnitt, 1895.

- Über chirurgische Fortschritte in der Geburtshilfe. Leipzig, 1896.ca. 20pp. Sammlung Klin. Vorträge herausg. by R.Volkmann Neue Folge no. 160.

- Die Einschränkung des Bauchschnitts durch die vaginale Laparotomie, 1898. Die 1904 von ihm in Drosedow erbaute Villa wird heute als Pension geführt.

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KreissSäle (1)

Belgische Kreisssäle, um 1910 

Mit der Einführung der Asepsis und Antisepsis zeichneten sich moderne Kreisssäle bald aus durch

  • Kachelung der Wände
  • Vorhandensein von fliessendem Wasser
  • Hebammen in sauberen Uniformen (Kleid, Haube)
  • Krankenbetten aus lackiertem Metall, die die alten Holzbetten ersetzten
  • Desinfektionsmittel, die leicht erreichbar in Schränken oder Regalen zu sehen waren
  • Instrumententrommeln, in denen die im Sterilisator keimfrei gemachten Instrumente steril aufbeahrt wurden.
  • Glasschränke, in denen Instrumente staubfrei, gut sichtbar, untergebracht wurden.

    Auf den Abbildungen (Ansichtskarten von KreissSälen aus Anderlecht und Antwerpen) erkennt man diese Merkmale mehr oder weniger deutlich.




Geburtshilfe


KreissSäle (2)

Einzug der Anaesthesie in die KreissSäle 

Immer wieder zeigen uns die KreissSäle nun auch anaesthesiologisches Werkzeug:

  • Sauerstoff- resp. Lachgasflaschen
  • Narkosemasken nach OMBREDANNE
  • Narkosemasken nach SCHIMMELBUSCH
  • Infusionsständer

    Zwar gibt es den Beruf des Anaesthesisten noch nicht, doch führen Studenten, Hebammen und Ärzte - in der häuslichen Geburtshilfe gelegentlich gar die Ehemänner und Verwandten - Narkosen durch, stets unter Anleitung der Geburtshelfer, selbstredend.




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KreissSäle (3)

Gand, Institut Moderne Pour Malades, 50 av. d 




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Lebensborn Moselland

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine Entbindungsanstalt der besonderen Art...

Nachdem die Deutschen Besatzer 1940 Marcel Noppeney, den Besitzer des Bofferdinger Schlosses, durch die Einlieferung in das Konzentrationlager Dachau aus dem Wege geräumt hatten, übernahm die SS den herrlich gelegenen Landsitz. Das von hohen Mauern umringte Anwesen wurde in ein hochmodern eingerichtetes Heim verwandelt, mit Prachtmöbeln und Luxus-Badewannen. Unter der Befehlsgewalt von SS-Sturmbannführer Damm griffen Bauleiter Diehl und sein Gehilfe Huck auf dienstverpflichtete deutsche "Zeugen Jehovas" zurück [die jede Gelegenheit nutzten, um den Londoner Rundfunk im entlegenen Gärtnerhaus heimlich abzuhören], um den Umbau zu bewerkstelligen.

Nach der Vollendung im Sommer 1943 wurde das Heim als "Kinderbewahranstalt" getarnt, Leiterin wurde die zivile Schwester "Petroschka". In Wirklichkeit handelte es sich um eine Lebensborn-filiale.

 

Über die Verhältnisse in Bofferding ist uns nichts bekannt. Wer kam hier nieder?

- Vermutlich kamen hier Luxemburgerinnen nieder, die einem "arischen" Soldaten oder Gefolgsmann erlegen waren, sog. "Preisesch-Houeren" und sich nicht trauten, vor aller Augen in der staatlichen Entbindungsanstalt auf der Arloner Strasse zu entbinden, Kollaborateurinnen, die nach Kriegsende kahlgeschoren, auf die Strasse gesetzt wurden. Wehrmachtskinder - was wurde aus ihnen?
- Möglicherweise kamen hier nicht verheiratete einheimische Mütter, ohne politische Verbildung, die sich durch die Aufnahme im Lebensborn einer sozialen Ächtung entzogen, in einer Zeit, als die Gesellschaft alle ledigen Mütter verachtete und es gängige Praxis war, unverheiratete Beamtinnen, Lehrerinnen den Posten zu kündigen... Doch nicht jede ledige Schwangere konnte in den Born: sie musste nachweislich arischer Rasse sein, genetisch nicht belastet. Vor allem aber musste der Kindserzeuger bekannt sein, die gleichen rassischen Merkmale erfüllen und sich zur Vaterschaft bekennen!

- ledige deutsche Frauen die fern ihrer Heimat in aller Stille entbinden wollten.

- unpolitische Ehefrauen von Nazigrössen (SS, Polizei). Sie waren angetan von den Lebensbornheimen, die im Grünen ein fast idyllisches Leben gewährleisteten, abseits insbesondere der bombengefährdeten Grossstädte.

Über die Identität der "Gäste" der Borne war die Öffentlichkeit kaum unterrichtet und es dürfte heute schwer fallen, die Spuren der Mütter und der in Bofferding geborenen Kinder zu verfolgen.

 

Das Vorrücken der alliierten Truppen setzte den Anstalten ein jähes Ende, auch dem Bofferdinger Born: Am 9.9.1944 kam der Befehl zur Räumung. Die Insassen flüchteten Hals über Kopf. Eiligst wurden Möbel und Haushaltsartikel auf Pferdewagen verfrachtet, um per Bahn nach Osten weiterbefördert zu werden. Da jedoch der gesamte Eisenbahnverkehr bereits zum Stillstand gekommen war, blieben die ausgeladenen Möbel auf dem Vorplatz des hauptstädtischen Bahnhofes liegen....." (H. Koch-Kent).

 

Exponat

Aus dem (am HBf Luxemburg zurückgelassenen?) Fundus des Lebensbornes blieb wenig erhalten. Vorgestellt wird eine schwere Suppenterrine aus der Produktion der noch heute sehr erfolgreichen Fa. Bauscher /Weiden (siehe Stempel rechts unten). Der Stempel rechts oben bezeugt, dass das Produkt den Kriterien des Reiches entsprach und würdig war, ein Swastika zu tragen...

 

Lit.:
Marc Hillel, Au nom de la race, Éditions Fayard, 1975.

Henri Koch-Kent, Bofferdingen-Hünsdorf, in: Revue 1969.

Robert Krantz, Luxemburgs Kinder unter dem Nazi-Regime. Ein Dokumentarbericht. Band II: Erziehung zum Krieg. Édtions Saint-Paul, Luxemburg 2001, 1043 S.

G. Lilienthal, Der Lebensborn e.V., ein Instrument nationalsozialistischer Rassenpolitik, Gustav Fischer-verlag Stuttgart 1985.

M. Noppeney, in: Brochure éditée à l'occasion de son 25-ième anniversaire par la Fanfare de Helmdange, 1953, S. 42.

Dorothee Schmitz-Köster, Deutsche Mutter, bist du bereit, Alltag im Lebensborn, 1997.

Claudia Sandke: Der Lebensborn e.V. Eine Darstellung der Aktivisten des Lebensborn e.V. im Kontext der nationalsozialistischen Rassenideologie. 2008.

Dorothee Schmitz-Köster/Tristan Vankann: Lebenslang Lebensborn. Die Wunschkinder der SS und was aus ihnen wurde. Piper Verlag, München 2012 (20 Porträts mit Fotos von Tristan Vankann).

 

 

Nota: auf Wunsch von Frau Astrid Eggers, 1. Vorsitzende des Vereins "LEBENSSPUREN DEUTSCHLAND", der die (berechtigten) Interessen der in Lebensbornen geborenen Kinder vertritt, betone ich, dass die bislang an dieser Stelle wiedergegebene Auffassung, Lebensborne seinen "auch Edelbordelle" gewesen, von der neueren Forschung widerlegt wurde. Wer das Thema vertiefen möchte, kann dies tun auf der homepage des o.g. Vereines  

https://www.lebensspuren-deutschland.eu


 


 

Geburtshilfe


Lebensmittelkarte

Karte für Schwangere, Frankreich, 1943 

Am 28. August 1939, drei Tage, bevor der erste Schuss des Zweiten Weltkriegs fiel, wurden in Deutschland Lebensmittelkarten eingeführt. Die Bevölkerung, die nun das Schlimmste befürchtete, erhielt Fleisch, Fett, Kaffee-Ersatz oder Zucker nur noch gegen Marken. Ab dem 25. September wurden zudem Brot und Eier rationiert. Die Führung in Berlin fürchtete eine Hungerkrise wie im Ersten Weltkrieg und begann deshalb frühzeitig, mit den Lebensmitteln hauszuhalten. Die Zuteilungen waren zwar großzügig bemessen, doch war die Rationierung von Beginn an eine unpopuläre Maßnahme. Wer in die Kategorie der "Normalverbraucher" fiel, erhielt wöchentlich 2.400 Gramm Brot, 500 Gramm Fleisch und 270 Gramm Fett. "Schwerarbeiter" und "Schwerst- arbeiter" bekamen mehr, es gab spezielle Rationen für Schwangere, für Stillende und für Kinder. Kartoffeln und Gemüse konnten weiterhin ohne Beschränkungen gehandelt werden. In den folgenden Kriegsjahren schwankte die Kalorienzahl der Rationen nur geringfügig, doch gab es eine Verschiebung von eiweiß- und fetthaltiger Nahrung hin zu Brot und anderen pflanzlichen Produkten. Auch die Qualität der Lebensmittel, besonders des Brotes, sank. Der Gesundheitszustand der Bevölkerung verschlechterte sich, wobei die Ernährung nur eine von mehreren Ursachen war. Dass die Lebensmittelversorgung angesichts sinkender Ernteerträge in Deutschland nicht auf ein katastrophales Niveau sank, war mit Mangel und Not in den besetzten Gebieten erkauft: Die Menschen mussten entbehren, was zur Versorgung der deutschen Bevölkerung fortgeschafft wurde. Die Lebensmittelkarten blieben auch nach Kriegsende mehrere Jahre unentbehrlich und wurden erst im Oktober 1950 abgeschafft.

Frankreich hatte im ersten Weltkrieg Erfahrungen gesammelt mit Verpflegungskarten. So bereitete das erneute Inkraftsetzen dieser Rationierung im 2. Weltkrieg keine besonderen Schwierigkeiten und erstaunte niemanden. Im „Journal officiel“ vom 10.3.1940 wurde den Bewohnern mitgeteilt, dass sie sich bis zum 3. April in Listen einschreiben müssten, um in eine der vorgesehenen Kategorien aufgenommen zu werden, die für die Verteilung von Lebensmitteln und Kohle vorgesehen waren.
(Da sich die Lage zuspitzte, wurde am 5. März eine Rationierung von Fleisch vorweggenommen, wurden Feinkostläden geschlossen und der Verkauf von Alkohol untersagt).
Die ersten Rationierungskarten kamen schliessslich im Oktober 1940 in Umlauf für Brot, Fleisch, Mehlspeisen und Zucker. Die zivile Bevölkerung war in 7 Gruppen eingeteilt: Schwangere gehörten anfänglich zur Gruppe J3 (ältere Jugendliche). Ihre Ansprüche wurden mehrfach abgeändert. Ab März 1941 wurden spezielle Karten hergestellt für Schwangere. In den Jahren 1943/44 war der Mangel derart ausgeprägt, dass man, trotz Karten, nichts auf dem regulären Markt erwerben konnte – dafür blühte der Schwarzhandel. Viele Karten, gerade aus dieser Zeit, blieben daher unbenutzt und finden sich nun auf den Antik-Märkten!
1949 wurden die letzten Lebensmittelkarten in Frankreich abgeschafft.

Vorgestellt wird eine Karte aus Châtillon de Michaille (département Rhone-Alpes/ seit dem 1.11.1973 heisst der Ort Châtillon-en-Michaille) aus den Jahren 1943.

  • die Geburt Pernod-Mermillon war vorgesehen für den 5.5.1944, so bestätigt durch den Arzt Jean MALET.
    Der Waffenstillstand kam erst im August 1944. Dennoch ist die Karte nicht bis zum Schluss ausgefüllt, es fehlt der Eintrag aus dem 8. Schwangerschaftsmonat. War die Familie geflüchtet, war das Versorgungs- und Kartensystem kriegsbedingt zusammengebrochen?