Anästhesie


Infusion, offenes Besteck

Glaskanuele

Glaskanüle,  Mini-infusion

 

 

Bei der Bluttransfusion wurden die unterschiedlichsten Materialien verwendet, um die Arterie oder Vene anzupunktieren:

- gebogene Doppelkanüle aus Silber (J. S. Elholtz,1667, Cl. Perrault, 1688);

- Verbindungsrohr aus Federkiel (canalis ex penna, R. de Gabets, 1658);

- zusammengesetzte Röhrenknochen von kleinen Vögeln (R. de Graaf, 1668);

- Trachea von Enten (M. Rosa, 1783);

- Schlagader und Harnleiter von Ochsen und Kälbern (noch Payr (1871-1926) nahm eine gehäutete

             Kalbsarterie als Überleitungsrohr für die Transfusion!)

- Glaskanüle (ab Ende des 18. Jh. auf Vorschlag von C. F. v. Graefe).

 

https://www.medicine-history.de/files/geschichte_der_transfusion.pdf

 

Carl Ferdinand v. GRAEFE (1787-1840) führte die Glaskanüle in das Instrumentarium der Transfusion ein und führte den Trokar statt Lanzette zur Venenpunktion bereits 1817 ein. ‎

‎Graefe, Carl Ferdinand v., Beschreibung des neuen von Gräfe'schen Transfusionsapparat. Mitgetheilt von Eduard Gräfe (pp. 637-648), Berlin, im Verlage von G. Reimer, 1833, 8°, pp. 521-686:

"Die bisherigen Transfusionsapparate lassen, obgleich einige unter ihnen sehr sinnreich erdacht sind, noch so manches zu wünschen übrig; denn theils sind sie so eingerichtet, dass der Weg, den das Blut durch die Leitungsröhre zu nehmen hat, sehr lang ist, theils kann man sich von dem wirklichen Ueberströmen des Blutes nach der Arterie bei ihnen nicht überzeugen und endlich kann man sich bei denselben von der überzuleitenden Blutquantität nicht rasch genug überführen. Nachdem C.v. Gräfe seinen bereits vor vielen Jahren angegebenen Transfusions-apparat geprüft hatte, fand er an demselben einige der eben bemerkten Mängel; diesen abzuhelfen, entwarf er den hier zu beschreibenden Apparat. Blundel's Apparat ist demselben ähnlich, erfüllt aber nicht sämmtliche oben angeführten Bedingungen."

"Schliesslich bemerken wir, dass der eben beschriebene Apparat bereits an Thieren mit dem besten Erfolge versucht worden ist; bei Menschen jedoch traf sich hierzu noch keine Gelegenheit. Weitere Prüfungen werden uns zeigen, in wie weit es nöthig sein wird, demselben vervollkommende Abänderungen zu geben, indem die gegenwärtige Mittheilung den Zweck hat, nicht etas schon vollendetes nachzuweisen, sondern hierzu immer mehr und mehr vorzubereiten." Zit.a.ob.Arb.

Beschrieben und abgebildet findet man denselben in Hoefft's Dissertation, De sanguinis transfusione. Berol. 1809 und in Bierkowski's Erklärungen der anatom. chirurg. Abbildung, Taf. LV, Fig. 41. Bierkowski und Blasius nennen denselben den zweckmässigsten".‎

 

Zur Glaskanüle

Die Glaskanüle wurde auch da beibehalten, als nicht mehr Blut, sondern Kochsalzlösungen infundiert wurden. Nota: injiziert man Flüssigkeitsmengen von 0,1 – 20 ml spricht man von einer Injektion, über 20 ml spricht man von einer Infusion.

"Die Arterie wird in der entsprechenden Höhe freigelegt und mit zwei feinen Seidenfäden unterfahren. Der zentrale Faden wird sogleich geknüpft. Unter Anspannen der beiden etwa 1-2 cm voneinander entfernten Fäden wird mit einer feinen Schere die Gefässwand seitlich eingeschnitten und eine metallene Flügelkanüle oder eine Glaskanüle in das Lumen vorgeschoben. Sie müssen beide stumpf sein" (Werner Wachsmuth, Nicolai Gulecke, Martin Kirschner, Allgemeine und spezielle chirurgische Operationslehre, Springer 1956, 2. Aufl. S. 92).

"Zur Volumensubstitution standen (1903) mehrere Verfahren zur Verfügung. Die Möglichkeit der Bluttransfusion wird als gefährlich und wenig praktikabel beschrieben. Bevorzugt wurde die intravenöse Applikation von 0,6 % NaCl-Lösung in eine der großen Unterarmvenen. Nach Stauung des Unterarms und Darstellung einer Vene mittels Venae sectio wird eine Glaskanüle in diese eingeführt. Die Vene sollte mit drei Fäden angeschlungen werden, um das Gefäß distal der Punktionsstelle abzubinden, die Glaskanüle zu fixieren und nach Beendigung der Infusion die Vene proximal zu verschließen. Mittels eines Irrigators oder eines Trichters wurden dann 1-1.5 Liter der selbst hergestellten NaCl-Lösung infundiert" (A. Sudahl S. 285).

 

Dass diese Kanülen noch nach 1950 hergestellt wurden, erfahren wir in der Beschreibung einer Rotanda-Spritze der Ruhr-Universität Bochum: "Rotanda-Bluttransfusionsapparat mit Glaskanülen. Der Apparat aus der Bochumer Medizinhistorischen Sammlung stammt wahrscheinlich aus den 1950er-Jahren" (https://www.ruhr-uni-bochum.de/malakow/Publikationen/rubens/ruben103.htm).

 

Zur Infusion

Den ersten Infusionsversuch am Menschen unternahmen in London 1657 der in Genf geborene Leibarzt der englischen Königin und Diplomat John (Jean) COLLADON (1608–1675), und der französische Botschafter in England Antoine De Bourdeaux, als sie einem zum Galgen verurteilten straffälligen Diener des Botschafters einen „Aufguß“ von Crocus metallorum (Schwefel-Antimon mit Antimon-Oxyd) in eine Vene injizierten (Paul Scheel, Die Transfusion des Blutes und Einsprützung der Arzeneyen in die Adern, Copenhagen 1802 S. 39). Wegen schwerer Zwischenfälle und zweifelhaften Nutzens blieb der Gebrauch von Infusionen lange Zeit auf ein Minimum beschränkt. Als es (mehr als 100 Jahre nach der Injection durch COLLADON) dem Regimentschirurgen KÖHLER 1762 (erst 1776 veröffentlicht, zit.: Hoffmann, Allgem. Enzyklopädie, Leipzig 1840) gelang, bei einem Menschen einen verschluckten Fremdkörper durch eine intravenöse Infusion von 6 Gran Brechweinstein zu entfernen, wurde der Eingriff wieder Tagesgespräch, konnte aber die Infusionstherapie insgesamt nicht wirklich befördern:

"blieb dies (das forcierte Erbrechen mittels Brechweinstein) bis zur ersten endoskopischen Entfernung eines Ösophagusfremdkörpers durch Gustav KILLIAN (1860-1921) 1897 die wichtigste Indikation für diese Technik" (H. Feldmann, Die Geschichte der Injektionen, Bilder aus der Geschichte der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, dargestellt an Instrumenten aus der Sammlung im Deutschen Medizinhistorischen Museum in Ingolstadt, in: Laryngo-Rhino-Otol 2000; 79(4): 239-246).

 Lit.: https://chaouky.blog.lemonde.fr/2010/03/08/les-premieres-perfusions/

Zu den klassischen Indikationen kamen im 19. Jahrhundert die Choleraepidemien dazu - 1866, 1884, 1892 - als man dehydrierte Patienten schnell mittels Infusion von Kochsalzlösungen behandeln musste.

 

Exponat

Vorgestellt wird eine 12.5 x 9.0 cm grosse, schwarz lackierte Metallbox mit Riegelverschluss - mit einem mundgeblasenen, offenen Mini-irrigator (Höhe 8.0 cm, Durchmesser 2.7 cm), sowie einem Kaoutschukschlauch mit daran befestigter stumpfer Glasnadel! Ob ein Arzt damit Brechweinstein infundierte, können wir leider nicht rekonstruieren!  Ich sehe das ausgestellte Besteck am ehesten im Zusammenhang mit der Behandlung von Cholerapatienten.

Herkunft der Box: Darlington/Durham/UK. Keine Herstellerangabe.

 

Lit.: Alexander Sudahl, Das Rote Kreuz im Königreich Württemberg. Inauguraldissertation zur Erlangung des medizinischen Doktorgrades der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Ruprecht-Karls-Universität, 2001.