Paediatrie


Impfung, Suche nach Impfstoff

Brief, 1829 

1829 schrieb der Chirurg Laurent Frédéric BERNUTZ aus Bouillon an den Sekretär der Gesundheitskommission CLASEN in Luxemburg und bat um "suc vaccin" - um Pockenschutzlymphe: 
      "Monsieur
       Malgré le desire que j'ai de me
       prêter au desir du gouvernement
       je n'ai pu jusqu'alors me procurer
       du suc vaccin dans ce pays.
       Je vous aurai obligation de m'En
       Envoyer c'Est dans cette Esperance que j'ai L'honneur d'Etre
       Monsieur
       Votre tres humble Serviteur
       Bernard père
       Bouillon le 1. Juin 1829"

BERNUTZ fühlte sich von seinem Land im Stich gelassen und suchte Hilfe im Grossherzogtum ...

Die politischen Verhältnisse waren kraus! Bouillon war 1814 französisch geblieben und lag nun im "département des Ardennes". Artikel 69 des Wiener Kongresses vom 9. Juni 1815 resp. der sog. "2. Vertrag von Paris" vom 20. November 1815 integrierten das Herzogtum Bouillon in das Königreich der Niederlande, zusammen mit den Regionen Philippeville und Mariembourg. Am 25. August 1830 brach die Belgische Revolution aus, am 30. Oktober 1830 erhob sich die Stadt Bouillon, doch musste sich die Besatzung der Festung ergeben: am 15. November 1831 wurde Bouillon durch den Londoner Vertrag in das neu geschaffene Königreich Belgien integriert.

BERNUTZ hätte seinen Impfstoff folglich bei den niederländischen Behörden bestellen müssen. Als er scheiterte, wandte er sich nach Luxemburg - hier herrschte ... der König der Niederlande, wenn auch nur als Grossherzog !

Der königlich-grossherzogliche Erlass vom 18. April 1818 verfügte die obligatorische Pockenimpfung der Armen Kinder und der Insassen von Wohltätigkeitsinstitutionen. Wo also besorgte man sich um 1828 die Impflymphe? In endemischen Gebieten gewann man die Lymphe aus den Pusteln von Kindern, die an Pocken erkrankt waren, in Impfgebieten aus Impfpusteln! Sollte eine Impfkampagne in einer pockenfreien Region gestartet werden, musste das Impfserum importiert werden:
     - frisch in den Impfpusteln von Menschen (Matrosen etc), von Tieren (Ziegen, Kühen, Eselinnen, Hunden, Schafen etc.),
     - frisch in kleinen Glas-Fläschchen, die hermetisch verschlossen waren und mit Stickstoffgas gefüllt waren, um den Kontakt mit Luft zu vermeiden.
     - frisch zwischen zwei Glasscheiben, deren Ränder mit flüssigem Kerzenwachs abgedichtet wurden.
     - frisch in Kapillarröhrchen, die an den Enden verschweisst wurden.
     - getrocknet in Krusten, die am 20. Tag nach Ausbruch der Pocken von einer Pustel abgenommen wurden und in einem Fläschchen oder in Papier eingewickelt verschickt werden konnten.
Den besten Impfstoff erhielt man, wenn die Lymphe dickflüssig war und im Dunkeln, geschützt vor Luft, verschickt wurde.

Lit.:
Eva-Maria Henig, 200 Jahre Pockenimpfstoff in Deutschland. Mit einem Geleitwort von Fritz Krafft. 1997.