Innere Medizin


Städtische Hygiene

Güllefass, Luxemburg 1908 

Ein städtisches Reglement von 1691 forderte eine Abortgrube für jedes Haus der Hauptstadt. Mit einer Geldstrafe in der Zeit der französischen Besetzung 1796 wurde jeder - auch Militärangehörige - belegt, der seine Notdurft auf öffentlicher Strasse verrichtete. Dass diese Reglemente nicht viel ausrichteten ist aus dem erneuten Beschluss des Stadtrates von 1841 zu ersehen, demzufolge eine letzte Frist gesetzt wurde, Aborte einzurichten ...

Wer entleerte die Senkkästen?
1843 wurde ein Unternehmer mit der Entleerung der Gruben beauftragt. "Aborte müssen geleert werden, bevor selbige verstopft sind" (Reglement der Stadt Luxemburg von 1876). 1866 schaffte die Stadt eine "Maschine" an zum Auspumpen der Latrinen - wodurch das umständliche Ausschöpfen mit der Kelle überflüssig wurde. Die Abfuhr der Jauche aber erfolget weiterhin durch einen privaten Unternehmer.

Wohin mit der Jauche?
Früher hatten die Unternehmer die konsistente Jauche zum Düngen ihrer Felder genutzt. Als die Stadt 1866 an ein öffentliches Trinkwassernetz angeschlossen wurde, fielen Unmengen dünnflüssiger Jauche an, die kein Unternehmer wollte. Daraufhin liess die Stadt auf "Bellevue" 1879 einen Behälter bauen, in dem die Jauche vor der Weiterverwertung sedimentieren konnte - der Ort heisst seither "Piffkaul" (rue Bellevue) ... Pikanterweise legte die jüdische Gemeinde 1883 ausgerechnet hier ihren neuen Friedhof an!


"Selbstmord. Am Dienstag nachmittag gegen 5 Uhr fand der Knecht Scheuer des städtischen Latrinenreinigungsdienstes in den Weidenanlagen auf der Arlonerstrasse, etwa 200 Meter von der Wohnung des Hrn. Mangeot entfernt, den Leichnam eines jungen Mannes. Der herbeigeeilte Arzt, Hr. Dr. MÜLLER stellte fest, dass der Tod durch einen Schuss ins Herz erfolgt sei" ("Luxemburger Bürgerzeitung" vom 23.9.1909) - ob Scheuer mit dem Piff-Fass fuhr?.

Vorgestellt wird eine Ansichtskarte von Charles Bernhoeft (N° 11349, gelaufen 14.9.1908): ein städtisches Pferdegespann, das ein Jauchefass durch die Grossgasse in Luxemburg zieht - in Richtung des auf der Arlonerstrasse eingerichteten kommunalen "Piffhaff". Hinter dem metallenen Fass (Fehlen der Dauben) erkennt man das Metallrohr und den aufgefalteten Verbindungsschlauch, durch den die Jauche (mittels "Piffpompel") aus der Jauchegrube (lux. "Zetär") angesaugt wurde ...

Bis 1899 fuhr ein Privatunternehmer fort, die Fäkalien, die von Angestellten der Gemeinde oder von ihm selber aus den Senkkästen der Oberstadt abgepumpt worden waren, auf seine Felder auszubringen. Ab 1899 übernahm ein kommunaler Hygienedienst dieses Geschäft "en bloc" und beseitigte den Unrat mittels Pferdekarren, auf denen ein Jauchefass lag ...

Die Jauche konnte nur noch zum geringen Teil an Gärtner und Bauern verkauft werden. Ein Grossteil musste auf Kosten der Stadt "entsorgt" werden. Zu diesem Zweck kaufte die Stadtverwaltung 1899 Äcker längs der Arlonerstrasse und benutzte sie als "Berieselungsfeld" resp. "Rieselfeld" zum "Verrieseln" der Jauche - dafür wurde das "Depotoir" auf Bellevue 1902 aufgegeben. Die Juden werden nicht böse drum gewesen sein!


Jahrelang sollten diese Fässer die Stadt durchkreuzen. Doch konnten Fässer und Berieselungsanlage auf Dauer die Flut der Abwässer nicht meistern: 1911 wurde eine moderne Kanalisation (mit angeschlossener Kläranlage!) in Angriff genommen ...