Innere Medizin


Galvanotherapie (2)

Ansichtskarte, gestempelt Cannstatt 25.Sept. 1898 - Volksfestplatz 

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts beschränkte sich die Auseinandersetzung mit der Elektrizität auf Vorführungen auf Jahrmärkten, oder in vornehmen Salons, um die Gesellschaft in Erstaunen zu versetzen. Im Allgemeinen benutzte man zwei Elektrisiermaschinen als Elektrizitätserzeuger und eine Leydener Flasche als Elektrizitätsspeicher. Mit dieser Anordnung lud man die Besucher mit so hohen Spannungen auf, dass ihnen die Haare zu Berge standen, oder man ließ Funken über eine Distanz von einem Meter springen. Physiker, Künstler und Scharlatane reisten bis ins 20. Jahrhundert von Ort zu Ort und führten auf den Jahrmärkten Experimente mit statischer Elektrizität vor.
Als die Beeinflussung des menschlichen Körpers durch Elektrizität bekannt wurde und sich dadurch für die Scharlatane ein neues Aktionsfeld eröffnete, wurden die Ärzte immer dann hellhörig, wenn in der Öffentlichkeit mit Elektrizität hantiert wurde. 1853 beantragte in Luxemburg ein Schausteller eine entsprechende Genehmigung bei der Regierung. Hier die Stellungnahme des luxemburger Ärztekollegiums vom 2.7.1853:
"A l'Administration de l'Interieur
Renvoyé la demande DENIS avec notre avis favorable avec la réserve de ne lui permettre de parcourir les foires que s'il se borne seulement à faire usage de la machine électrique pour exciter la curiosité publique et de lui retirer cette autorisation aussitôt qu'il se permet de s'en servir pour faire croire à la guérison possible de maladie"
(Arch. Collège médical, Correspondances 1853 no.75) - die Genehmigung sollte dem Schausteller sofort entzogen werden, falls er versuchen sollte, bei den Zuschauern Heilungen vorzutäuschen.

Am 26.1.1877 inserierte ein Prof. C.B. ALLAN in der "Luxemburger Zeitung":
"Amerikanische Elektro-mechanische Heil-kraft-Maschine, heilsam auf Krankheiten die von Stockungen in der Circulation herrühren, sowie dieselbe gegen rheumatische Leiden, Gicht, Gliederreissen, Kopf- und Zahnschmerzen und sonstige Beschwerden. Eintritt von morgends 10 Uhr bis abends 10 Uhr in der Restauration von C. Albicht, am Wilhelmsplatz" - die Veranstaltung wurde zweifelsohne auf Betreiben des Collège médical abgesagt ...

„Esch/Alz. 3. Juni. Der aus Rotterdam stammende Wilhelm Heinrich SIEHL hatte vorgestern Vorträge über elektrische Heilbehandlung angesagt. Die Gendarmen beschlagnahmten sämtliche Apparate während der Vorführung, da es sich um verkappten Hausierhandel mit Heilgeräten handle. Gegen Hinterlegung einer Kaution wurde SIEHL auf freien Fuss belassen“ ("Luxemburger Zeitung" vom 3.6.1932).


Auf der Ansichtskarte (Bruno Bürger & Ottilie, Lith. Anst. Leipzig n°277) erkennt man im Hintergrund eine Bude, in der "Kräppelcher", d.h. Schmalzkuchen angeboten werden.
- Als klassisches Ausstellungsstück der Jahrmärkte um 1900 ist auf unserer Ansichtskarte eine "RiesenDame" zu sehen, die 515 Pfund wog - meist handelte es sich dabei um Personen mit Riesenwuchs bei angeborener Stoffwechselstörung, die ihr Leben auf Kirmesplätzen fristeten, zu einer Zeit, als es weder Krankenversicherungen, noch hormonelle Therapie dieser Abnormitäten gab. Während auf andern Kirmeskarten meist Unterhosen dieser Damen hingehalten werden, sieht man auf unserer Karte einen Strumpf an der Budenwand aufgehängt (siehe Gedicht von Ringelnatz) ...
- Als zweites Element der Belustigung sieht man einen Südsee-Insulaner, der, übergross dargestellt, ein wahres Monstrum abgibt: ach sind diese Leute hässlich und primiev, Danke lieber Gott, dass ich ein Weisser bin ...
- Rechts im Vordergrund zwei Männer, die sich für 10 Pfennig an einem Automaten "Elektricität" (Text oben) zu schaffen machen, der im unteren Bereich die Aufschrift trägt "Heil-magnet.-Elektricität". Der mutigere von beiden umfasst mit jeder Hand einen Zylinder, über die er vermutlich elektrisch aufgeladen wurde: im Gegensatz zu seinem Freund steht er auf einem Bein - möglicherweise ist er mit dem andern Bein am Zucken. Auch seine Gesichtszüge sind - zum Gaudi seines Freundes - zur Grimasse verzogen ...

Lit.:
Sacha Szabo, Kirmes, Jahrmarkt und Volksfest im Spiegel historischer Postkarten: Ein kulturgeschichtlicher Streifzug, 71 Seiten, Georg Olms Verlag, 2007.