Gynäkologie


Modell der inneren Sexualorgane

 

Modelle des menschlichen Körpers - Gipsmodelle, Wachspräparate - zählen zu den "artificialia", den Kunstobjekten: sie vermitteln nicht ganz das schaurige "Etwas" wie die "Naturalia" - Skelette, Plastinate oder Feuchtpräparate. Dennoch geht von ihnen eine schwer zu verstehende Faszination aus ...

Berühmtestes Modell des 20. Jahrhunderts wurde der "Durchsichtige Mensch", der für die "Zweite internationale Hygiene-Ausstellung" geschaffen wurde, die am 5. Mai 1930 in Dresden eröffnet wurde - der nachgebildete Körper eines Mannes. Das Volk gab der Figur den Namen "gläserner Mensch".
Stehend beeindruckt er die Besucher, er erscheint so naturgetreu, dass die Frage aufkam, wer Modell stand. Ein anonymer Unfalltoter, den niemand vermisste?

1935 folgte die Ausstellung einer ersten "gläsernen Frau" - ab 1936 wurde sie als Mannequin an eine US-amerikanische Miederwarenfabrik verkauft und ging schliesslich in den Besitz des New Yorker "Museum of Sciences". Kurze Zeit später ging sie auf eine jahrelange internationale Wanderschaft.

Die gleiche Reaktion erfolgte 1950, als in Köln ein neues weibliches Pendant des "gläsernen Menschen" vorgestellt wurde. Das Publikum fragte unwillkürlich, wer Modell gestanden hatte. Man munkelte, es sei eine junge Flüchtlingsfrau aus dem Osten gewesen, ein Waisin, die ihre Eltern kurz vor Kriegsende verloren hatte ...
Interessant erscheint der Wandel in der Phantasie des Publikums: hatte man 1935 noch von einem Toten gesprochen als Modell, so war es 1950 eine lebende Person, die Modell gestanden war, nur der familiäre Hintergrund wurde als Riss in der Biographie ersonnen: das Publikum erlebte auf seine Art die Figuren als Dissektion: waren früher Leichname zerlegt und vorgeführt worden, so war es nun eine Biographie ...

Modelle des Augens, des Herzens sind häufig - und nie anstössig. Wie aber steht es mit Nachbildungen von intimen Teilen? Angesichts des vorgestellten Modells ist die Frage erlaubt: wer stand Modell?

Waren die Organe des "gläsernen Menschen" noch durch eine gläserne Haut vor dem Zugriff geschützt, entfällt diese Barriere bei dem hier vorgestellten Modell. Als man die "gläserne Frau" vor einigen Jahren in Lybien austellte, forderten die Auftraggeber, die Brust und die Geschlechtsorgane abzudecken resp. zu schwärzen - die Realität des Bildes! Nacktheit als Tabu in einem islamistischen Land! Auch handelsübliche Modelle werden oft als "geschlechtsloser Klassik-Torso" angeboten (Fa. Mörfi, Österreich). Das von der deutschen Fa. "Lawinsky, Anatomie World" in den Handel gebrachte Modell "Anatomie Lehrmodell Gebärmutter mit Eierstöcken" verzichtet auf die Darstellung der Scheide

So hoffen wir, dass unser nacktes Genitale mitsamt seinem durch ein Hymen eingeengten Scheidenrohr nur Diskussionsobjekt wird, und nicht zu Phantasmen und wilden Spekulationen führen wird - weder was die Identität des Modells, noch was die Funktion der gezeigten Organe angeht ...

Nota: die hier vorgestellte, mit ihren 14x14x10 cm knapp lebensgrosse Darstellung des inneren weiblichen Genitale aus "papier mâché" stellt die Scheide äusserst rudimentär dar: in Wirklichkeit ist dieses Organ kein starres Rohr, sondern in dorso-ventraler Achse abgeflacht, an seinem äusseren Ende enger, im mittleren weiter und insgesamt leicht concav nach innen oben gebogen.
Fehlen einer Herstellermarke. Modell wohl in den 30er Jahren für Unterrichtszwecke (Schwesternschule, Uni?) entstanden.