Geburtshilfe


Schmerzbekämpfung (4) PP-WOELM-Nadel

WOELM Goerig

um 1970

 

 

1908 führte Dr. Benno Wilhelm MÜLLER (1873-1947) aus Berlin erstmals eine  Pudendus-Anästhesie durch.

 

Lit.:

W.B. Müller, Narkologie. Ein Handbuch der allgemeinen und lokalen Schmerz-betäubung (Narkosen und Methoden der lokalen Anästhesie in 2 Bänden mit zahlreichen Abbildungen, Berlin Verlag R. Trenkel 1908.

 

Ab 1910 wurde das Verfahren durch Prof. Hugo SELLHEIM (1871-1936) aus Tübingen propagiert.

 

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1926 beschrieb der in Dresden tätige Dr. Philipp GELLERT als Erster den Paracervicalblock.

GELLERT wurde 1899 in der Bukowina geboren und wuchs in Dresden auf, wo er später als Arzt praktizierte. Während der NS-Zeit mußte er als Jude seine Praxis aufgeben und in ein „Judenhaus“ umziehen. 1942 wurde er in das KZ Dachau eingeliefert und im Rahmen der Euthanasie-Morde (sog. Aktion 14f13) als „nicht mehr arbeitsfähig“ selektiert. Am 4. Mai 1942 wurde er in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz gebracht, wo er noch am gleichen Tag vergast und verbrannt wurde (zit. M. Goerig, Wider das Vergessen: Philipp Gellert - Pionier der geburtshilflichen Anästhesie, in: Anästh. Intensivmed. 2014;55:S.266).

 

Lit.:

GELLERT, Philipp, Aufhebung der Wehenschmerzen und Wehen-überdruck, in: Mschr. Geburtsh. Gynäk., 73: 143, 1926.

 

In den USA wurde eine "Trompete" benutzt mit einem Ring, aber ohne individuelle Einstellmöglichkeit und ohne Fingertaste. Das klassische Instrument war die "IOWA-trumpet", die Trompete der Iowa Medical Supply Company, so benannt nach der Herstellerfirma und dem Trichter, der ein bequemes Einführen der Nadel gestattete: "The Iowa Trumpet actually originated in Kansas. While mowing his lawn one day in the late 1950's, James Lee, MD, a 1967 graduate of The University of Iowa College of Medicine, looked down at the throttle cable and sleeve on his lawnmower and envisioned a similar sleeve to guide the needle in administering transvaginal local anesthesia. After a successful first attempt at creating a prototype from copper, Dr. Lee had several stainless steel models made of his "Kansas Arrow". While attending a lecture by Dr. Lee on his innovative technique, Dan Egbert, MD, of Fort Dodge, Iowa, "became intrigued by the device," and received permission from Dr. Lee to modify his early prototypes. Dr. Egbert added a thumb ring and a small funnel to the front end and a "finger bulb" to the other end. Within two years, the Iowa Trumpet, named for its trumpet-like shape, was being manufactured and distributed by the Iowa Medical Supply Company of Fort Dodge. The instrument never received a patent, but its success is proven by its continued use in obstetrical medicine today" (Universität Iowa, Museum/Internet).

Die "Trompete" von Dr. Dan(iel S.) EGBERT (1905-1990) besass einen Ring, mit dem sie dirigiert werden konnte und eine kleine Platte, auf die sich der Zeigefinger des Arztes aufstützte. 

Zur Person Egbert's:  https://www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?page=gr&GRid=37210200

 

Lit.:
Egbert DS, Keettel WC, Lee JG., Iowa trumpet, pudental needle guide, in: J Iowa State Med Soc. 1960 Aug;50:499-500.

 

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In Europa hingegen setzte sich die von der Firma WOELM in Eschwege /BRD hergestellte P(arazervikal)-P(udendus)-Nadel mit ihrer charakteristischen Daumenschlaufe und der kleinen Stütze für Zeige- und Mittelfinger durch. Die Schlaufe konnte durch eine Überwurfrädelmutter stufenlos auf der Hülse verschoben und dadurch der Hand des Arztes angepasst werden.


Die gleiche Nadel diente zum Setzen des parazervikalen Blocks, sowie zur Applikation des Pudendusblockes (frz. "anaesthésie du nerf honteux"), bei dem die Nadel auf die spina ischiadica aufgesetzt bzw. genau darunter plaziert wird, um den hier vorbeiziehenden n. pudendus (pudendalis) zu betäuben, der die Vulva sensibel innerviert. 

 

1961 gab Alfred Julian KOBAK (1898-1972) eine Nadel an mit Beckenkrümmung, ohne Daumenschlaufe, dafür mit einer Arretierungsvorrichtung, die die Eindringtiefe der Nadel auf 15 mm begrenzte ...

 

Lit.:

Kobak, A.J., Sadove, M.S. Combined paracervical and pudendal nerve blocks—A simple form of transvaginal regional anesthesia. Am. J. Obstet. Gynecol. 1961;81:72.

 

Ende des PCB

Der Paracervicale Block, (PCB) geriet Ende der 60er Jahren in Misskredit, als schwere Komplikationen gemeldet wurden (mehrere kindl. Todesfälle), hervorgerufen vermutlich von den dicken Quaddeln des Betäubungsmittels, die die Gefässe der vena (arteria?) uterina komprimierten und so zu Zirkulationsstörungen führten, und von pharmakologischen Nebenwirkungen des örtlichen Betäubungsmittles, die für das Kind lebensbedrohlich sein konnten, insbesondere beiInjeltion IN das Kind. Persönlich habe ich hunderte von PCB's gesetzt und nie ernste Komplikationen erlebt. Als Vorsichtsmaßnahme habe ich stets 4-6 Fraktionen gespritzt anstelle der in den Lehrbüchern angegebenen 2 Shots bei 3 und bei 9 Uhr. Zudem habe ich während der 10 Minuten, die auf das Setzen des Blockes folgten, keine vaginale Untersuchung durchgeführt, um eine ungestörte Fixierung des Betäubungsmittels an den Rezeptoren zu garantieren - insbesondere wäre durch ein zu frühes Massieren der Zervix das Mittel in die Gefäßbahn hineinmassiert worden. Meiner Meinung kam die Methode zu Unrecht in Verruf, als sie von unerfahrenen und ungeduldigen Ärztes angewandt wurde.

Mit dem Schwinden des PCB war der Weg frei für die PDA; die peridurale Anaesthesie, die zugleich den bewährten Pudendusblock grau und alt erscheinen ließ ...

 

Lit.:

H. Kirchhof und K. Thomsen, Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, 37. Vers.abgehalten zu Lübeck-Travemünde vom 24.-28. September 1968. Springer Verlag 1969.

Jung, H., Kopecky, P., Klock, F.K. Die fetale Gefährdung durch die “Parazervikalblockaden”, in: Geburtshilfe Frauenheilkd. 1969;29:519.

 

Zur Fa. WOELM

Am 30. Mai 1916 gründete der Apotheker und Chemiker Max WOELM (1875–1964), Besitzer der Woelm'schen Apotheke in Spangenberg, ein Großhandelsgeschäft für Drogen und pharmazeutische Rohstoffe. Der Großhandelszweig wurde systematisch ausgebaut und vergrößert, nachdem der Betrieb 1934 nach Eschwege/Werra verlegt worden war.

1946 entschlossen sich die Firmeninhaber aus alter Verbundenheit, die Pharmagroßhandlung wieder zurück nach Spangenberg zu verlegen. In einem ehemaligen Gutsbetrieb wurden Lager und Büroräume eingerichtet.

1971 verkauften die Söhne von Max Woelm die Firma an den amerikanischen Konzern ICN, 1976 übernahm sie der Kosmetikkonzern Revlon, der durch größere Investitionen alle Bereiche GMP-konform umbaute. Nach erneuten Verkäufen (1986 an Rhône Poulenc Rorer, 1992 an Johnson & Johnson) folgte 1996 die Einstellung der Produktion in Eschwege. Woelm Pharma war danach ein reines Pharma-OTC-Unternehmen in Bad Honnef am Rhein, das 2004 schließlich durch die Umbenennung in "McNeil" auch noch seinen Namen verlor. (Internet).

 

Exponat

Hersteller der hier vorgestellten Abwandlung der Original-Trompete, eine sog. "PP-WOELM" Nadel, war die Firma "Woerm Pharmaceuticals" aus D-37269 Eschwege. Länge der Nadel exakt 20.0 cm.