Geburtshilfe |
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Mutterkreuz, um 1942 |
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Auf die Greuel des Ersten Weltkrieges folgte europaweit eine Phase der Betonung der Familie: es galt in verstärktem Maße, die ausgebluteten Länder Europas neu zu bevölkern. Ab 1918 griff man in Frankreich den 1912 in den USA entstandenen Gedanken des „Muttertages“ auf und funktionierte ihn um zu einem Tage der Geburtenförderung. Zu Ehren kinderreichen Mütter wurden öffent- liche Feiern inszeniert – zunächst nur von Fall zu Fall, unter der Vichy-Regierung dann ganz offiziell: Müttern von 5 und mehr Kindern konnte die Familien- medaille verliehen werden, die, gemeinsam mit einer Geburten- prämie [sic], Anfang 1920 eingeführt wurde. Rolle der Hebammen und Ärzte Der Antrag zu dieser Auszeichnung konnte der Bürgermeister oder der Ortsgruppenleiter der NSDAP einreichen. Die vorgeschlagene Frau wurde anschließend genauestens überprüft, meist wurden die entsprechend benötigten Informationen von den Blockwarten eingeholt. Diese "Durchleuchtung" war ein riskantes Unterfangen, konnten doch unangenehme Entdeckungen in der Vorgeschichte der Kandidatin auffliegen. Die Hebammen spielten insofern eine Rolle, als sie den Behörden fehlgebildete Kinder melden mussten - die Mutter eines anormalen Kindes kam für eine Auszeichnung natürlich nicht in Frage! Wurden die Kinder vom Arzt als nicht-arisch eingestuft oder als anderweitig minderwertig beurteilt, konnte der Orden nicht verliehen werden. Am 18. August 1939, zwei Wochen vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, wurden Hebammen, Geburtshelfer und Ärzte mit einem Erlass aufgefordert, behinderte Neugeborene zu melden – dies galt rückwirkend auch für Kinder bis zu drei Jahren. Damit war das EUgenikprogramm eingeläutet, dem Tausende von fehlgebildeten Kindern zum Opfer fallen sollten - das Mutterkreuz als Massnahme zum Erassen dieser Kinder... Was hatte eine Mutter von diesem Kreuz - ausser der Feierstunde mit Medaillenverleihung? Wenig! Mütter, die diesen Orden trugen, waren von Jugendlichen mit "Heil Hitler" zu grüßen. Sie mussten bei Behörden bevorzugt abgefertigt werden, und in öffentlichen Verkehrsmitteln und bei Großveranstaltungen hatten sie Anspruch auf einen Sitzplatz. Besondere Verhältnisse in Luxemburg Dann waren die Frauen in der Heimat an der Reihe. Erst einmal deutsche Einwanderfamilien: Der Muttertag im dritten Kriegsjahr wurde im Moselgau ein „Ehrentag für die deutschen Mütter“, ein Feiertag, der in Koblenz – der Hauptstadt des Gaues - mit viel Pomp begangen wurde: Eine luxemburger Beteiligung an dieser Feier wird im L.W. nicht erwähnt. Dafür gab es hierzulande eine Reihe kleiner „Feierstunden des Deutschen Frauenwerkes“, so in Wiltz und in Petingen – man verteilte Blumen an die anwesenden Mütter, Mutterkreuze aber wurden bei diesen Feiern keine vergeben. Erst im Herbst 1942 lesen wir in der Tagespresse von der Verleihung einer solchen Medaille – dabei ist die Empfängerin erneut keine wirkliche Einheimische, sondern eine zugewanderte Deutsche: „Ehrenkreuz in Silber an eine Mutter aus Tetingen. In Anwesenheit sämtlicher Ortsgruppenleiter des Kreises Esch überreichte am letzten Mittwoch M. Kreisleiter Wilhelm Diehl das Ehrenkreuz der Deutschen Mutter in Silber an Frau Müllenbach aus Tetingen. Frau Müllenbach, deren Gatte Fahrsteiger im Bergbau ist, hat acht Kindern das Leben geschenkt. Kurz vor Ausbruch des Krieges ist sie mit ihrer Familie dem Ruf des Führers gefolgt und lebte bis zur Heimkehr Luxemburgs ins Reich in Salzgitter. M. Kreisleiter Diehl betonte in seiner Ansprache, dass es von allen Staatsmännern aller Zeiten wieder der Führer gewesen sei, der der Mutter und besonders der deutschen Mutter den Ehrenplatz im Volke verliehen habe. Dies komme besonders zum Ausdruck durch die Verleihung des Ehrenkreuzes, das seit über 130 Jahren das Sinnbild der Tapferkeit und des Heldentums im Deutschen Volke sei. Dann überreichte er Frau Müllenbach aus Tetingen das Ehrenkreuz der deutschen Mutter in Silber und beglückwünschte sie zu dieser Auszeichnung, die zum ersten Male einer Mutter des Kreises Esch verliehen wurde. Die Ortsgruppe Kayl-Tetingen aber ist stolz auf ihre Mitbürgerin und schließt sich den Glückwünschen des Kreisleiters an“ (L.W. vom 19.10.1942). Spätere Medaillenverleihungen wurden in der Tagespresse entsprechend kürzer abgetan: "Mütterehrung in Esch/Alzig. In einer eindrucksvollen Feierstunde im Festsaal der Kreisberufsschule wurden gestern erstmalig Mütterehrenkreuze an 200 Frauen der Escher Ortsgruppen verteilt ... überreichte er (Kreisleiter Pg. Diehl) selbst den zweihundert erschienenen Müttern das Ehrenkreuz nebst Urkunde. —Ueber 500 Mütter der übrigen Ortsgruppen des Kreises Esch wurden zur gleichen Stunde mit dem vom Führer verliehenen Ehrenkreuz der deutschen Mutter bedacht" (L.W. vom 18.1.1944). In Grevenmacher wurden 40 Mütter geehrt (E.T. vom 27.4.1944), in Kayl wurden 36 Mütter ausgezeichnet (E.T. vom 1.7.1944). In Rümelingen wurde eine 83Jährige geehrt: Als die Ortsgruppe Merl im Sommer 1944 Mutterehrenkreuze verlieh (L.W. vom 5.6.1944), fiel der markante Spruch:
Lit.:
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