Geburtshilfe


Lebensmittelkarte

Karte für Schwangere, Frankreich, 1943 

Am 28. August 1939, drei Tage, bevor der erste Schuss des Zweiten Weltkriegs fiel, wurden in Deutschland Lebensmittelkarten eingeführt. Die Bevölkerung, die nun das Schlimmste befürchtete, erhielt Fleisch, Fett, Kaffee-Ersatz oder Zucker nur noch gegen Marken. Ab dem 25. September wurden zudem Brot und Eier rationiert. Die Führung in Berlin fürchtete eine Hungerkrise wie im Ersten Weltkrieg und begann deshalb frühzeitig, mit den Lebensmitteln hauszuhalten. Die Zuteilungen waren zwar großzügig bemessen, doch war die Rationierung von Beginn an eine unpopuläre Maßnahme. Wer in die Kategorie der "Normalverbraucher" fiel, erhielt wöchentlich 2.400 Gramm Brot, 500 Gramm Fleisch und 270 Gramm Fett. "Schwerarbeiter" und "Schwerst- arbeiter" bekamen mehr, es gab spezielle Rationen für Schwangere, für Stillende und für Kinder. Kartoffeln und Gemüse konnten weiterhin ohne Beschränkungen gehandelt werden. In den folgenden Kriegsjahren schwankte die Kalorienzahl der Rationen nur geringfügig, doch gab es eine Verschiebung von eiweiß- und fetthaltiger Nahrung hin zu Brot und anderen pflanzlichen Produkten. Auch die Qualität der Lebensmittel, besonders des Brotes, sank. Der Gesundheitszustand der Bevölkerung verschlechterte sich, wobei die Ernährung nur eine von mehreren Ursachen war. Dass die Lebensmittelversorgung angesichts sinkender Ernteerträge in Deutschland nicht auf ein katastrophales Niveau sank, war mit Mangel und Not in den besetzten Gebieten erkauft: Die Menschen mussten entbehren, was zur Versorgung der deutschen Bevölkerung fortgeschafft wurde. Die Lebensmittelkarten blieben auch nach Kriegsende mehrere Jahre unentbehrlich und wurden erst im Oktober 1950 abgeschafft.

Frankreich hatte im ersten Weltkrieg Erfahrungen gesammelt mit Verpflegungskarten. So bereitete das erneute Inkraftsetzen dieser Rationierung im 2. Weltkrieg keine besonderen Schwierigkeiten und erstaunte niemanden. Im „Journal officiel“ vom 10.3.1940 wurde den Bewohnern mitgeteilt, dass sie sich bis zum 3. April in Listen einschreiben müssten, um in eine der vorgesehenen Kategorien aufgenommen zu werden, die für die Verteilung von Lebensmitteln und Kohle vorgesehen waren.
(Da sich die Lage zuspitzte, wurde am 5. März eine Rationierung von Fleisch vorweggenommen, wurden Feinkostläden geschlossen und der Verkauf von Alkohol untersagt).
Die ersten Rationierungskarten kamen schliessslich im Oktober 1940 in Umlauf für Brot, Fleisch, Mehlspeisen und Zucker. Die zivile Bevölkerung war in 7 Gruppen eingeteilt: Schwangere gehörten anfänglich zur Gruppe J3 (ältere Jugendliche). Ihre Ansprüche wurden mehrfach abgeändert. Ab März 1941 wurden spezielle Karten hergestellt für Schwangere. In den Jahren 1943/44 war der Mangel derart ausgeprägt, dass man, trotz Karten, nichts auf dem regulären Markt erwerben konnte – dafür blühte der Schwarzhandel. Viele Karten, gerade aus dieser Zeit, blieben daher unbenutzt und finden sich nun auf den Antik-Märkten!
1949 wurden die letzten Lebensmittelkarten in Frankreich abgeschafft.

Vorgestellt wird eine Karte aus Châtillon de Michaille (département Rhone-Alpes/ seit dem 1.11.1973 heisst der Ort Châtillon-en-Michaille) aus den Jahren 1943.

  • die Geburt Pernod-Mermillon war vorgesehen für den 5.5.1944, so bestätigt durch den Arzt Jean MALET.
    Der Waffenstillstand kam erst im August 1944. Dennoch ist die Karte nicht bis zum Schluss ausgefüllt, es fehlt der Eintrag aus dem 8. Schwangerschaftsmonat. War die Familie geflüchtet, war das Versorgungs- und Kartensystem kriegsbedingt zusammengebrochen?