Geburtshilfe


Hebel n. LOWDER

Faltbares Vectis, um 1850 

War der kindliche Kopf im Beckenmitte verkeilt "enclâvé", so half nur die geburtshilfliche Zange oder ein brutaler Eingriff mittels Hebel, bei dem der Kopf gedrückt, geschoben und rotiert wurde.

1693 erwarb Rogier v. ROONHUYZEN in Amsterdam von seinem englischen Kollegen CHAMBERLEN einen Hebel – und wähnte sich nun Besitzer des CHAMBERLEN’schen Wunderinstrumentes. In der Tat war es nur die Hälfte einer CHAMBERLEN’schen Zange. Doch auch eine halbe Zange eignet sich durchaus für geburtshilfliche Eingriffe, man muss es nur können.
So wie es die Engländer seit 3 Generationen mit ihrer Zange getan hatten, so nun die Holländer mit dem Hebel: Geheimhaltung als oberstes Geschäftsprinzip. 1754 gaben Jacques de VISSCHER und Hugo van de POOL aus Amsterdam das Geheimnis der Öffentlichkeit preis: der ROONHUYZE'sche Hebel war eine 30 cm lange, 27 mm breite, 3 mm dicke an den Rändern und Ecken angerundete Stahlstange, die an den Enden gekrümmt und insgesamt mit Leder überzogen war. RIGAUDEAUX veröffentlichte eine Beschreibung und Abbildung des ROONHUYZEN'schen Hebels.

Der Hebel war in Holland und Belgien viel in Gebrauch. Jean De BRUYN, von dessen Tochter Gertrude die Ärzte De VISSCHER und van de POLL das Geheimnis einst kauften, hatte in 42 Jahren 800 Frauen, WAROCQUIER in 21 Jahren deren 1.100 mittels Hebel entbunden. In Frankreich und Deutschland wurde stets dem Forceps der Vorzug gegeben.

Es gibt eine Unzahl von Modifikationen der "cuiller pour abaisser la tête" (BOOM, TITSING, PLATMANN, RIGAUDEAUX, MORAND, FLEURAUT, CAMPER, PEAN). Sie hier zu beschreiben ist unmöglich. Es gab Doppel-Hebel mit 2 Löffeln (RECHENBERGER 1779, ZELLER 1789). 1784 gab John AITKIN (gest. 1790) einen Hebel an, dessen Kopfkrümmung über eine Schraube am Griff dem Kopf bzw. dem Becken angepasst werden konnte – daher die Bezeichnung „living lever“. Ab 1772 wiesen Hebel eine (gewebeschonende) Fensterung auf.

"Lorsque le levier fut connu en Angleterre, on préféra celui décrit par HEISTER à ceux recommandés par les chirurgiens d'Amsterdam; en effet, le levier de WATHEN était conforme à l'une des branches du forceps de PALFIN; l'instrument dont se servait COLE ressemblait assez à une des branches du forceps droit ou à une seule courbature; celui de GRIFFITH avait à peu près la même forme, mais on y observait une charnière entre le manche et la branche" (Dictionnaire des sciences médicales 1818 S. 54).

Vorgestellt wird ein faltbarer LOWDER'scher Hebel, erstanden auf Ebay, importiert aus Boston/USA im Juni 2006. Markierung EVANS. Offenbar ein Produkt der Londoner Firma "EVANS & WORMULL 31 STAMFORD ST LONDON S.E.", deren Instrumente "Evans and Co London" gezeichnet wurden.

William LOWDER, 1775 graduiert, in Southampton praktizierend - keine weiteren biograph. Daten bekannt - gab um 1775 einen gefensterten Hebel an mit Beingriff - ein Hebel, den er angebl. auch bei Steissgeburten anlegte (zit. Elisabeth Bennion, Alte medizinische Instrumente 1980 S. 127). Er lehrte eine Technik, bei der der Hebel zwischen den Blättern einer Geburtszange angewendet werden konnte...

Späte Hebel aus der Hand von LOWDER sind über ein Scharnier faltbar „hinged lever, folding lever“. Ein derartiges faltbares Vectis wurde 1794 in der „Historia literarum et criticorum forciporum et veticorum obstetricorum“ von Johann MULDER (Tab. IX) dargestellt.

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