Innere Medizin


Arztbesuch, Anfrage (3)

 

Von allen Anfragen finde ich diese (12.7.1915) am allerkeckesten: eine Lehrerin teilt dem Arzt mit, dass sie mit dem Nachmittagszug 2.20 in Larochette ankommen wird. Den Fall gesetzt, er habe keine Zeit für sie, solle er es sie wissen lassen - bitte" ...

Die Postkarte kam am Dienstag den 13.7. in Larochette an, vorgesehen war ein Termin am kommenden Donnerstag, folglich am 15 ! Kurzfristiger kann man sich nicht anmelden!

Auch die Anrede ist für eine Dame ziemlich dreist "Monsieur".


Zu den Praxisräumen
Sollte der Patient zum Arzt, oder sollte der Arzt zum Patienten - eine seit der Antike unterschiedlich gehandhabte Problematik.
Wanderärzte gingen zu ihren Patienten. Diese Behandlung der Kranken in deren Haus war lange Zeit die Regel.
Doch schon im alten Griechenland richteten sich viele Ärzte eine öffentliche Praxis ein. Dieser Raum war im alten Griechenland sehr spartanisch eingerichtet: Instrumente und Medikamente wurden einfach in Truhen verstaut. Vieles wurde an Haken und Nägeln an der Wand aufgehängt. Auch wurden einzelne oder mehrere Bretter regalartig an der Wand befestigt. Erst in der römischen Zeit setzten sich Spinde mit verschließbaren Türen durch, um diverse Utensilien sicher aufzubewahren. Das einzige, was die Arztpraxis von anderen Räumen unterschied, war die Nutzung ...
Im Mittelalter waren Arztpraxen eine Seltenheit - meist suchte der Arzt seine Patienten in deren Wohnung auf.
Seit der Renaissance mehreren sich Berichte von Praxen.
Im 19. Jahrhundert setzte eine regelrechte Patientenflut ein. Aus England wird berichtet, dass vor allem Frauen mit ihren Kindern die Praxen stürmten, während Männer eher stoisch blieben. Die jungen Mütter werden jedenfalls zu den ersten modernen Patienten gezählt, die sich durch ein neues Gesundheitsbewusstsein auszeichneten.
Praxisräume unterschieden sich nur unwesentlich von privaten Wohnräumen - einmal abgesehen von den unverwüstlichen Fowlerbüsten, die ab fast jede Praxis schmückten! Ein junger unverheirateter Arzt konnte ohne weiteres seinen Salon als Wartezimmer und seinen Schlafraum als Sprechzimmer benutzen.
Aus einer Arbeit von René Zimmer übernehmen wir diese Aussaggen zur Lage in der Stadt Halle:
"Als Anfänger mußte man mit der sogenannten „Dachboden- oder Kellerpraxis“ vorliebnehmen und hatte dort die ärmeren, oft zahlungsunfähigen Patienten aus der städtischen und ländlichen Arbeiterbevölkerung zu verarzten. Doch glücklich verlaufene Behandlungsfälle trugen dazu bei, den jungen Arzt in der Stadt bekannt zu machen. So diente die „Arme-Leute-Praxis“ als Sprungbrett für die eigentlich angestrebte, gewinnbringende Praxis in den bürgerlichen Haushalten" (https://www.soziologie.uni-halle.de/publikationen/pdf/9704.pdf).
Über Jahrhunderte bedienten sich die Ärzte einfachster Geräte bei der Diagnostik: Harnglas, Stethoskop. Mit der Elektrifizierung der Praxen und der Installation komplexer diagnostischer und therapeutischer Apparate gewann die Arztpraxis an Profil: ab dem ausgehenden 19. Jh. machten es die schweren Apparate unmöglich, alle Verrichtungen ambulant am privaten Krankenbett des Patienten zu verrichten.