Innere Medizin


Apotheken-Rezept (5), um 1800

Abführmittel 

Zusammensetzung
Mercur[ium] dulcis ................. gr Viij (8 Gran)
Pulvis Rhei ................................ gr XVj (16 Gran)
Sac[]char[um] alb[um] ......... Ð ij (2 Skrupel)
f. pulvis. .................................... (stelle das Pulver her)
dde in dos. N.viij ..................... (divide = teile; in doses = Einzelportionen; N = Nummer 8)

Hauptbestandteil (Cardinale) des Medikamentes war Süsser Quecksilber. Quecksilber(I)-chlorid (Kalomel, „schönes Schwarz“ von altgriechisch kalos=„schön“ und melas=„schwarz“, früher auch süßes Quecksilber oder Quecksilberchlorür) ist ein weißes, in Wasser nur sehr wenig lösliches, schweres Salz, das bei ca. 380 °C sublimiert. Im Licht verfärbt es sich allmählich dunkel bis schwarz (daher der Name Kalomel), weil es unter Disproportionierung zu elementarem Quecksilber und Quecksilber(II)-chlorid zerfällt.

Da es wegen seiner äußerst geringen Wasserlöslichkeit vom Körper kaum resorbiert wird, fand es vielfältige Anwendung in der Medizin: als Diuretikum, gegen Entzündungen in Nase und Rachen, als Abführmittel, zur Anregung der Gallenfunktion, gegen Brechdurchfall, bei Wassersucht, Milz-, Leber-, Lungenleiden, bei Gicht, sowie äußerlich gegen Hornhautflecken, Geschwüre, Skrofeln und Feigwarzen. "Mercur. dulcis contra Virus Gallicum" - Kalomel war Standardtherapie bei Syphilis ...

Da dem Kalomel in unserm Rezept Radix Rhei (medizinischer Rhabarber) als Adjuvans beigegeben wurde, ist anzunehmen, dass das Rezept insgesamt als Purgativum gedacht war. Saccharum album (weisser Zucker) wurde als Korrigens d.h. Geschmacksverbesserer zugefügt.

Die abführende Wirkung des Kalomels war nach neuesten Forschungen möglicherweise für den frühen Tod des Musikers Wolfgang Amadeus Mozart verantwortlich: Leopold Mozart, sein Vater, hatte damals wegen seiner vielen, häufig kranken Kinder eine umfangreiche Hausapotheke, die auch Kalomel enthielt. Die bekannten Symptome Depressionen, Mattigkeit, Ohnmachten, Schreckhaftigkeit, Erregbarkeit, Fieber, Exantheme, Nierenversagen sprechen für eine Quecksilbervergiftung durch den übermäßigen und ständig gesteigerten Verbrauch des Abführmittels Kalomel.

Kalomel war darüberhinaus ein geschätztes Antiphlogistikum. Der Rostocker Arzt Georg Friedrich MOST (1794-1845) empfahl 1845 in seiner "Enzyklopädie der Volksmedizin" "Versüßtes Quecksilber", Kalomel (Mercurius dulcis, s. Hydrargyrum muriaticum mite), etwa zwei bis drei Quäntchen in der Reiseapotheke mit sich zu führen:
"Dieses Mittel, — alle ein bis zwei Stunden einen bis drei Gran mit Zucker, — ist beim Croup vollsaftiger Kinder (nach vorgegangener Applikation von Blutegeln) oft das einzige Rettungsmittel, so wie in manchen Formen von Luftröhrenäste-, Hirn-, Herzbeutel-, Leber-, Milz- und Bauchfellentzündung u. a. m. "