Chirurgie


Extensionsbügel n. KIRSCHNER

 

 

Die Extension bei Frakturen der Extremitätsknochen wurde zuverlässiger, als der Marburger Chirurg Rudolf KLAPP (1873-1948) kräftige Stahldrähte einführte. Diese Fixiertechnik wurde weiter verbessert durch Martin KIRSCHNER (1879-1942).

 

KIRSCHNER wurde am 28.10.1879 in Breslau geboren als Sohn eines Rechtsanwaltes - Spross einer Chirurgenfamilie. Studium in Freiburg, dann Strassburg, Zürich und München. Schliesslich war er wieder in Strasburg.: hier Approbation am 9.7.1904 und am 20.9.1904 Promotion mit einer Arbeit über Syringomyelie. 1904-1907 Assitent am Städtischen Krankenhaus Moabit in Berlin. 1908-1910 Assitent von PAYER an der Chirurgischen Universitäts- klinik in Greifswald, 1910-1913 Assitent an der Chirurgischen Universitätsklinik Königsburg, dort Habilitation zum Privatdozenten im Wintersemester 1910/11 mit einer Arbeit über Sehnen- und Faszientransplantation. 1913 Professorentitel. Schüler von Friedrich TRENDELENBURG (1844-1924).
Ab 1909 untersuchte er die Zugkräfte auf das Skelett und entwickelte verbesserte Verfahren der Osteosynthese. Seine Versuche mit dünnen Drähten führten schliesslich zu einer noch heute anerkannten Methode, der Drahtung resp. Spickung.
Von 1916-1927 war er Ordinarius an der Universität Königsberg. 1924 gelang ihm hier die erste Embolektomie (nach seinem Lehrer benannt als TRENDELENBURG’sche Operation) aus einer v. pulmonalis: am 23. April 1924 konnte Martin Kirschner während der 48. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie von Johanna Kempf berichten, einer Patientin mit massiver Lungenembolie, die durch die von Trendelenburg entwickelte Operation gerettet werden konnte. 1927 Wechsel nach Tübingen. Den 1932 an ihn ergangenen Rud nach Heidelberg lehnte er zunächst ab, da ihm die volle Zusage für einen Klinikneubau nicht gegeben wurde. Erst 1934 wurde ihm diese Zusage endlich verbindlich gegeben, sodass er nun nach Heidelberg übersiedelte und hier die Chirurgische Klinik übernahm. Im gleichen Jahr 1934 wurde er Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie.
Kirschner starb am 30.8.1942 im Reservelazarett Heidelberg - an einem Magenkarzinom mit Metastasen.

 

Durch die Einrichtung von Überwachungsräumen für Frischoperierte wurde KIRSCHNER zu einem Wegbereiter der Deutschen Intensivmedizin. Auch die Behandlung des Pylorospasmus beim Säugling beschäftigte Kirschner intensiv, ebenso wie die Prostatachirurgie. Er entwickelte ein Operation zum Ersatz des Oesophagus. Beliebt ist sein viereckiger Bauchdeckenhalter für die Laparatomie. Vor allem aber revolutionierte KIRSCHNER die Therapie von Knochenbrüchen. Die nach ihm benannten Kirschnerdraht-Osteosynthese, ein „semioperatives“ Verfahren, stellt auch heute noch für viele Frakturen eine optimale Versorgung dar.

 

Trotz aller Technik aber bleiben die persönlichen Fähigkeiten des Chirurgen ausschlaggebend für Erfolg oder Misserfolg einer Operation: "Nicht die Operation, sondern der Operateur rettet den Patienten" (Kirschner).

 

Spickdrahtosteosynthese (Spickung): Fixierungsmethode wie sie zum Beispiel bevorzugt am typischen Speichenbruch in Handgelenksnähe angewendet wird. Der Knochenbruch wird unter Röntgen-Bildwandlerkontrolle eingerichtet. Damit der Bruch in der erzielten Stellung bleibt, werden durch die Haut 2-3 Drähte ( med.: Kirschnerdrähte ) mit einer Bohrmaschine eingebracht. Die Drähte werden gekürzt und unter der Haut versenkt. Die eingebrachten Drähte überbrücken und stabilisieren den Knochenbruch. Allerdings ist eine zusätzliche Gipsruhigstellung von ca. 4 Wochen bis zum Ausheilen des Bruches notwendig, da diese Versorgung nicht übungsstabil ist.

 

Neben den Spickdrähten gab KIRSCHNER 1927 ein halboffenes Verfahren an, zur Ruhigstellung einer Fraktur durch Extension von Knochen: ein direkt am Knochen angreifender Zugverband zur Stellungskorrektur (Reposition), zum Am-Ort-Halten (Retention) von Knochenfragmenten bei Knochenbrüchen, aber auch gelegentlich zur Fragmentdistanzierung (Distraktor) bei Verlängerungsosteotomie, zur Kontrakturmobilisierung, Schwebelagerung etc.; die Zugwirkung erfolgt durch dosierbare, über Rollen – z.B. eines Lochstabgerätes – geleitete Gewichtszüge, die an einem durch den Knochen getriebenen, im „Extensionsbügel“ gespannten Bohrdraht oder STEINMANN-Nagel angreifen.

 

Vorgestellt werden drei grosse „KIRSCHNER-Bügel“ und ein kleiner sog. "amerikanischer Bügel" mit querem Verstellriegel aus dem Bestand der Elisabethklinik, benutzt um 1970 von Dr. Roger FROMES.

 

Lit.:

  • Kirschner, Martin & Stauss, Beiträge zur willkürlichen Begrenzungn und zur individuellen Dosierung der Spinalanästhesie. Erfahrungen an über 1000 Fällen (S.322-383, 26 Abb.), in: Verh. Dtsch. Ges. Chir., 56. - Berlin, Julius Springer, 1932, 8°, CXVIII, 856 S., 260 Abb.
  • Kirschner, Martin: Die Hochdrucklokalanästhesie. Berlin, Springer-Verlag, 1944, 8°, 62 S., 32 z.T. farb. Abb., OKartBd. Erste Auflage der letzten und posthum erschienen Arbeit von Martin Kirschner hrsg. v. R.Zenker.

    Lit. über KIRSCHNER:

  • Weißer, Christoph: Die Knochenbruchbehandlung bei Martin Kirschner und die Entwicklung des „Kirschnerdrahtes“. Anmerkungen zu einer genialen Idee in der Chirurgie, in: Würzburger Medizinhistorische Mitteilungen 12 (1994) S. 5-18.