Chirurgie


Aderlasslanzette (2), Perlmutt

 

 

Hoher Blutdruck (erkennbar an der warmen, feuchten Haut und dem geröteten Gesicht), Schlaganfall, Gicht - es gab eine ganze Reihe z.T. sehr sinnvoller Indikationen für den Aderlass.

 

Der Aderlass diente aber auch zum Ausleiten von vermeintlichen Giften aus dem Körper, so bei der Pest. In den Klöstern diente er dazu, den Körper soweit abzuschwächen, dass unkeusche Triebe vergingen.

"Konzil von Chelchitas, 816.— Die Mönche sollen nicht mehr an den festgesetzten Tagen zur Ader gelassen werden. (Die Mönche u. Klosterfrauen wurden jeden Monat, an einem dazu bestimmten Tage zu Ader gelassen, behufs Abtödtung des Fleisches. Dieser Tag war im Kalender als "dies aeger" oder "dies minutionis" bezeichnet" (D'Wäschfra vom 5.10.1878).

 

In der Renaissance mussten zahlreiche Faktoren beachtet werden. Es kam auf die Stellung der Gestirne und Tierkreiszeichen an. Als gefährlich galt der Mondaufgang in dem entsprechenden Tierkreis. Aber auch Alter, Geschlecht, Klima, Jahreszeit, Windrichtung und das Stadium der Krankheit spielten eine Rolle. Für jede Krankheit, für jedes Organ stand eine spezielle Vene zur Verfügung. Aus der antike stammte das Dogma, das Schlahen an einer Stelle durchzuführen, die von dem erkrankten Organ möglichst weit entfernt und auf der anderen Körperhälfte gelegen war. Dann gab es im 16 Jahrhundert den berühmten Aderlassstreit: der französische Arzt Pierre BRISSOT (1478-1522) forderte das Gegenteil und wollte den Aderlass möglichst in die Nähe der Krankheit setzen.

 

Exponat 

Vorgestellt wird eine Lanzette mit Originalschatulle, hergestellt von der Firma Reay & Robinson aus Liverpool, 17 Churchstreet. Dieser Betrieb bestand von 1837-1851.

- 1829 Thomas Reay

- 1837 Reay & Robinson

- 1851 Partnerschaft beendet, danach Thos. Reay

Griff aus Perlmutt (frz. nacre, engl. mother of pearl). Den Herstellern ging es nicht etwa darum, ein Produkt aus Biomaterial herzustellen. Es galt ein Modeobjekt zu fabrizieren, um die Eitelkeit zu bedienen – in unserm Fall die Eitelkeit der Ärzte und Chirurgen. Manche Objekte waren so überfrachtet mit Verschnörkelungen und Inkrustationen, dass es fraglich ist, ob sie überhaupt zum praktischen Einsatz kommen konnten. Manche chirurgische Schatulle, teuer und hübsch anzusehen, war eher ein Ausstellungsstück als ein Operationsbesteck. Protz pur! 

 

Einen nicht unerheblichen Nachteil hat Perlmutt: es ist hydrophil, zieht Wasser an - führt also auf Dauer zum Rostansatz am Gelenk!

 

Herkunft: Snowdonia, UK, 2013. Nördliches Wales, nahe Liverpool, der Stadt der Beatles …