Anästhesie


Opium, PANTOPON

abb757

PANTOPON-Schachtel

 

 

Schon die Antike sowie das Mittelalter kannten Opium als Betäubungsmittel.

 

Boccacio erzählte Mitte des 14. Jahrhunderts in seinem "Decamerone" von einem Chirurgen, der einem Kranken ein schwärendes Bein abnehmen wollte. Vor der Operation bereitete er einen Schlaftrunk (vermutlich aus Opium und Alraune), den er in eine Fensternische stellte. Allerdings bekam die junge Frau des alten Chirurgen Besuch von ihrem jugendlichen Liebhaber, der allzu großen Durst hatte - Liebesnacht und Operation fielen aus.

 

Hermann SAHLI (1857-1933), Leiter der Medizinischen Universitätsklinik Bern, befasste sich intensiv mit Opium- und Morphin. Auf seine Anregung hin entwickelte Carl Schaerges, erster Forschungsleiter in der Geschichte der Firma Hoffmann-LaRoche, das Pantopon. 1909 Produkteinführung.


PANTOPON war ein H2O-lösliches, injizierbares Opium-Vollpräparat und wurde zur Bekämpfung von schwerstem Schmerz, Koliken, Spasmen, Husten, Angst- und Spannungszuständen eingesetzt. Es enthielt die von Ballaststoffen befreiten Gesamtalkaloide des Opiums in standardisierter Form. Pantopon stieß auf große Nachfrage und war hierzulande bis 1985 im Handel. Trotz zahlreicher Suchtfälle ist das Präparat in einigen Ländern noch heute erhältlich; es ist also länger im Verkauf als jedes andere Präparat von Roche.

Preise, die 1918 in Luxemburg festgelegt wurden, als Pantopon von unsern Apothekern wegen der kriegsbedingten Ausfuhrtaxen nur gegen Aufpreis im Deutschen Reich angekauft werden konnte (Memorial G.-H. Luxemburg n°27 vom 2. Juni 1918 S. 568) :

Pantopon ....... 0,01 g .......... 05 (Mark und Pfennig)
......................... 0,1 ............... 35
......................... 1 ............... 2,80

 

Ein prominenter Patient war Franz Kafka – sein Therapeut war der junge ungarische Medizinstudent und spätere Litterat Robert KLOPSTOCK (1899 – 1972). Kafka hatte ihn 1921 im Sanatorium Matliary in der Hohen Tatra kennen gelernt. Wie Kafka, litt auch Klopstock, "ein großer, starker, breiter, rotwangiger, blonder Mensch", wie ihn Kafka Max Brod gegenüber beschrieb, an Tuberkulose. Das Leiden und die jüdische Herkunft hatten seinen Ausschluss vom Studium in Budapest bewirkt. Kafkas letzte irdische Station wurde das Sanatorium Dr. Hoffmann in Kierling bei Klosterneuburg. Kurz zuvor hatte er den alarmierten Freund beschworen, ihn nicht zu besuchen: "Robert, lieber Robert, keine Gewalttaten, keine plötzliche Wiener Reise." Naturgemäß tauchte Klopstock trotzdem, Anfang Mai 1924, in Kierling auf - zum Glück und Segen für den Moribunden Kafka. Längst ging es bloß darum, dem Sterbenskranken das Sterben zu erleichtern. Der Schwindsüchtige wog nur noch 45 Kilo. Da die Schmerzen unerträglich geworden waren, flehte Kafka den Freund an: "Töten Sie mich, sonst sind Sie ein Mörder!" Man verabreichte ihm Pantopon. Als sich Klopstock vom Bett erhob - er wollte die Spritze reinigen, bat Kafka: "Gehen Sie nicht fort." Auf Klopstocks Antwort "Ich gehe ja nicht fort" erwiderte er: "Aber ich gehe fort." Franz Kafka schloss die Augen - er starb an Herzlähmung. Es war der 3. Juni 1924.“

 

Ein US-Veteran berichtet über den Einsatz der Droge im Vietnamkrieg:

„It's a mixture of the alkoloids of opium, as hydrochlorides, with any impurities removed... it's a beautiful pink color... it's fucking great... it was big in Viet Nam with the American soldiers; quite a bit made it back to the states, in powder form... probably the best high I've ever had, and if you've followed these forums for very long.“

 

Posthume Berühmtheit erlangte das Präparat 1994 durch den CD-Rom „Pantopon Rose“ (Musik: Serrano Rosino), in dem die Biographie des Schriftstellers William S. Burroughs (1914-1997) dargestellt wurde.

 

Exponat

Vorgestellt wird eine nicht datierte Klinikpackung (Maße 135 x 135 x 52 mm), die ursprünglich 100 Ampullen à 1,1 ml enthielt und jetzt (leider) leer ist. Jede Ampulle enthielt 20 mg Pantopon entsprechend 10 mg reinem Morphin. Erstanden um 1995 bei „Anno Tubak“ in L.-Cents. Ähnliche Schachteln werden in den USA als Kultgegenstand - in zweistelliger Dollarhöhe, gehandelt:

“100 Dollar. The box contains 1 glass tube (though originally issued with 4) with cork stopper and a large printed label that unrolls from the tube stating: "hypodermic tablets / powdered opium," with detailed instructions on how to dissolve and inject them. These tablets, because they were pure and easy to use, were a much sought after form of opium for addicts and they are the inspiration for "Pantopon Rose," a recurring character in William Burroughs' books”.