Antike Medizin |
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Silphium, griechisch-römisches Kontrazeptivum |
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Im Altertum war die Kyrenaika von Berberstämmen, den Libyern, besiedelt, die mehrmals Ägypten angriffen und im 10. Jahrhundert v. Chr. sogar die Herrschaft über Ägypten errangen. Odyssos soll hier mit seinen Kumpanen gestrandet sein. Der berühmte Geschichtsschreiber Herodot (ca. 480-420 v. Chr.) berichtet, wie sich die Bürger von Thera daran erinnern, was die Gründung ihrer Kolonie Kyrene in Libyen veranlasste. Aus diesen Griechenkolonien entwickelten sich bedeutende Städte: Kyrene wurde als griechische Kolonie von Alt-Thera auf der Kykladeninsel Santorin gegründet, und wie überliefert, um 630 v. Chr. von Aristoteles von Thera regiert. Bald legten die griechischen Kyrener Sekundärniederlassungen in Barke, Euhesperides und Taucheira an und prägten mit ihrer griechischen Kultur fast 1200 Jahre lang das Erscheinungsbild dieser Gegend. Nachdem sich Kyrene unter den Battiaden erfolgreich gegen die persischen Achämeniden behauptet hatte, wurde die Monarchie 440 v. Chr. gestürzt. Mit den libyschen Bewohnern der Gegend vereinigte sich Kyrene zu einem Staatenbund, an dessen Spitze ein König (Battos) stand. Das Land war ungemein fruchtbar u. brachte Öl, Feigen, Datteln, Mandeln, Wein, Gurken, Trüffeln, Weizen, wohlriechende Blumen; ferner Vieh, bes. Pferde, Strauße, Bienen, aber auch verheerende Heuschrecken im Überfluß hervor. Zu den klassischen Exportartikeln aber gehörte seit dem 6. Jahrhundert v.Chr. die Gewürz- und Heilpflanze Silphium.
SILPHIUM Silphium (ital. silfio) wuchs einzig in der Kyrenaika, in einem Landgürtel, der 30 Meilen vom Meer entfernt begann, 30 Meilen ins Land hineinreichte und 250 Meilen lang war. Silphium wuchs ausschließlich auf diesem Gürtel, seit, gemäß griechischen Schriftstellern, im Jahre 617 v.Chr. der Boden in der Gegend der Gärten der Hesperiden und der Grossen Syrte plötzlich von einem pechschwarzen Regen durchnässt wurde. Die Wirkung dieses Regens soll sich über 4000 Stadien erstreckt haben. Das Silphium ließ sich trotz mehrerer Versuche andernorts nicht kultivieren, es blieb endemisch in Kyrenaika. Aus den gelben Blütenblättern wurde Parfum hergestellt, die Blätter dienten als Küchengewürz. Wie die Blätter der Pflanze schmeckten, können wir leider nicht sagen; nach ihrem Aussterben wurde Silphion durch den persischen Asant oder Stinkasant ersetzt, der heute als Charaktergewürz Indiens gilt und ein lauchartiges, in hoher Dosis leicht penetrantes Aroma aufweist. In der modernen Wiedergabe antiker Rezepte wird Silphion meist kommentarlos mit dem Stinkasant gleichgesetzt.
Mediziner aber schätzten das Harz, das man durch Anritzen aus der Wurzel oder dem Stengel gewann, das "opos". Im Altgriechischen bezeichnete das Wort "opos" jeglichen Pflanzensaft - und findet sich übrigens im Wort "Opium" wieder. Dieser aus den Wurzeln gewonnene "opos" war das besondere Heilmittel. Die Gewinnung des "opos" erfolgte ähnlich wie heute noch bei Asa foetida, indem die kräftige Wurzel in Scheiben geschnitten wurde und der austretende gummiharzhaltige Milchsaft nach dem Trocknen abgeschabt, gesammelt, geknetet und für den Export verpackt wurde. "En médecine, ses usages étaient multiples. Il pouvait détruire les cors, laver les plaies, les piqûres de scorpion, les morsures de chien, il soignait les ulcères, il détruisait les poisons, traitait les hémorroïdes. En usage interne, il était antispasmodique, traitait la goutte, la jaunisse, la toux, les angines, les migraines, ... Il était aussi utilisé comme moyen de contraception".
SORANUS von Ephesus, der unter den Kaisern Trajan (98 - 117) und Hadrian (117 - 138) in Rom praktizierte, empfahl den Frauen wecks Schwangerschaftsverhütung jeden Monat den aus einem erbsgrossen "Opos"-kügelchen zubereiteten Saft zu trinken: woher er das "Opos" bezog ist schleierhaft, galt die Pflanze zu diesem Zeitpunkt doch schon als ausgestorben ... Offensichtlich arbeitete er mit einem "Ersatz", der aus Stinkasant hergestellt und aus Persien und Armenien nach Rom importiert wurde. Neuzeitliche Untersuchunegn haben gezeigt, dass Pflanzen der gleichen Familie (asa foetida) als zuverlässige Nidationshemmer sprich als "Pille danach" agieren, indem sie die Progesteronproduktion blockieren.
Die einstige Bedeutung des Silphium für die kyrenäische Wirtschaft lässt sich daran ablesen, dass das Silphium oder Teile davon auf fast allen kyrenäischen Münzen abgebildet war. Ausgestellt wird eine 14 mm grosse, 3.1 g schwere, bronzene Münze aus Kyrene, mit beidseitig (!) einer Silphiumpflanze - eine Münze (Fehlprägung?) aus der Zeit des unabhängigen Königreiches, da während der römischen Besatzung des Landes der klassische Provinzialstyl mit avers dem Kaiserprofil vorherrschte. Der Erhaltungszustand der hier vorgestellten Münze ist leider erbärmlich. Dennoch ziehe ich ein schlechtes Original einer pikfeinen Fälschung vor: zum besseren Erkennen der Pflanze darunter die Skizze einer guterhaltenen Münze mit Kaiserkopf und Silphium.
Herkunft der Münze: Privatsammlung in Issaquah, Washington District, USA.
Lit.: André Laronde, Le silphium sur les monnaies de Cyrène, in Bacchielli, Lidiano and Margherita Bonanno Aravantinos (ed.) Scritti di Antichità in memoria di Sandro Stucchi vol. I, Studi Miscellanei . 29. Roma (1996), pp. 157-168, illus. |