Amulette


Gedungene Wallfahrer

 

Es gab eine ganze Reihe von Heiligen, die von frommen Christenmenschen bei Epilepsie angerufen wurden. So ist aus der Hocheifel und aus Flandern eine Dreiergruppe bezeugt, bestehend aus den Heiligen Cornelius, Aegidius und Lambert. Bei der viel besuchten Echternacher Springprozession am Pfingstdienstag, die seit dem 15. Jahrh. existiert, wird der hl. Willibrord, der 739 in Echternach im heutigen Luxemburg starb, vor allem als Helfer bei der Epilepsie verehrt. Die Willibrordusquellen und -brunnen, welche die Missionswege Willibrords säumten und eine rege Tauftätigkeit bezeugen, wurden vom Volk aufgesucht, um die Heilung von verschiedenen Nervenkrankheiten (Chorea, Ergotismus), besonders bei Kindern, zu erflehen.

Einer der vielen möglichen Ursprünge der Springprozession
Im 13. Jahrhundert wütete in der Gegend um Trier eine Veitstanz-Epidemie. In ihrer Not riefen die Menschen (angeblich) den heiligen Willibrord an, dessen Leib schon damals in Echternach begraben lag. Offenbar wurden die Bitten der Gläubigen erhört. Die Epidemie klang ab. Aus Dankbarkeit soll die Springprozession zur Grabstätte des Heiligen ins Leben gerufen worden sein. Willbrord gilt seither als Patron gegen Epilepsie, Zuckungen, Pest und gegen den Veitstanz. Beim Springen wird (angeblich) das krankhafte Fallen, Hauptsymptom der Epilepsie, nachgeahmt und die Fürsprache des Heiligen bei Gott angerufen, um sich vor der Krankheit (manchmal "Echternacher Krankheit" genannt) zu schützen, oder um andere, die von der Krankheit befallen sind, durch Gottes Gnade zu befreien. Also eine Anwendung des Prinzips "Similia similibus curare", eine Art Heiltanz.

Wer - infolge Lähmung, Epileptischer Anfälle, zu hohen Alters usw. - nicht selber zum Grabe des Heiligen wallfahren konnte, der konnte einst einen Berufspilger anheuern. Seit 1801 dürfen auch Frauen an der Echternacher SpringProzession teilnehmen - so sehen wir auf der Ansichtskarte von Bellwald (N°131, gestempelt am 22.2.1906; gleiches Bild schon auf der um 1897 entstandenen Karte N°367) eine gemischte Gruppe von Tänzern und Tänzerinnen "Danseurs loués", die gegen Bezahlung an der Springprozession teilnahmen.


"Viele Wallfahrer hat ein wegen Schüttellähmung oder Fallsucht gemachtes Gelübde hierher geführt. Sie springen eben nicht nur für sich, sondern auch für andere, für Angehörige oder Freunde. Wer zu alt oder zu krank war, bezahlte Echternacher Burschen, die "für 12 bis 20 Sous sprangen", häufig für mehrere Pilger und Pilgerinnen zugleich." [zit. Prof. Dr.med. Stefan Winkle, Über das epidemieartige Auftreten von Nachahmungssyndromen, Die Tanzwut - Echte und scheinbare Enzephalitiden, in: Hamburger Ärzteblatt (Hefte 6-9/2000)].

Im medizinischen Sektor erinnert heute nur noch das 1858 eröffnete Willibrord-Spital in Emmerich / Niederrhein an die Taten des Heiligen ...