Amulette


Brunzel-Stein

Kreta 2001     

 

Natürlich gelochte Steine haben immer wieder die Phantasie der Menschen angeregt. Lochsteine, deren Öffnungen im Neolithikum ausserordentliche Dimensionen erreichten sind mehrfach belegt. Die Öffnung war z.T. gross genug, um ein Kind hindurchreichen (Abstreifvorstellung).

Kleine Lochsteine findet man immer wieder als Amulette. Ihr Gebrauch reicht bis ins Paläolithikum zurück. Als Hexensteine, Trudensteine waren sie in der Neuzeit vor allem im Alpenraum häufig getragene Glücksbringer - natürlich durchlochte Steine galten als hervorragende Hausamulette, vor allem gegen Blitzschlag und gegen den TRUD.
Im altdeutschen Volksglauben ist der TRUD ein weibliches Wesen elbischen Geschlechts, das im Glauben der späteren Zeit zum Unhold und zum hexenartigen Nachtgeist herabsank, allerlei bösen Zauber trieb und namentlich als Alp oder Nachtmahr den Schläfer plagte. Durch den Drudenfuss und andere Mittel suchte man sich gegen seine Annäherung zu schützen...

"Die Wirkung des Trudensteines galt als apotropäisch gegenüber dem schädlichen Einfluss von Zauberinnen und Unholdinnen; er musste über ein Loch verfügen und möglichst klein sein" (*).

Der Lochstein kann als Musterbeispiel gelten für die Ambivalenz der Amulettformen. Nach einer ersten (prähistorischen) Phase, in der dem Lochstein ein sehr hoher Wert zugemessen wurde, sank sein Wert allmählich, als es den Menschen gelang, derartige Lochungen selber vorzunehmen. Als die Steine zu Gegenständen des alltäglichen Lebens wurden (als Gewicht im HängeWebstuhl, zum Beschweren der Fischernetze), verloren sie ihren magischen Charakter vollends. Erst mit der Erfindung einer neuen Form von Webstuhl (Rahmenwebstuhl) ohne Gewichte und mit der Verbreitung des Eisens, gewann der Lochstein seine Zauberkraft zurück.

"Im Volk haben solche Steine den Namen „Hühnergott“ bekommen. Vor langer Zeit hielt man Steine mit natürlich entstandenen Löchern für Talismane, die Hühner vor Behexung und böser Geister schützten, der Züchtung und der Fruchtbarkeit der Hühner beitrugen. Der „Hühnergott“ sollte die Hühner vor allem vor Domowoj und Kikimora schützen (böse Geister), die ihnen Federn ausrupfen. Manchmal konnte man statt des Steines auch eine Scherbe mit Loch oder einen Hals vom zerschlagenen Krug als Hühnergott benutzen. Ich weiß nicht, ob solche Talismane auch jetzt irgendwo in Dörfern benutzt werden, die Steine mit Löchern aber sind auch heute als Gegenstände bekannt, die magische Kraft besitzen und von Menschen als Glücksbringer wahrgenommen werden" (Oksana)
"Auch in Norddeutschland sind diese besonderen Steine weit verbreitet, meist sind es Feuersteine mit Kalkeinlagerungen, die mit der Zeit ausgewaschen werden. In früheren Zeiten wurden diese Steine gesammmelt und neben oder über der Haustür angebracht. Sie sollten dort böse Geister fernhalten.Auch heute ist es schön, an der Ostsee beim Strandspaziergang solche Steine zu finden. Manche haben so viele Löcher, daß die Steine fast wie ein Schwamm aussehen. Und als Talisman sind sie immer noch schön" (Doro, Internetforum).

Ein klein wenig erinnern die Brunzelsteine an folgende Therapie aus der 1696 erschienenen "Drecksapotheke"des Doktor Christian PAULLINUS: Paullinus erwähnt das bei Impotenz weit verbreitete Urinieren durch den Ehering und gibt an, daß Professor Möller zu Jena dergleichen Ringpissen für einen bloßen Aberglauben halte (Ausgabe 1714 S. 203, 212).

Der hier gezeigte Stein (Durchmesser um die 4 cm) stammt aus der kleinen Bucht von Agios Kyriakos an der Südküste Kretas, wo in der Antike das Städtchen Lis(s)os mit seinem Asklepiostempel (!) lag.

(*) Britta-Juliane Kruse, Die Arznei ist Goldes wert, mittelalterliche Frauenrezepte, 1999 S. 165.

 

Interne Links

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