Pharmazie


Gift-Abgabebuch

engl. „drugs record book“; frz. "registre des poisons". 

Eine Giftmischerin versorgte den französischen Hof jahrelang mit Liebestränken und tötlichen Giften. 1677 befahl Ludwig XIV dem Polizeikommissar von Paris strenge Untersuchungen. Die Nachforschungen richteten sich unter anderem gegen den angesehenen Apotheker und Chemiker Christophe GLASER, aus dessen Apotheke die Hauptverdächtigen der Machenschaften bei Hofe, die Marquise de Brinvilliers und der Chevalier Sainte-Croix, die nötigen Zutaten bezogen hatten. Dieser wurde zwar entlastet, aber in der Folge wurde Apothekern und Drogisten in Frankreich gesetzlich auferlegt, ein so genanntes Giftbuch zu führen, in dem die Namen der Käufer von Giften aufgeführt werden mussten. Die Giftaffäre endete mit einer letzten Hinrichtung im Juli 1683. Wenige Tage später erließ der König ein Gesetz, das den Handel mit Giftstoffen regelte.

Das Gesetz vom 21. germinal an 12 erneuerte das Gesetz, nach dem jedem Apotheker das Führen eines Giftbuches geboten war, in dem der Käufer den Erhalt der Substanz gegenzeichnen musste.

Erste wirklich wirksame Einschränkungen zum Erwerb von Arsenik wurden in Frankreich im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts als Folge des Falles Lafarge eingeführt: der Apotheker musste den Käufer kennen und dieser musste sich in ein Giftbuch eintragen. Auch Grossbritannien zog 1851 nach: mit dem Arsenic Act wurde der Verkauf von Rattengift und anderen Arsenprodukten an Personen über 21 Jahre beschränkt. Auch hier musste der Verkäufer den Käufer kennen und ihn namentlich erfassen.

In der Praxis sah das Führen des Giftbuches eher spartanisch aus:
„In einer Ecke des Labors steht ein alter Schrank mit Flügeltüren, in dem außer Arsen, Quecksilber und dem Giftbuch alle möglichen, nicht ganz ungefährlichen Substanzen stehen. Der Totenschädel auf dem Giftschrank hat schon damals die Gefährlichkeit der Substanzen verdeutlicht. Allerdings, lacht Binkert, sei der Schrank lediglich mit einem normalen Schloß gesichert gewesen, eine Leichtigkeit für jeden Einbrecher, dieses zu knacken und sich zu bedienen “ (Almut Binkert, Apothekenmuseum Weissenburg).

In Luxemburg wurde ein Giftbuch erst 1925 eingeführt:
"Es wird den Interessenten andurch zur Kenntnis gebracht, dass das durch ministeriellen Beschluss vom 20. Mai 1925 eingeführte Lagerbuch für die durch Art. 6 des Grossh. Beschlusses vom 28. April 1922 vorgesehene Buchführung durch die Regierung, Abteilung für Sanitätswesen, zum Preise von 5 Fr. bezogen werden kann. (Mitteilung der Regierung)" (Escher Tageblatt vom 13.6.1925).

Niemand kann die grosse Zahl von Eintragungen in den Giftbüchern kontrollieren, deshalb sind diese seit Jahrzehnten höchst umstritten. Sie waren deshalb z.B. in Bayern nach Landesrecht auch schon mal abgeschafft worden, bis die GefStoffV sie 1986 wieder bundesweit einführte. Im Moment müssen sie dann geführt werden, wenn an Privatpersonen abgegeben wird. Nur bei Abgabe an Firmen und Behörden reicht eine Aufbewahrung der Lieferscheine.


Auf einem Flohmarkt konnten wir dieses kleine Abgabebuch erstehen, in dem der Apotheker Ch(arles) CORBION die Gifte eintrug, die über die Theke der Apotheke J. LECLERCQ, r. du Bouxthay in Vottem (Thier à Liège) den Besitzer wechselten. 48 Seiten, die vom Bürgermeister paraffiert waren. Erster Eintrag 27.12.1903, letzter Eintrag (Seite 48) vom 7.7.1920. Vottem liegt 1.9 km nördlich vom Stadtzentrum von Lüttich. Noch heute wird in Haus n°10 eine Apotheke von Frau Michèle LENAERTS geführt.