Spucknäpfe 


Grosser Spuckbecher

Spucknapf Alter Hafen
 

 

   Vorgestellt wird ein besonders grosser Spucknapf (Durchmesser des "oberen Kraterrandes" 16.5 cm) aus emailliertem Weissblech, erworben 9/2016 "am Alten Hafen" in Innsbruck. Er stammt aus einer dortigen Haushaltsauflösung. Keine Herstellerangaben (wer möchte schon mit einem solchen Gegenstand in Verbindung gebrcht werden).

 

   Bis zum 2. Weltkrieg wurden solche Becher im Frisiersalon herumgereicht. Wurde der Kunde schon behandelt und spürte er einen Spuck-Reiz, so konnte ihm der Frisör den Spuckbecher reichen. Anschließend hatte der Lehrling ihn zu "säubern und desinfektorisch zu behandeln" - wahrlich keine angenehme Aufgabe des Lehrlings, und gefährlich obendrein, wegen des nicht zu unterschätzenden Ansteckungsrisikos.

Spucknäpfe


Kartonbehälter

Burnitol
 

 

Billige Modelle waren aus Karton oder Papier und wurden nach Gebrauch mitsamt Inhalt in das Ofenfeuer geworfen.

 

Vorgestellt wird ein US-Amerikanischer Faltkarton (Patent 920180A für Harry J. Potter aus Cambridge / Massachusetts, erteilt am 4.5.1906, wirksam ab dem 4.6.1906), der nach "Bespuckung" ins Feuer geworfen wurde, daher der Firmenname "Burnitol". Neben dem hier gezeigten Cup N°7 gab es die N°5, die am 31.12.1918 patentiert wurde.

 

Wohlhabende Leute verbargen die gefalteten Kartonbehälter in einer Messingdose mit Klappdeckel.

 

Herkunft des Blattes: Estate Auctions Inc. in Seaford, Delaware/USA. Grösse 19.5 x 23.5 cm.

Diverses


Spucknapf (01)

Crachoir Villeroy&Boch, 1899 

In der Antike hatte Spucke als Heilmittel gegolten
(vgl. allgemeinbildung-online.ch/aktuelles/spuckengeschichte.html.
Mit der modernen Tuberkuloseforschung wurde Spucken zur "unerwünschten Praxis".

Schon 1818 führte die Fa. V&B einen Spucknapf in ihrem Angebot. Unklar ist die exakte Verwendung – von der Gefahr der Übertragung der Tb durch den Auswurf wusste man damals nichts. Der Napf war demnach für die Benutzer von Kautabak bestimmt.
Die preussische Garnison in Luxemburg spuckte zu dieser Zeit fleissig – allerdings in Näpfe aus Blech:
„Versteigerung. Für das königl.-Preuss. Allgemeine Garnisons-Lazareth hierselbst werden folgende Gegenstände gebraucht, und soll deren Lieferung im Wege öffentlicher Submission und Licitation dem Mindestfordernden überlassen werden, nämlich: 100 Stück Spuckkästen von unverzinntem Blech Luxemburg den 16. Juni 1822“
(Inserat in: „Luxemburger Wochenblatt“ vom 22.6.1822)

Für den öffentlichen resp. Krankenhausbedarf stellten die Manufakturen später Spucknäpfe her, die in Gemeinschafträumen aufgestellt wurde – für die Benutzer von Kautabak ebensowie für die „tuberkulösen Rotzerten“. Auf den ersten Blick sind Verwechslungen vorprogrammiert mit Spucknäpfen, die von den Weinkennern beim Pröbeln der Weine benutzt wurden. Weincrachoirs aber haben keine seitlichen Öffnungen!

Das hier vorgestellte Objekt der Firma Villeroy&Boch / Mettlach (Durchmesser 215 mm, Höhe 100 mm) wurde im August 2003 in den französischen Alpen (Gap) erstanden und stammt laut Verkäufer aus einem ehemaligen Herren-Frisiersalon. Hatte der Kunde Platz genommen, wurde der Spucknapf heangeschoben. Hergestellt wurde er gemäβ Stempel im Jahr 1899. Im Katalog von 1897 ist es bereits verzeichnet unter „Articles divers: crachoir forme brasilienne“.
Schwierigkeiten hatte man beim Auswaschen dieses Topfes, da der Deckel nicht abnehmbar war.

Ähnliche Modelle hatte V&B auch 1910 im Angebot – mehrere Modelle mit abnehmbarem Trichter. Offenbar verkauften sich Spucknäpfe zunächst recht gut - das Dresdner Werk von V&B hatte 1910-17 nicht weniger als 22 Modelle im Angebot! 1933 aber bot Dresden nur noch ein einziges Modell an, die V&B-Werke Wallerfangen und Mettlach boten schon ab 1926 kein einziges Modell mehr an: die Zeit der unhandlichen Näpfe war vorbei; metallene Näpfe, insbes. handliche Taschenmodelle, hatten sie abgelöst.

Als Seltenheit findet sich ein Zimmerspucknapf, in eine Holzschatulle eingearbeitet, dessen Klappdeckel über einen meterhohen Griff bedient wird (Toggenburger Museum Lichtensteig)

Abschliessend eine Anekdote aus einem Gymnasium in Delmenhorst:
„Ein Spucknapf in jedem Klassenraum. Seine Existenz ging auf einen Erlaß des Oberschulkollegiums vom 12 11.1901 über Maßnahmen zur Verhütung der Tuberkulose zurück. Dieser Erlaß enthielt dem Inhalt nach u. a. folgende Anordnungen: Das Ausspucken auf den Fußboden in den Räumen in der Schule ist verboten. Es sind insbesondere dort, wo sich ständig hustende, der Tuberkulose verdächtige Kinder aufhalten, zur Hälfte mit Wasser gefüllte Spucknäpfe aufzustellen, die täglich ausgeleert und ausgespült werden müssen. Wahrend des Unterrichts hat der Lehrer eine verstellbare Scheibe eines Fensters offen zu halten. Die Fußböden sind vor dem Fegen mit Wasser zu besprengen. Beim Fegen sind nicht Reisigbesen sondern steifborstige Kehrbesen zu verwenden usw. -- Diese gutgemeinten Anordnungen zeigen, wie hilflos man damals gegenüber einer Volksseuche mit sehr hoher Sterblichkeitsrate war. Der Spucknapf zierte noch viele Jahrzehnte die Klassenzimmer. Er wurde von einigen Lehrern mit lautem Geräusper unter dem Grinsen der Schüler benutzt. Uberhaupt war er für die Schüler ein willkommener Anlaß, Unfug zu treiben. So beklagte sich in den zwanziger Jahren eine Lehrerin bitter bei einem jungen Lehrer über die bösen Knaben ihrer Klasse. Sie hatten einen Bindfaden an dem Napf befestigt und ihn im entscheidenden Augenblick fortgezogen“ (Internet).

Diverses


Spucknapf (02)

Kleiner Napf mit Ausguss

Dieser kleine, 8 cm hohe, im Sommer 2005 in St. Bonnet in den Hautes-Alpes erstandene Napf zeichnet sich aus durch eine seitliche Tölle in Form eines Vogelgesichtes. Napf und Trichter sich fest zusammengefügt - der Geier weiss, wie man diesen Napf je sauber bekommen wollte!

 

Diverses


Spucknapf (03)

Spuckpfanne ohne Abdeckung, um 1900 

Seit man um die Gefährlichkeit des Auswurfes bei der Verbreitung der Tuberkulose weiss, ist man bemüht, das "wilde Spucken" einzudämmen, in der Hoffnung, mit dieser Massnahme den Gehalt des Strassenstaubes an Tuberkelbakzillen zu reduzieren.

Die Eisenbahngesellschaften statteten ihre Waggons mit einem Schild aus "Spucken verboten", Grossstädte wie New York stellten das Spucken um 1900 zeitweilig unter Strafe. Auf den Bahnsteigen stellte man Näpfe auf, in die "Gewohnheitsrotzer" sich ihres Auswurfes entledigen konnten... Wohin also mit dem Auswurf?
Den bakterienhaltigen Auswurf runterzuschlucken war keine Lösung, man hätte dadurch die Häufigkeit der Darminfektionen unnötig gesteigert. Auch der Gebrauch von Taschentüchern war wenig sinnvoll, da sich an diesen spätestens die brave Hausfrau und/oder die Wäscherin ansteckte. Um die Besiedlung des Darmes mit Tuberkelbakterien aus der Lunge zu verhindern, wurden Patienten mit offener LungenTb angehalten, tagsüber in Taschenspucknäpfe und nachts in grössere "Zimmernäpfe" zu spucken, in die man einen Schuss "Eau de Javel" eingefüllt hatte (2 Suppenlöffel auf 1 Liter Wasser). Bevor der eklig-klebrige Inhalt des Napfes in ein Klosett entleert wurde, musste (oder sollte) er unschädlich gemacht werden, indem man den Napf eine Viertelstunde in warmes Wasser, in ein sog. "Bain-Marie" stellte. Nach der Entleerung sollte der Napf in Sodawasser nachsterilisiert werden durch regelrechtes Auskochen.
Die ersten Spucknäpfe waren aus Steingut und ähnelten "Baby-Bettpfannen"; wie ihre grossen Vorbilder, die Bettpfannen, hatten sie keine Abdeckung. Sie werden auf Flohmärkten zumeist nicht als solche erkannt. Vorgestellt wird eine "Mini-Babybettpfanne" aus Porzellan.

Diverses


Spucknapf (04)

Ansichtskarte, um 1920 

Nach dem 1. Weltkrieg war die "Rockefeller Foundation" Luxemburg bei der Bekämpfung der Tuberkulose behilflich. Hier einige Zeitungsausschnitte aus dem "Escher Tageblatt":
"Mission Rockefeller. Spannend und unterhaltend und sehr lehrreich war der gestrige Vortragsabend der Mission Rockefeller im Theatersaal des Hotel Metropole. Hr. Dr. FLESCH führte in kurzer Ansprache die Mission bei der gut besuchten Versammlung ein. Nach ihm sprach die Direktorin der Mission, Frau CHAPPOLET, im allgemeinen über den Zweck der Mission. Herr BLAIZE, der den Eindruck eines jovialen Menschentypus machte, drang in die Materie ein und wusste seinen Vortrag so lehrreich packend zu gestalten, und verschiedentlich auch mit beissender Ironie Wahrheiten zu sagen, die manche Zuschauer kitzeln mussten. Er sagte der Versammlung die furchtbare Verwüstung, die die Tuberkulose in der Menschheit anrichtet und wies darauf hin, dass der Kampf gegen diese Pest, die furchtbarer als der Krieg sei, bei den Kindern einsetzen müsse. Er prekonisierte den Bau von Schulen, Dispensarien und Sanatorien. Dann machte er dem Staub, den Mücken, dem Raucher, Trinker und den Misthaufen den Prozess. Kampf gegen die Tuberkulose auf der ganzen Linie und sollten auch liebe Gewohnheiten fallen gelassen werden, war sein Leitmotiv. Das Abrollen dreier dokumentarischer Filme beschloss den Abend. Herr BLAIZE wurde warm applaudiert. Heute Abend wird Frau REZIUS zu Worte kommen und sie wird sich speziell an die Frauenwelt richten. Es ist zu hoffen, dass für heute Abend halb9 Uhr der Besuch noch zahlreicher sein wird als gestern Abend und dass die Frauenwelt sich besonders beteiligen wird. Zum Schluss muss noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass zeitweilig durch Kinder verursachte Unruhe im Saale herrschte und wir tragen dem allgemeinen Wunsche Rechnung, wenn wir eine bessere Überwachung der Kinder durch die Eltern während des Vortrages hinweisen" (E.T. vom 18.5.1920).

"Der gestrige Vortragsabend der Mission Rockefeller im Hotel Metropole fand bei vollbesetztem Saale statt. Besonders die Damen waren dem an sie gerichteten Rufe gefolgt. Hr. Dr. FLESCH und die Direktorin der Mission, Miss CHAPETEL bekundeten in ihren Einführungsansprachen ihre Freude, das hervorheben zu können. Nach ihnen sprach Frau NESIUS und ihre klaren, in posierter Sprache gehaltenen Ausführungen gefielen allgemein und riefen vielfachen Applaus hervor. Hygiene, Hygiene, rief sie unserer Damenwelt zu und an Beispielen erläuterte sie die üblen Gewohnheiten vieler Hausfrauen, die fallen gelassen werden müssen. Zum Schluss dankte Hr. Schöffe Heinen im Namen der Stadtverwaltung den Missionsmitgliedern für die Ehre, die sie der Stadt Esch erwiesen, und Hr. Schöffe Emering überreichte den beiden Konferenzlerinnen Miss CHAPOTEL und Frau RESIUS prächtige Blumensträusse" (E.T. vom 19.5.1920).

Aus einem Nachtrag erfahren wir, unter welchen Umständen diese Konferenzen zustandegekommen waren:
"Luxembourg, 25 mai. La propagande de la mission antituberculeuse américaine dans notre pays est terminée et elle paraît avoir été avantageuse pour la population des localités, qui ont pu la voir, travaillant à sa tâche si foncièrement humaine avec une conviction entrainante. Si la parole des conférenciers s'adressait, suivant le dicton américain "à toutes les classes, à toutes les masses", elle recherchait cependant de préférence la jeunesse, même la toute jeunesse "cette graine qu'il faut sauver de la tuberculose à tout prix", comme le veut ce bon Français de grande autorité dans la matière, le Dr. GRANCHER. L'oeuvre antituberculeuse américaine en Europe, dont le siège est à Paris, devait restreindre sa propagande d'outre-mer à la France et à la Belgique; mais elle a voulu, sur les instances du comité de la Ligue antituberculeuse luxembourgeoise, faire une exception louable à sa résolution primitive pour notre pays et ce geste de la direction centrale de la fondation Rockefeller fut charmant, rien qu'à concevoir le sacrifice pécuniaire et abstraction faite de l'effort intellectuel." (E.T. vom 26.5.1920).

Ansichtskarte, herausgegeben von der Rockefeller Organisation.

Diverses


Spucknapf (05)

 

„Besonders in der Männerwelt ist es auf dem Lande Sitte, des Morgens vor dem Besuche der Frühmesse nur ganz oberflächlich Toilette zu machen, da verschiedene Arbeiten, besonders Stallarbeiten, zu dieser Zeit noch zu erledigen sind.- Die Ausdünstungen … schlimmer ist es, wenn dazu auf auffallende Weise auf den Boden gespuckt wird, zumal in den Teilen der Kirche, die nahe an dem Eingang sich befinden, denn durch diese ekelerregende, üble Gewohnheit werden, wie bekannt, nicht selten Krankheiten von einem Menschen auf den anderen fortgepflanzt“.

Neben diesem demonstrativen Spucken - nach dem Motto „mool kucken wien Här am Duerf ass“ - gab es ein diszipliniertes Spucken unter Verwendung von Näpfen. Die alten Luxemburger nannten solche Behältnisse "Speizköschten"

- Spuckkisten (Lux. Wörterbuch 1906) - ein Hinweis für eine gewisse Disziplin der alten "Rotzerten", auch wenn sie laut Dr. FELTGEN mit Vorliebe im Eingangsbereich der Kirchen spuckten...

Die Füllung der Spucknäpfe bestand entweder aus Flüssigkeiten, welche das Eintrocknen und Verstäuben des Auswurfes verhinderten, oder aus leicht brennbaren Stoffen, wie Sägespänen. Sie waren nach Bedarf, jedoch mindestens 1x am Tage zu entleeren und durch Desinfektion oder Verbrennen unschädlich zu machen. Nur zum Entleeren und Desinfizieren öffnete man bei diesem ersten Modell den Deckel.

Der vorgestellte Napf trägt keine Herstellermarke (Durchmesser insgesamt 12 cm, Durchmesser des Spuckloches 4 cm).

Diverses


Spucknapf (06)

Gedeckter Spucknapf, um 1940 

Die Pfännchen entsprachen schon bald nicht mehr den hygienischen Anforderungen. Um zu verhindern, dass Fliegen die Bakterien an ihren Pfoten forttrugen und in der Umgebung ausbreiteten, wurde der Gebrauch von Näpfen mit Deckel empfohlen. Billige Modelle waren aus Karton oder Papier und wurden nach Gebrauch mitsamt Inhalt in das Ofenfeuer geworfen. Komplizierter war die Entsorgung der emaillierten Blechtöpfe, die um 1900 angeboten wurden: "crachoirs d'appartement" und "crachoirs de poche" mussten geleert und gereinigt werden!

 

Vorgestellt wird ein emaillierter Napf mit Abdeckung - ein belgisches Fabrikat "NANALUXE, résistant aux acides".

 

Die ganze Hygienekampagne half herzlich wenig, der Bodenbelag auf Bahnsteigen und in Wartezimmer auf Bahnhöfen blieben glitschig. Es kam gar der blöde Witz auf:
"Was ist ein Spucknapf? Antwort: ein kleiner Topf, rundum den man spucken kann".

Diverses


Spucknapf (07)

Taschenspucknäpfe, um 1900 

Wir wissen nicht, welches Modell am Bahnhof von Petange verloren ging:
"Gefundene Gegenstände: Spucknapf am 10. 5., zu Rodingen-Bahnhof" (Escher Tageblatt vom 15.8.1918);

Vorgestellt werden zwei Spucknäpfe aus Metall - ja, nicht alle Taschenspucker waren blau:

a) das grössere Modell wurde 1901 von dem aus Halle stammenden Lungenarzt Sigurd Adolphus KNOPF (1857-1940) angegeben, der von 1895-96 Assistent von DETTWEILER gewesen war, dann nach New York auswanderte, wo er zum Vorkämpfer der Antituberkulosebewegung wurde. Als "zur Aufnahme des Auswurfs das Beste und Praktischste, aus Metall, hermetisch schliessend, leicht, elegant, bequem zu tragen, unauffällig" bezeichnete die Werbung die Taschenflasche für Hustende, Modell "DISKRET" - das ideale Geschenk also für einen tuberkulösen Grossvater...
Das 10x6x2.5 cm grosse Behätnis hatte in der Tat Platz in jeder Hosentasche.

b) das etwas kleinere Modell "SPUTOLLA" wurde 1929 von einem gew. Max Wedekind aus Zürich patentiert (Mitteilungen Ivo Haanstra, Leiden/NL; Michael Rüdiger, Hamburg/D). Der Behälter misst 10x4x2.5 cm. Er war insofern unpraktischer, als die Spucköffnung oben lag und einen deutlich kleineren Durchmesser besass als das oben vorgestellte Modell; der Kranke musste also genauer zielen...

Diverses


Spucknapf (08)

 

Wohl am weitesten verbreitet war der «Blaue Heinrich» (es gab ihn in blau, grün, braun und weiss), in unseren Gegenden kurz «Heiri» genannt, ein sterilisierbares Fläschchen aus blauem Glas im Taschenformat. Höhe 10.5 cm. Es wurde 1889 von Dr. Peter DETTWEILER entworfen und auf dem 8. Kongreß für Innere Medizin in Wiesbaden vorgestellt.

Der Armeearzt Peter DETTWEILER (1837-1904) gilt als der Begründer der Ruhe- und Liegekuren bei Tuberkulose. Er war einst Patient bei Dr. Hermann BREHMER gewesen, einem Lungenspezialisten, der ab 1859 eine Heilstätte in Gobersdorf in Schlesien betrieb, und auf den Nutzen von Liegekuren hinwies. DETTWEILER übernahm diese Idee und gründete 1876 das erste Lungensanatorium Deutschlands, die Heilanstalt in Falkenstein am Taunus, deren erster Direktor er wurde (heute Hotel Kempinski, Debusweg)
Dieser DETTWEILER war im Übrigen im April 1896 in Kronberg Mitbegründer einer Volksbibliothek. Die Kaiserin Friedrich stiftete dazu aus ihren eigenen Beständen 100 Bücher als erste Grundlage. Im Laufe der Jahre hat sie immer wieder durch Spenden dafür gesorgt, dass auch neue Bücher gekauft werden konnten.
Fabrikant des "Blauen Heinrich" war die Firma Noelle & Co. in Lüdenscheid, die ihn zum Preis von 1 Mark und 50Pfennig in den Handel brachte. Der Spucknapf wurde in grossen Stückzahlen hergestellt, sodass man heutzutage erstaunt sein muss, in den Medizinhistorischen Museen nur noch einzelne Exemplare als Rarissima vorzufinden. Wahrscheinlich hat man sie nicht geliebt, sie nicht einmal als Andenken aufbewahrt - und schliesslich ist Glas zerbrechlich.

 

Gut erkennt man auf dem Bild den Trichter, der bis zur Mitte des Glases hinabreicht und verhindern sollte, dass Sputum wieder aus dem Fläschchen herausliefe, wenn sich der Verschluss einmal versehentlich in der Hosentasche öffnen sollte.

 

Auch in franzôsischen Sanatorien wurde dieser "Heinrich" benutzt "crachoir de poche en usage dans les sanatoria populaires. Chaque malade reçoit un crachoir de poche dont il est tenu de faire usage, sous peine de se voir rimmédiatement renvoyé" (zit. Illustrierte Geschichte der Medizin, Andreas Verlag 1992 s. 2750);

 

Die kleinen Fläschchen waren ein durchaus gebräuchlicher Anblick in den Straßen oder auf Bahnfahrten ...

 

Das hier vorgestellte Modell (ohne die "klassische" Aufschrift Dr. Dettweiler) wurde aus Südfrankreich (Cabasse) reimportiert. Ein amüsantes Detail: das Wort Kobalt stammt aus dem Mittelalter, als man an Kobolde in den Bergwerken glaubte, an kleine Bösewichte. Aus dem bösen Kobold wurde Kobalt, das giftige Mineral. Im Falle des Spuckglases wurden die Bösen Geister im Glase eingesperrt…

 

Kobalt ist für die menschliche Ernährung ein essentielles Spurenelement als Bestandteil von Vitamin B12 (Cobalamin), welches beim gesunden Menschen von den Darmbakterien direkt aus Kobalt-Ionen gebildet werden kann. Während kleine Überdosen von Co-Verbindungen für den Menschen nur wenig giftig sind, führen größere Überdosen (ab etwa 25-30 Milligramm pro Tag) zu Haut-, Lungen-, Magenerkrankungen, Leber-, Herz-, Nierenschäden und Krebsgeschwüren. Als man in Kanada noch Biere zur Schaumstabilisierung mit Kobalt anreicherte, stieg die Mortalitätsrate bei starken Biertrinkern auf annähernd 50 % an - bedingt durch Herzmuskelschwäche ("kanadisches Biertrinkerherz").

 

Ein Wort zum Namen

Man ist sich insgesamt uneinig über die Entstehung des Namens. Laut "Wörterbuch der deutschen Umgangssprache" stammt der Begriff "Blauer Heinrich" ursprünglich aus der Zeit von König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, dessen Armendirektor Heinrich hiess. Während dessen Amtszeit wurden an die Armen sehr dünne Suppen verteilt, die den Namen "Blauer Heinrich" erhielt - blau wie die Farbe des Himmels resp. der blaue Dunst des Tabaks, Heinrich wie der Direktor. Möglicherweise ist der Spucknapf eine Anspielung an diese Blechschüssel und die darin enthaltene (ekelhafte) Suppe, die zum Spucken anregte.

 

Diverses


Spucknapf (09)

Französisches Modell 

Spucknäpfe aus blauem Glas sollten für eine angenehme Farbe sorgen, die den schleimigen Inhalt vergessen machen sollte. Einfache Modelle wie der von der Gläserei Legras / Paris Saint-Denis oder von den 1900 gegründeten Etablissements Charles Leune / Paris hergestellte "Crachoir de poche de Paris LN" hatten eine einzige Öffnung. Dennoch schrieb das Larousse médical noch 1924: "le meilleur parmi les modèles bon marché est celui de Leune". Auch belgische Sanatorien wurden seit Jahren mit diesem Spucknapf beliefert "La fourniture des crachoirs a été continuée à M. Leune, de Paris, aucun autre industriel n'ayant un modèle plus pratique et moins coûteux" (Ligue nationale belge contre la tuberculose. Rapport général sur le quatrieme exercice :1903. Bruxelles). Die aus der Fa Pinot hervorgegangene Fa. Leune - aus der später die "Etablissements H. Greaud" wurden - stellte medizinische und zahntechnische Geräte her. Ihren Sitz hatte sie 98 rue Oberkampf, Paris XIe. 1924 erschien ihr Katalog "Appareils à Pneumothorax artificiel du Docteur Kuss; Crachoirs Hygiéniques individuels & collectifs; Materiel de Laboratoire pour Dispensaire Anti-Tuberculeux, Sanatorium, Hopitaux, etc."

 

Auch in Luxemburg wurden ab 1889 Spucknäpfe im Hospiz benutzt: "Wie in allen ähnlichen Anstalten ist es auch in der hiesigen Spitalabtheilung die Phthise, die am meisten Opfer fordert. Da die Zahl der aufgenommenen Phthisikern immerhin eine relativ große ist. und in Hinsicht auf die Thatsache, dass auch die Phthise als eine ansteckende Krankheit zu betrachten ist, deren Keim namentlich durch Eintrocknung der Sputa der Patienten gefährlich werden kann, haben die Aerzte die Kranken sowohl in der Männer-, wie in der Frauenabtheilung in je einem Zimmer möglichst zu isoliren gesucht. Einem jedem Kranken ist sein Spucknäpfchen angewiesen worden, Fußböden und Wände wurden stets mit feuchten Lappen gereinigt und die Medikamente nach ärztlichen Anordnungen verabreicht" (Luxemburger Wort vom 19.11.1889).

 

In den 1908 in Luxemburg eingerichteten Vorsorgestellen der Antituberkulose-Liga bekam jeder Besucher unentgeltlich einen persönlichen Spucknapf überreicht - dass da finanzielle Argumente zählten, ist selbstverständlich: allzu teuer durften die Geräte nicht sein. Die eher primitiven französischen Spucknäpfe rivalisierten mit den komplexeren deutschen DETTWEILER-Modellen "Dr. DETTWEILER´S TASCHENFLASCHE FÜR HUSTENDE" mit zwei Öffnungen, die gründlicher zu reinigen waren. Dettweiler, der selber an einer offenen Lungentb litt, war gut platziert, um ein besonders geeignetes Fläschchen zu ersinnen. Sein teures Spuckglas gehörte in die Tasche der wohnhabenden Kuristen, das preiswerte "französische" Glas eher in die Hand des "kleinen Mannes".

 

In Deutschland wurde in der Volksheilstätte Vogelsang (des Vaterländischen Frauenvereins der Provinz Sachsen) jedem Kranken gleich bei der Aufnahme eine Spuckflasche ausgehändigt – öffentliche Spucknäpfe waren daher in der Anstalt (mit Ausnahme des Aufnahmezimmers) nicht aufgestellt. Die Reinigung der Spuckflaschen besorgen die Kranken selbst, indem sie den Inhalt auf zur Verbrennung bestimmten Torfmull entleerten und die Flaschen mit Lysolfiüssigkeit und Wasser nachspülen. Letzteres wurde, bevor es den Abwässern zufloß, in besonderen Dampfkochapparaten zum Kochen gebracht.

 

Bis in die kleinsten Dörfer wurde die Kunde getragen, auch in Luxemburg: "Harlingen, 7. Dez. In unserem Volksverein hielt Hr. Dr. Ecker aus Bissen einen sehr lehrreichen Vortrag über die Tuberkulose und ihre Bekämpfung" (Luxemburger Wort vom 7.12.1912).

 

Die ganze Hygienekampagne half herzlich wenig, der Bodenbelag auf Bahnsteigen und in Wartezimmer auf Bahnhöfen blieben glitschig. Es kam gar der blöde Witz auf: "Was ist ein Spucknapf? Antwort: ein kleiner Topf, rundum den man spucken kann".

 

Die blauen Flaschen wurden zum Erkennungszeichen der Tuberkulösen, so im Tb-Kurort St. Blasien im Schwarzwald:
"Obwohl die Patienten das Klinikgelände eigentlich nicht verlassen sollten, waren sie Überlieferungen zufolge immer wieder in der Stadt, zu erkennen an ihren Spuckflaschen" (Badische Zeitung vom 14. 6, 2012). Wie auch immer. Ob mit einem "Blauen Heinrich" oder ersatzweise einem "japanischen Taschentuch": man war gebrandmarkt, als ansteckend stigmatisiert.

 

Vorgestellt wird ein 10 cm hoher "Crachoir de poche de Paris LN" mit einer 3 cm grossen Öffnung. Metalldeckel mit Gummidichtung und Bajonett-Verschluss.

Diverses


Spucknapf (10)

Sanatorium BLIGNY 

In Bligny (Seine et Oise) unterhielt Frankreich einen gigantischen Kurbetrieb, der sich aus drei Sanatorien zusammensetzte.
"La Société des sanatoriums populaires pour les tuberculeux adultes de Paris, constituée en 1900, se rend propriétaire du domaine de Bligny. Les travaux démarrent en 1901, année de naissance de la fameuse loi sur les associations qui permet la transformation de la société en oeuvre des sanatoriums populaires de Paris. L’association est reconnue d’utilité publique en 1902 ; elle recevra ses premiers malades en 1903. Dès la première année, les malades affluent ; le sanatorium en accueillera jusqu’a 600. Il bénéficiera pendant plus de 80 ans du concours des religieuses de la congrégation des soeurs de Saint Joseph de Cluny.
Les professeurs CALMETTE et GUERIN travailleront à la mise au point du B.C.G. à Bligny.
La tuberculose enfin maitrisée l’association, devenue Centre Médico-Chirurgical de Bligny, procède à la transformation de l’établissement admis à participer au service public hospitalier à partir du 1er janvier 1977. En 2003, elle change de nom pour devenir : Association Centre Médical de Bligny".

Hier ein Bericht aus "dem Inneren" des Sanatoriums:
"Ouvert en 1903, le sanatorium de Bligny, premier de la région parisienne, s’étale sur une colline bien exposée de l’Essonne. Longtemps, le séjour au « sana » a été l’unique remède à la tuberculose, avec cure d’air pur, repos et nourriture abondante comme traitement de base. C’est seulement à la fin des années 1960 que la découverte d’antibacillaires puissants apporte une guérison durable à ces « poitrinaires ». Ces combats contre la phtisie, particulièrement dévastatrice en France, Charlotte Gebusson les mènera tous, comme malade d’abord, puis comme attachée du laboratoire de Bligny, qui participait à la recherche sur les traitements. A l’époque, des religieuses assurent l’encadrement et le recrutement des salariés se fait essentiellement par cooptation : « Il y avait beaucoup d’anciens malades, des Bretons et quelques Alsaciens... Quand nous sortions, on nous regardait comme des pestiférés », raconte une ancienne. La contagion fait peur ! Alors, la vie s’organise en quasi-autarcie sur ce domaine de 85 hectares.
"On faisait de ces repas ! Tout le personnel mangeait ensemble, matin, midi et soir, avant de servir les malades. C’était une vie communautaire. » Les familles des employés, logées sur place, peuvent se fournir à moindre coût à « la dépense » de l’hôpital. Les médecins sont servis à domicile : « Il fallait voir les brouettes chargées de légumes et de fleurs qui descendaient ! Ce luxe de produits frais vient en bonne partie de la production de l’hôpital. Il y avait 150 cochons, 300 poules, des lapins, des canards... Une ferme, un potager, un verger. Les malades ont mangé de la viande à chaque repas pendant toute la guerre. Tapie derrière les bons souvenirs, la maladie se ferait presque oublier. C’était dur, très dur de voir ces jeunes s’accrocher à nous, de les voir cracher leur sang. De voir mourir des malades qu’on connaissait bien".
Les séjours durent rarement moins d’un an, et parfois bien plus. Certains patients restent sans permission de sortie trois années durant. Le temps est long et la journée rythmée seulement par les repas et les cures d’air. Quatre, voire cinq fois par jour, les malades s’installent sur des chaises longues dans les galeries ouvertes. Les médecins les surveillaient de la pelouse. Et s’il en manquait un, qui aurait voulu prolonger une partie de cartes, gare ! Mais je crois que cette immobilité les minait. Le personnel est là pour rendre aux patients l’espoir de la guérison. Les médecins m’appelaient souvent pour que je dise à un malade, avec mes mots simples, que oui, on pouvait s’en sortir. Et l’exemple des anciens était là aussi pour le prouver".
Dès que leur santé le permet, les malades participent à la vie commune. Ils font leur chambre, aident à la pluche des légumes, à l’effeuillage du tilleul, au ramassage des glands et des châtaignes. Le réentraînement à l’effort est considéré comme thérapeutique, aussi bien physiquement que moralement. Dans le projet du médecin-directeur de l’établissement, le Dr Louis Guinard, très vite des distractions apparaissent : séances de cinéma dès 1906, représentations dans le théâtre de l’hôpital, inauguré en 1934. On a vu défiler tous les chansonniers venus de Paris : Raymond Souplex, Pierre Dac, Jean Amadou... Venus pour la journée, ils s’en retournaient avec un panier bien rempli ! Mais rien ne doit entraver la discipline rigoureuse. Les femmes étaient devant, et puis deux rangs d’infirmières, comme des sentinelles, et les hommes derrière ! Des grillages séparaient le pavillon des femmes de celui des hommes, et si on était pris de l’autre côté, c’était la porte ! Pour le personnel, la règle est plus souple.

(zit.: https://www.viva.presse.fr/A-Bligny-le-soleil-venait-toujours.html).

Vorgestellt wird eine etwas ausgefallene Ansicht des Sanatoriums: die Desinfektionsabteilung - vor allem aber das Schild, rechts vorne im Bild:
"Ne crachez pas à terre"
Heute würde man sagen "par terre". Spucken war in der damaligen Gesellschaft - insbesondere auf dem Hintergrund der Tuberkulose - zu einem geächteten Verhalten geworden: man war gehalten, in sein Taschentuch, besser noch, in seinen Spucknapf zu spucken (siehe Spucknäpfe Dr. DETTWEILER) ...
Ansichtskarte, am 7.8.1936 von Bligny nach Luxemburg-Weimershof geschickt: auch Luxemburger Lungenkranke verbrachten hier Monate der Langeweile, des Heimwehs, der langsamen Genesung ...