Laborgerätschaften


Spiritus-Brenner

Docht, Tülle und aufgeschliffene Glaskappe. Seitlicher Einfüllstutzen und Stopfen 

- zum Sterilisieren der Oese, mit der eine Probe auf das Kulturmedium in der Petrischale (Agar) aufgetragen wird,
- zum Erhitzen von Reagentien usw.
benutzt man eine offene Flamme. In Grosslabors bedient man sich zumeist des Bunsen- oder Teclubrenners, im Kleinbetrieb eher des Alkohol- resp. Spiritusbrenners.

Brennspiritus enthält überwiegend Ethanol, der mit einem Vergällungsmittel versetzt ist, damit man den Spiritus nicht mehr trinken kann ( auf diese Art kann man die Alkoholsteuer umgehen).

Vorgestellt wird ein gläserner Spiritus-Brenner aus dem Fundus des ab 1962 in der Hauptstadt etablierten luxemburger Arztes Dr. Paul ROLLMANN.

Laboratorium


Trichinoskop

Trichinoskop
 

 

Zum Mikroskop

Nr. 65114

Okular Winkel-Zeiss T9x

Objektiv Winkel-Zeiss 11/T/4,5

Es wurde bis in die 1970er Jahre benutzt für die sogenannte "Quetschprobe".

Die Trichinoskopie, namentlich die Untersuchung von Muskelquetschpräparaten, wird nicht mehr empfohlen, weil damit keine nichtverkapselten Trichinen (T. pseudospiralis) nachweisbar sind. Diese Erkenntnis führte zur Ablösung der Trichinoskopie durch die Verdauungsmethode. Die Quetsch-probe war zulässig bis 2004/2005.
 
Das vorgestellte Mikroskop stammt vermutlich aus den 30/40er Jahren.

 

Zum Fabrikanten

1911 Umwandlung der Firma Winkel in eine GmbH und Eintritt der Firma Carl Zeiss, d. h. des Einzelkaufmanns Carl-Zeiss-Stiftung als Hauptgesellschafter. Erweiterung der Fabrik. 130 Mitarbeiter.

1945 wird die Tradition der Jenaer Mikroskopfertigung von Carl Zeiss in Göttingen fortgesetzt; 120 Mitarbeiter.

1957 Im Herbst ging das Werk von Winkel vollständig im Zeiss-Konzern auf.

 

Zu den Glasplatten

Zwischen die Platten ("Quetschgläser") kamen kleine Fleischstücken vom Schwein. So plattgedrückt konnte man durch das Fleisch sehen und nach Trichinellen suchen. Das sind Dauerformen eines Parasiten, die beim Rohverzehr von Schweinefleisch (Mett) auf den Menschen übergehen kann. Kompressorien sind dafür bestimmt, Tierfleischproben nach Trichinen und Finnen mit der Hilfe von Mikroskop und Projektionsgeräten zu untersuchen. Die zu untersuchenden Tierfleischproben werden auf die numerierten Rechtecke gelegt. Mit Hilfe von Schrauben presst die obere Glasplatte das Tierfleisch zusammen. Die Vorrichtung besteht aus zwei dicken Glasplatten, die mit den Schrauben an einander gepresst werden.

   Größe: 220x50x25 mm.

   Felder: 13×11 mm.

   Plattendicke: 4,5 mm.

Unmittelbar vor der Durchmusterung ist das Kompressorium nochmals von Schmutz und Fingerabdrücken zu reinigen …

 

Zwei Fläschchen

In dem Holzkasten stehen, in hölzernen Fächern, 2 Glasfläschchen, eines davon handschriftlich mit "Essig-Säure" beschriftet.  Laut Verordnung der Kommission der Europäischen Union muß auch 2005 ein Tierarzt, der Trichinoskopie durchführen will, "ein Glas mit Essigsäure und Kalilauge zum Aufhellen von etwaigen Verkalkungen und Erweichen von eingetrocknetem Fleisch" besitzen.

 

Lit.:

Schmitz, E.-H. (1981 - 1990) Handbuch zur Geschichte der Optik. Ergänzungsband 2a: Das Mikroskop. Wayenborgh, Bonn).

Laborgerätschaften


Urometer 1

um 1930

 

 

Professor Thomas FYENS (1567-1631) aus Louvain hatte Krankheiten noch aus dem Schall diagnostiziert, den der Harn hervorbringt, wenn man ihn ausleert. Dagegen wirkt die Uroskopie direkt vernünftig!

 

Im 19. Jh. entwickelte sich die Chemie und mit ihr rationelle Methoden der Harnuntersuchung. Bevor die grossen Zentrallabore uns mit Untersuchungsergebnissen überfluteten, mussten die Hausärzte mit oft prekären Mitteln selber die chemischen, bakteriologischen und mikroskopischen Untersuchungen durchführen.

 

Vorgestellt werden Densitometer, mit denen die Dichte bzw. das spezifische Gewicht des Urines bestimmt wurden - sog. Spindelaräometer, und, da Urin vermessen wird, heissen sie auch "Harnwaagen", Urinometer oder Urometer. Die Methode wurde von dem Wiener Pathologen Johann Florian HELLER (1813-1871) angegeben, der auch andere Harnuntersuchungen propagierte [Probe auf Eiweiss mittels Salpetersäure, dabei ringförmige Trübung; Probe auf Blut mittels Kalilauge, dabei Rotfärbung; Probe auf Zucker mittels Kalilauge, dabei schwarzbrauner Bodensatz].

 

Exponate

a) ein Modell nach VOGEL : Gewicht aus flüssigem Quecksilber. (Karl)-Julius VOGEL (1814-1880) kam am 25. Juni 1814 in Wunsiedel (Oberfranken)zur Welt als Sohn eines Anwaltes. Er besuchte die deutsche und lateinische Schule in Wunsiedel, ab 1827 das Gymnasium in Bayreuth. Mit einem Lehrer unternahm er 1829 eine Reise durch Tirol, Salzburg und Kärnten. Trotz dieser Anerkennung wurde er von seinen Eltern zum Kaufmann bestimmt und musste das Gymnasium mit 16 Jahren verlassen. Die kaufmännische Ausbildung erhielt er in Wunsiedel, Leipzig und Hamburg. Während seines Aufenthaltes in Leipzig hörte er an der Universität philosophische und historische Vorlesungen. Nach Wunsiedel zurückgekehrt, befasste er sich neben der kaufmännischen Tätigkeit mit den Studium der alten und neuen Sprachen sowie der Chemie. 1832 wechselte er als Kaufmann nach Hamburg, gab jedoch seine Stellung noch im selben Jahr auf und ging zurück an das Gymnasium Bayreuth. 1833 bestand er die Absolutorialprüfung und bezog die Universität München, um Medizin zu studieren. 1836 promovierte er mit der Dissertation »Sputorum elementa chemica et microscopia« zum Dr. med. Nach einem kurzen Aufenthalt in Wunsiedel setze Vogel seine Ausbildung an der Universität Erlangen fort. Danach unternahm er eine Studienreise, die ihn nach Berlin, Hamburg, Gießen und Paris führte. Insbesondere in Paris machte er sich mit der Anwendung der neuesten mikroskopischen sowie chemischen und physikalischen Analysemethoden vertraut. 1840 habilitierte sich Vogel an der Universität Göttingen. 1842 wurde er zum außerordentlichen Professor für das Fach pathologische Anatomie ernannt, wozu seine aufsehenerregenden physiologischen Studien Anlass gaben. 1846 berief die Universität Gießen ihn zum Ordinarius für Physiologie und Physiologische Chemie; 1855 wechselte er als Professor der Pathologie und Therapie an die Universität Halle. Zugleich leitete er medizinischen Klinik. Da Vogel jedoch die rein wissenschaftliche Tätigkeit bevorzugte, gab er die Klinikleitung an Theodor Weber ab und übernahm 1861 die Professur für pathologische Anatomie. Auf Grund eines Herzleidens zog er sich vom Lehramt zurück und setzte die Berufung Theodor Ackermanns durch. In den folgenden Jahren hielt Vogel gelegentlich Privatvorlesungen. Er starb am 7. November 1880 in Halle an einem Herzschlag.

Er schrieb:

- Physiologisch-pathologische Untersuchungen über den Eiter«, 1838.

- Über den gegenwärtigen Zustand der Physiologie«,1840.

- Icones pathologicae, 1843.

- Beiträge zur Kenntnis der Säfte und Experimente des menschlichen Körpers, 1843.

- Pathologische Anatomie des menschlichen Körpers, 1845.

- Neubauer,C. & J.Vogel, Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harns, 1854.

- Corpulenz. Ihre Ursachen, Verhütung und Heilung durch einfache diätische Mittel«, 1864, 21. Auflage 1889. Mit diesem Buch stellte Vogel zum ersten Mal Diät auf eine wissenschaftliche Basis!

- Das Mikroskop ein Mittel der Belehrung und Unterhaltung für Jedermann sowie des Gewinns für Viele. Leipzig, L. Denicke, 1867. 10, 278 S. m. 119 Textholzschnitten. Illustr. [eher populärwissenschaftliche Arbeit]

***

b) auch das Modell nach BOUCHARDAT hatte ein Gegengewicht aus flüssigem Quecksilber. Der Arzt und Chemiker Gustave BOUCHARDAT (1842-1918) arbeitete in Paris im Labor von Berthelot; er untersuchte Zucker, Kampher, Terebenthin, Quinin, Parfu. 1880 stellte er synthetisches Kautschuk her.

Laborgerätschaften


Urometer 2

Urometer 2 ATCO
 

 

Das spezifische Gewicht des Urines orientiert den Arzt - auch heute noch - über die Fähigkeit der Niere, den Harn zu verdünnen oder einzudicken; Werte von 1001-1030 kommen vor, i.A. schwanken sie um 1015-1025. Bei Schrumpfniere pendelt sich der Wert auf 1010 ein und kann von der Niere nicht mehr beeinflusst werden (Isosthenurie).

 

Zur Messtechnik: Schaum muss mittels Löschpapier entfernt werden. Zwei Korrekturen sind obligatorisch:
1. die Temperaturkorrektur, indem für je 3° über 15°C ein Teilstrich zugegeben wird [bei 21°C warmem Urin und gemessener Dichte von 1020 beträgt die Dichte also 1022]
2. die Eiweisskorrektur, indem für jedes Promille Eiweiss 0.26 Einheiten abzuziehen sind [bei 15%0 EW und gemessener Dichte von 1020 beträgt die Dichte also in Wirklichkeit nur 1017].

 

Exponat

ATCO-Urometer mit (s)einem Holzbehältnis. Als Gegengewicht dienen Bleikügelchen.

Erstanden in Innsbruck / Hafen 8/2017

Herkunft: aufglöste Praxis Dr. Armin ZUMTOBEL in Stumm/Zillertal.

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Uroskopie (1), Arzt mit Matula

Ansichtskarte, gestempelt 25.4.1957

 

Die Uroskopie geht auf Berichte aus Mesopotamien und dem alten Ägypten zurück und wurde von Galen perfektioniert, dessen Einfluss auf das medizinische Denken bis weit ins 16. Jahrhundert reichte. Nach seiner Säftelehre ließ sich an der Beschaffenheit des menschlichen Urins die etwaigen vorliegenden Krankheiten des Betreffenden aufgrund der zugrundeliegenden fehlerhaften Mischung der Körpersäfte nachweisen bzw. ausschließen.

Der ägyptische Arzt Isaac JUDAEUS (845-940) brachte die Idee nach Salerno, dass jede Krankheit eine spezielle Spur im Urin hinterlasse. An der medizinischen Schule von Salerno wurde die Methode zum Dreh- und Angelpunkt der Diagnosttik und fand sich dann im Rüstzeug der in Salerno ausgebildeten Ärzte.

 

Gilles de Corbeil (1140-1224) kam sehr jung nach Salerno und erhielt dort seine Ausbildung. Er bewarb sich in Montpellier, wird aber abgewiesen und fand in Paris Aufnahme. Nach seiner Magisterprüfung wurde er Domherr von "Notre-Dame" und Leibarzt Philipp Augusts. In Paris machte er mit viel Eifer die Lehren der Schule von Salerno bekannt. Seiner Meinung nach beruht die ganze medizinische Diagnostik

- auf dem Studium des Pulsschlags (De pulsibus) und

- des Urins (De urinis).

Von ihm stammt die standardisierte MATULA (auch Jordan, Jurdan oder latinisiert Jurdanus genannt) mit kolbigem Bauch.

 

Exponat

1568 bildete der Kupferstecher Jost Amman (1539-1591) in seinem "Eygentliche Beschreibung aller Stände auff Erden hoher und nidriger, geistlicher und weltlicher, aller Künsten, Handwerken und Händeln..." alias "Ständebuch" einen Arzt ab, der den Urin einer Patientin "spiegelt", indem er ihn gegen die Sonne hält. Unter dem Bild ein Text aus der Feder von Hans Sachs (1494-1576):

"Ich bin ein Doctor der Artzney

An dem Harn kan ich sehen frey

Was kranckheit ein Menschn thut beladn

Dem kan ich helffen mit Gotts gnadn

Durch ein Syrup oder Recept

Das seiner kranckheit widerstrebt

Dass der Mensch wider werde gesund

Arabo die Artzney erfund"

Ein "Arabo" d.h. Araber hatte den Syrup erfunden ...

Laborgerätschaften


Uroskopie (2) anno 1698

 

Christoph Weigel d. Ä. kam am 9. November 1654 in Redwitz im Egerland zur Welt ; er starb am 5. Februar 1725 in Nürnberg. Weigel war ein deutscher Kupferstecher, Kunsthändler und Verleger, der die Kunst des Kupferstechens in Augsburg erlernt hatte. Nach verschiedenen Stationen, unter anderem in Wien und Frankfurt am Main, erwarb er 1698 das Bürgerrecht in Nürnberg. In seinem Verlag sind zu seinen Lebzeiten ungefähr 70 Bücher und Stichfolgen erschienen.

Eines seiner wichtigsten Werke ist das Ständebuch von 1698 "Abbildung der gemein-nützlichen Haupt-Stände von denen Regenten und ihren so in Friedens- als auch Kriegs-Zeiten zugeordneten Bedienten an biß auf alle Künstler und Handwerker/ Nach Jedes Ambts- und Beruffs-Verrichtungen/ meist nach dem Leben gezeichnet und in Kupfer gebracht/ auch nach Dero Ursprung/ Nutzbar- und Denckwürdigkeiten/ kurtz/ doch gründlich beschrieben/ und ganz neu an den Tag geleget". Darin schilderte und beschrieb Weigel zweihundertzwölf Handwerks- und Dienstleistungsarten, jeweils illustriert durch einen Kupferstich nach dem Leben. Denn Weigel besuchte fast alle Werkstätten selbst, zeichnete und beobachtete vor Ort, stimmte den Inhalt seiner Artikel mit den Handwerksmeistern ab und zeichnete wichtiges Gerät vom Original ab. Auch das Bild des Arztes mit seinem Patienten ist in diesem Buch von 1698 vorhanden! im "Ständebuch" waren auch Kupferstiche abgedruckt, die in Amsterdam von Jan LUYKEN (1649-1712) und dessen Sohn Caspar LUYKEN (1672-1708) für Weigel gestochen worden waren - Berufe, die im süddeutschen Raum ungewöhnlich waren: See-Admiral, Schiff-Pompenmacher (Bombenmacher) und Ancker-Schmied. Stilistisch weichen diese Stiche von den anderen ab (zit. Michael Bauer, Christoph Weigel (1654-1725), Kupferstecher in Augsburg und Nürnberg. Sonderdruck. Frankfurt a.M. 1983 S. 839 ff.).

Weigels Plan war, den Holzschnitten in früheren Werken zur Beschreibung der Berufe und Stände die feinen Kupferstiche entgegenzusetzen, zumal sich von den gehärteten Metallplatten erheblich höhere Auflagen ohne Qualitätsverlust drucken ließen.
Weigel arbeitete besonders brillant in der Schab- und Linienmanier. Er war der erste Kupferstecher, der für den Untergrund eine Art Maschine verwandte. In Nürnberg arbeitete er bei der Anfertigung seiner Landkarten sehr eng mit dem kaiserlichen Geographen und Kartografen Johann Baptist Homann (1664-1724) zusammen. Weigels Verlag wurde nach 1725 von seiner Witwe weitergeführt, die noch etliche Arbeiten ihres verstorbenen Ehemannes herausgab - z. B. sein Wappenbuch erst im Jahr 1734.

Nach Seite 120 des "Ständebuchs" war das Bild "Der Doctor" eingebunden: ein in einen langen Mantel eingehüllter Arzt, den ein Patient aufsucht, und ihm einen Korb mitbringt, in dem eine Matula steckt (Germanisches Auktionshaus, Zürich) ...

Wenn ein historischer Laie das Bild betrachtet, kommt folgender Kommentar bei heraus:
"Der Arzt sitzt in der Praxis, umgeben von Regalen mit Büchern und Arzneiflaschen, vor sich ein aufgeschlagenes Kräuterbuch. Neben ihm steht sein Assistent und bereitet Arznei in einem Mörser" (Bookseller: L.G. Röth Sächsisches Buch- und Grafikka). Ein Mörser mit daran baumelndem Deckel? Unsinn!

Unter dem Bild der sinnige Text:

Wenn dieses Leben matt und kranck,
so greifft man bald zum bittern Tranck
dem Leib verlangte Krafft zu geben.
Doch spreist (=sträubt) man sich für Bitterkeit,
die Gott einschenckt in dieser Zeit,
dort ewiglich gesund zu leben.


Auftraggeber des im folgenden Jahres erschienenen Buches war Abraham a Santa Clara. Hatte er schon das Ständebuch von 1698 veranlasst? Er wurde am 2. Juli 1644 in Krähenheimstetten am Südrand der Schwäbischen Alb geboren als Johann Ulrich Megerle, Er starb am 1. Dezember 1709 in Wien. Er war ein katholischer Geistlicher, Prediger und Schriftsteller.
1699 publizierte er: 
"Etwas für Alle/ 
Das ist: Eine kurtze Beschreibung allerley Stands- Ambts- und Gewerbs- Persohnen/ 
Mit beygeruckter Sittlichen Lehre und Biblischen Concepten. 
Durch welche der Fromme mit gebührendem Lob hervor gestrichen/ der Tadelhaffte aber mit einer mässigen Ermahnung nicht verschont wird; 
Allen und Jeden heilsamb und leitsamb, auch so gar nicht ohndienlich denen Predigern/ verfertiget 
Durch P. Abraham a S. Clara, Augustiner Barfüssern/ Kayserl. Predigern/ und der Zeit Definitorem Provinciae.
Verlegt, und mit Kupfern vermengt Durch Christoph Weigel in Nürnberg/ auch in Wien zug finden Bey Johann Carl Hueber/ Buch- und Kunst-Händlern.
 Mit Römisch-Kayserl. Majestät Freyheit.
Würtzburg
Gedruckt bey Hiob Hertzen. 1699".

Laborgerätschaften


Uroskopie (3) Szene am Krankenbett

17. Jh.

 

 

   Ab 1500 hielt die Fachpresse wenig von der Uroskopie. Doch war das Vorgehen derart zum Inbegriff ärztlicher Tätigkeit geworden, daß viele Ärzte weiter uroskopierten, um einem Wunsch ihrer Patienten nachzukommen.

 

  Bis um 1800 bestand die Untersuchung des Urins im wesentlichen aus der Betrachtung desselben mit dem unbewaffneten Auge. Maler fanden ihre Freude daran, die Harnschau als eine typische, wenn auch lächerliche Betätigung der Ärzte darzustellen. Von dem bekannten "Petrarca-Meister"* stammt der fein ausgearbeitete Holzschnitt "Schmerz", auf dem er einen Patienten darstellt, der in der Rechten den VeAb 1500 rschluss des Urinales hält, in der Linken den Tragekorb. Der ihm gegenüberstehende, reich gekleidete Arzt hält das Harnglas prüfend gegen das Licht.

*benannt nach seinem Hauptwerk, den 258 Holzschnitten, mit denen er die (erst 1532 erschienene) deutsche Erstausgabe des theologischen Werkes von Francesco Petrarca illustrierte "De Remediis utriusque fortunae" oder "Von der Artzeney bayder Glück, des Guten und des Widerwärtigen" (1366). Das Werk trug ab der 2. Auflage (1539) den deutschen Titel "Trostspiegel oder Glücksbuch". Eine von Rudolf Schottländer kommentierte deutsche (2.) Ausgabe "Heilmittel gegen Glück und Unglück" wurde 1988 von Eckhard Kessler herausgegeben (ISBN 3-7705-2505-1).

 

Über den "Petrarca-Meister", einen der fruchtbarsten Graphiker der Dürerzeit, wissen wir nur, dab er im ersten Drittel des 16. Jh. in Augsburg für die Werkstatt Grimm arbeitete (Lexikon der Kunst, Karl Müller-Verlag Erlangen 1994), und vermutlich in Augsburg in der Werkstatt von Hans Burgmair ausgebildet worden war. Er wurde früher fälschlich mit dem in Strassburg lebenden Hans Weidnitz (1519-1536) identifiziert. Über 700 verschiedene Holzstiche von seiner Hand sind bekannt, seine Petrarca-Stiche waren um 1520 vollendet ... Weitere Ausgaben 1572, 1584, 1596, 1604, 1619, 1637 ...

 

Exponat

Wir konnten das aus der 1696 gedruckten Ausgabe stammende Blatt "Schmerz" im August 1997 bei R. Höpperger's Nachfolger in Innsbruck, Burggraben 31 erwerben.

 

Laborgerätschaften


Uroskopie (4), Matula (Replik)

Matula
 

 

   Im späten Mittelalter und der Renaissance entstand das standardisierte Uringlas für die ärztliche Diagnostik - ein rundkolben- bis birnenförmiges Glasgefäß mit weitem Hals. Manche Exemplare hatten einen flachen Boden zum Hinstellen, die meisten einen gewölbten Boden und bedurften eines Stützbehälters (Korb oder Holzgestell) zur Vermeidung des Umkippens. Durch diese abgerundete Form ähnelte die Matula – gewollt – der menschlichen Harnblase.

 

Der in diesem Gefäß gesammelte Morgenurin wurde zum Harn(be)schauer gebracht - einem Arzt oder Medizinkundigen, der die Probe entsprechend der Humoralpathologie auf Dichte, Farbe, Geruch, Geschmack und Sediment (lat. contenta „Inhaltsstoffe“) überprüfte und den Befund, im Zusammenhang mit anderen Daten des Patienten wertete. "Der Morgenurin wurde in der Matula – einem gross­kolbigen Uringlas – gesammelt und in einem speziellen Korb vor Sonnenlicht und Wärme geschützt dem Harnschauer überbracht. Begutachtet wurden Farbe, Konsistenz und Beimengungen sowie Geschmack und Geruch der Urinprobe unter Berücksichtigung der körperlichen Verfassung, des Temperamentes und Geschlechtes des Patienten. Diese historischen Berichte enthalten bereits Aspekte, die bis heute ihren Stellenwert in der Urindiagnostik behalten haben: Schon damals wurde die Bedeutung von korrekter Urinentnahme und Transport erkannt (Präanalytik) und der Urinbefund wurde stets in Zusammenhang mit dem klinischen Zustand des Patienten gewertet" (Dr. Rodo von Vigier, Nützliche Urinuntersuchung, in: Fortbildung, Kinderärzte.Schweiz 01/2013 S.14).

 

Die Matula galt seinerzeit als Symbol für die Uroskopie als unfehlbare Diagnosemethode ...

 

Dass die Gläser unten rund waren halte ich für ein Gerücht: auf viele zeitgenössischen Abbildungen stehen alle Gläser gerade da, in Reih und Glied auf einem Regal – trotz angebl. rundem Boden. Alles eine Frage des Stils – nie ist ein Arzt mit einer dicken Wampe dargestellt – alle sind schlanke Jünglinge.

 

Matula und Arztroman

Kein Arztroman ohne eine Matula. Das einstige Symbol des ärztlichen Tuns wirkt nach

- im Roman "Der Medicus" von Noah Gordon, der um das Jahr 1050 spielt, hielt der Arzt Ibn SINA eine glockenförmige, speziell für diesen Zweck von einem Glasbläser hergestellte Matula gegen das Licht.

- in dem Roman "Die Heilerin des Sultans" von Silvia Stolzenburg, der um das Jahr 1400 spielt, tauchte Sapphira die durchsichtige, kolbenförmige Matula in die warme Flüssigkeit, die anschließend von der "Tabibe" untersucht wurde.

- in dem Roman von Ursula Niehaus "Die Tochter der Seidenweberin", der im Jahr 1499 spielt, begutachtete der Arzt Gremberg in Kapitel 5 den Urin der ungewollt kinderlosen Lisbeth und benutzte eine birnenförmige Matula.

- in ihrem anderen Roman "Die Stadtärztin", der um 1560 spielt, tat es der Arzt Stammler mit dem Urin der zukünftigen Ärztin Agathe und benutzte eine Matula, deren Boden ausdrücklich flach war.

- in dem Roman von Jeannine Meighörner "Die Wolkenbraut", der ebenfalls im 16. Jahrhundert spielt, untersuchte Dr. KELLER den Urin in der kolbenförmigen Matula: "Tragende Weiber riechen nach Vanille, nach den süßen Schoten aus dem Aztekenland, wenn sie Zwillinge tragen, nicht nach den herberen von den Komoren".

- in dem Roman "Die Ärztin von Bologna" von Wolf Serno, der um 1570 spielt, hielt der Arzt Valerini die kolbenförmige Matula gegen das Licht.

 

Exponat

Ein Flohmarkt-Glas mit flachem Boden, das mich an die legendäre Matula erinnerte.

 

Lit.:

Mattelaer JJ., Some historical aspects of urinals and urine receptacles, in: World J Urol. 1999 Jun;17(3):145-50.

 

 

Laborgerätschaften


Uroskopie (5), Tragekorb mit Uringlas

um 1900 

 

 

Der  iranische Arzt Ismail GORGANI (1040–1136) empfahl, die gesamte, über 24 Stunden ausgeschiedene Urinmenge in einem sauberen Gefäß zu sammeln und ihn von Sonne und Wärmequellen fernzuhalten, wodurch sich die Farbe verändern könne.

 

Später ging man zur Stichprobenuntersuchung über. Bei der Harnschau wurde der Morgenurin ("beim Hahnenschrei") nach einer ausgeklügelten Technik in einem durchsichtigen Glasgefäß mit trichterförmiger Öffnung gesammelt, Matula oder Urinal, kurz Uringlas genannt. Die Matula mit der Urinprobe wurde vor Sonneneinstrahlung und anderen Wärmequellen geschützt in einem Korb dem medizinischen Harn(be)schauer (der Vorläufer des Urologen) gebracht, der die Urinproben zweimal - "frisch" sowie "zwei Stunden alt" - begutachtete. Nach den Vorschriften Galens prüfte man das Urin hinsichtlich Dichte (Konsistenz), Farbe, Geruch, Geschmack und Sediment. 20 verschiedene Harnfarben (von kristallklar über hellgelb, kamelhaarweiß, himbeerrot, brombeerrot, fahlgrün, tiefgrün bis schwarz) wurden dabei unterschieden (im "Fasciculus Medicinae" des Johannes de Ketham [= Johannes Kirchheimer] von 1491 beschrieben). Die Konsistenz teilte man in dünn, mittelmäßig oder dickflüssig ein. Des Weiteren wurde der Urin auf Sediment (Beimengungen, latein. contenta = Inhaltsstoffe) untersucht, zu denen Bläschenbildung, Fetttröpfchen und sand-, blatt-, kleieartige und linsenförmige, unterschiedlich gefärbte Niederschläge, trübende Niederschläge und andere Konkremente gehörten. Der Geschmack des Urins wies unter anderem auf ein Vorliegen der Zuckerkrankheit hin.

 

Noch um 1900 distanzierte sich die Laienpresse nicht wirklich von der Methode, hielt sie allerdings für ungenügend und forderte eine zusätzliche chemische Analyse:
"Das Verhalten des Harns in Krankheiten ist für den Arzt ein wichtiges Hilfsmittel zur Erkennung und Beurteilung zahlreicher krankhafter Zustände und Vorgänge im Körper. Nicht nur bei Krankheiten der Harnorgane selbst kann man aus der Beschaffenheit des Harns wertvolle Aufschlüsse gewinnen; bei den innigen Beziehungen, in denen der H. zum Stoffwechsel steht, wird man vielfach aus den Abweichungen des Harns von der Norm auf Störungen in den chemischen Vorgängen des Gesamtorganismus zurückschließen können. Von alters her haben sich die Ärzte wie Laien gewöhnt, bei jeder Krankheit den H. des Patienten zu betrachten. Allein diese Uroskopie oder Betrachtung des Harns mit dem bloßen Auge reicht nicht aus. Es wird in der Regel die chemische und in vielen Fällen auch die mikroskopische Untersuchung des Harns vorgenommen werden müssen, wenn man gründlichen Aufschluß über die Natur des vorliegenden Leidens erlangen will" (Meyers Großes Konversations-Lexikon; 6. Auflage 1905–1909).

 

Vorgestellt wird ein nicht datierter Urinbehälter mit seinem Körbchen aus geflochtener Weide. 

Pokal: Höhe 28 cm, Durchmesser 12.5 cm, Fassungsvermögen 2.5 Liter. Graduierung. Glas markiert: "Tissier à Paris". Das Haus TISSIER wurde 1761 gegründet, Sitz der Fa. 204, Faubourg Saint Denis PARIS - "commerce et fabrication de verrerie, cristaux, porcelaine et faïence"; stellte auch Babyflaschen her; Katalog von 1895 (siehe bei ludogrid). Medaillen bei den Weltausstellungen in PARIS 1878 und1889.

Korb: Höhe mit Henkel 48 cm, Durchmesser 20.5 cm.
Herkunft des Objektes: Bréchamps / Eure et Loir

 

Wir glauben, dass es sich um einen "Urinmesszylinder, graduiert, zur Bestimmung der 24stündigen Harnmenge" handelt, so wie er S. 17 im "Medicinischen Waarenkatalog, Berlin" von ~1910 abgebildet ist: die Bestandteile der einstigen Uroskopie (Matula und Korb) leben weiter, unter neuem Gewand ... Heutzutage werden diese "Urin-Sammelflaschen" in Plastik angeboten mit einem Fassungsvermögen von 2.000 - 2.500 - 3.000 ml. Von der einstigen Uroskopie mit der Beurteilung von "Farbe, Geschmack, Bodensatz und Beschaffenheit" ist nur die Bestimmung der "Menge" geblieben. Die weitere Beurteilung erfolgt im chemischen Labor.

 

Was aber besagt die Menge des 24Stundenurins? Nichts - sie dient nur zum Hochrechnen der über 24 Stunden ausgeschiedenen chemischen Stoffe (Zucker, Cortisol, Quecksilber, Salze etc). Nur in den seltenen Fäller von sog. "Hydrurie" wird einfach überschüssiges Wasser ausgeschieden, ohne absonderliche Inhaltsstoffe (siehe Urometer) !

Laboratorium


Zählkammer n. BÜRKER

Bürker
 

Erythrozytenzählung ist die Berechnung der Konzentration der roten Blutkörperchen im Blut, angegeben als Zahl (in Millionen) pro Kubikmillimeter Blut. Die Messung kann mikroskopisch mit einer Zählkammer oder elektronisch durchgeführt werden.

 

Karl Bürker (*10. August 1872 in Zweibrücken. †15. Juni 1957 in Tübingen). Studium an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. 1893 wurde er Mitglied, später Ehrenmitglied des Corps Franconia Tübingen. 1897 promovierte er mit einem physiologischen Thema zum Dr.med.. Drei Jahre später promovierte er in Tübingen auch zum Dr.sc.nat.. 1901 habilitierte er sich dort an der Medizinischen Fakultät. 1917 folgte er dem Ruf der Hessischen Ludwigs-Universität auf ihren Lehrstuhl für Veterinärphysiologie. 1925/26 war er Rektor der HLU. 1940 emeritiert, war er bis 1944 Lehrbeauftragter für Neue Deutsche Heilkunde. Als 81-Jähriger bekannte er sich in aller Entschiedenheit zum Corpsstudententum. Als Nachfolger von Karl von Vierordt erhielt Prof. Paul Grützner (1847-1919) 1884 einen Ruf nach Tübingen. Außer grundlegenden Arbeiten über Stimme und Sprache veröffentlichte er eine große Zahl von Untersuchungen über die Physiologie von Nerven und Muskeln, die Harnsekretion und die Kreislaufphysiologie. (In Grützners Institut arbeiteten Karl Bürker und der englische Physiologe Archibald Vivian Hill (*26. September 1886 in Bristol; †3. Juni 1977 in Cambridge). Während Hill auf dem Gebiet der Wärmeerzeugung der Muskeln arbeitete und für seine Entdeckungen 1922, gemeinsam mit Otto Fritz Meyerhof, den Nobelpreis für Medizin erhielt, entwickelte Bürker Messeinrichtungen zur Hämoglobinbestimmung und die sog. "Bürkersche Zählkammer", mit der die Zahl der Blutkörperchen im Blut bestimmt werden kann.

 

Vorgestellt wird ein Originalbesteck nach BÜRKER aus dem Jahr 1905. Herkunft Sulzemoos/BRD im westlichen Landkreis Dachau (Regierungsbezirk Oberbayern).

 

Lit.:

- Eine neue Form der Zählkammer, in: Archiv für die gesamte Physiologie; 107 (426-451) 1905.

- Das Grundübel der älteren Zählmethoden für Erythrocyten und seine Beseitigung. Mit besonderer Rücksicht auf Versuche im Hochgebirge. Hager 1913.

Laboratorium


Zählkammer n. NEUBAUER

Neubauer
 

Die erste quantitative Bestimmung der roten Blutkörperchen erfolgte im Jahre 1852 durch Karl VIERORDT (1818–1884), Physiologe aus Tübingen. Bei dieser langwierigen Methode wurde ein bestimmtes Blutvolumen verdünnt, auf einem Objektträger ausgestrichen, mit einem Glasraster bedeckt und alle 4,6 bis 5,8 Millionen Zellen pro mm3 ausgezählt. Bereits 1855 schlug der Holländische Augenarzt (!) Antonie C. CRAMER (1822–1855) eine Zählkammer bekannter Tiefe und mit Raster vor. 1873 gab Louis Charles MALASSEZ (1842-1909) eine Zellzählung an, bei der das Okular eine Rasterung trug. Später übertrug er die Rasterung auf den Objektträger. Er gilt daher als der Erfinder des (französischen) Hämocytometers (frz. hématimètre). In Deutschland wurde die Zählkammer nach Karl THOMA (1843-1923) 1878 erstmal von Ernst Abbe vorgestellt. Das sowohl von Malassez als auch von Thoma verwendete Prinzip, ein Gitternetz in den Boden der Kammer zu ritzen, anstatt wie bei den bis dahin verwendeten Zählkammern eine Teilung im Okular zu verwenden, setzte sich relativ schnell durch und wird bis heute nahezu unverändert im Labor eingesetzt. 1905 wurde das Netz durch Karl BÜRKER (1872–1957) verbessert und erhielt seine noch heute übliche Ausstattung (Bürker-Kammer). 1924 publizierte Prof. Otto NEUBAUER (1874-1957) eine neue Netzeinteilung.

 

Zählkammern dienen der Bestimmung der Teilchenzahl pro Volumeneinheit einer Flüssigkeit. Die Teilchen (z.B. Bakterien, Erythrozyten, Leukozyten, Pflanzenpollen, Pilzsporen oder Thrombozyten) werden unter dem Mikroskop visuell ausgezählt. Die Zählkammer n. Prof. Viktor Schilling wurde um 1925 angegeben (zit. Museum optischer Instrumente). "Aufbewahrt wird die 33 x 75.5 mm2 messende Platte mit den zugehörigen Mischpipetten inkl. Gummischlauch und Mundstück ("farbcodiert": rot zur Blutverdünnung 1:200 für die Erythrozytenzählung, weiß für eine Mischung 1:20 zur Leukozytenzählung) in einer mit Filz ausgeschlagenen Schatulle, welche die Aufschrift Blutkörperzählapparat trägt". Prof. Viktor Schilling (1883-1960), geboren 28.8.1883 Torgau, gestorben 30.5.1960 Rostock; Universität Berlin und Charite ausgebildet, Oberarzt Universität Münster, 1941 Ordinarius für Innere Medizin, Leitung der Medizinischen Uniklinik bis 1957, hielt die medizinische Versorgung der Bevölkerung trotz Zerstörung von Teilen aufrecht, Wiederherrichtung und Planung Neubau, 1952 begonnen, Seuchenkommissar für Rostock in der Nachkriegszeit, wissensch. Ruf in der Hämatologie, Mitbegründer der deutschen Gesellschaft 1937, Ehrenmitglied der Europäischen Gesellschaft für Hämatologie.

 

Herkunft der vorgestellten Zählkammer (siehe Zählkammer 1).

Innere Medizin


Zählkammer (3) nach MALASSEZ

Malassez 1
 

 

Erythrozytenzählung ist die Berechnung der Konzentration der roten Blutkörperchen im Blut, angegeben als Zahl (in Millionen) pro Kubikmillimeter Blut. Die Messung kann mikroskopisch mit einer Zählkammer oder elektronisch durchgeführt werden. Die erste quantitative Bestimmung der roten Blutkörperchen erfolgte im Jahre 1852 durch Karl VIERORDT (1818–1884), Physiologe aus Tübingen. Bei dieser langwierigen Methode wurde ein bestimmtes Blutvolumen verdünnt, auf einem Objektträger ausgestrichen, mit einem Glasraster bedeckt und alle 4,6 bis 5,8 Millionen Zellen pro mm3 ausgezählt. Bereits 1855 schlug der Holländische Augenarzt (!) Antonie C. CRAMER (1822–1855) eine Zählkammer bekannter Tiefe und mit Raster vor.

 

Während also der "deutsch-niederländische Weg" darin bestand, das Raster auf das Objekt zu legen, ging man in Frankreich den Weg über das Okular des Mikroskopes: 1873 gab Louis Charles MALASSEZ (1842-1909) eine Zellzählung an, bei der das Okular (!) die Rasterung trug. Er gilt als der Erfinder des (französischen) Hämocytometers (frz. hématimètre). Die erste von Malassez angegebene Erythrocyten-Zählung ist in dem Buch "A Manual Of Physiology" von Gerald F. Yeo beschrieben.

 

Die zweite von Malassez angegebene Erythrocyten-Zählung erfolgte nicht mehr in einem kapillaren Röhrchen, sondern in einer feuchten Kammer. Da die Zählung ein besonderes Okular am Mikroskop (!) voraussetzte, liess sich Malassez seine Zählkammer bei P. DUMAIGE (Gravur auf der Pipette) herstellen, der sein Atelier in Paris, 24 rue St. Merri, 3 rue des Pointevins, auch 9 rue de la Bucherie hatte und in der Zeitspanne 1870 bis 1900 in der Hauptsache Mikroskope, Mikrotome, Pantometer, Stereokameras und Theodolite baute. 1885 hatte Pasteur eines seiner Mikroskope benutzt, als er über die Bier-Gärung arbeitete.

 

Die beiliegende Mischpipette wurde 1867 (zit. Domarus) von dem französischen Internisten Pierre-Carl-Joseph Potain (1825-1901) und seinem Mitarbeiter "interne" Malassez erdacht und von Malassez publiziert; sie wurde später von Georges Hayem (1841-1935) übernommen. Als Hayem und sein Konstrukteur Alfred Nachet (1831-1908) die Pipette 1875 zu Gunsten von 2 getrennten Pipetten verwarfen, hielt Malassez an seiner Pipette fest.

 

Herkunft: Talence i.d. Aquitaine/F

 

Henri Bourges (1861-1942) und Louis-Jacques Tanon (1876-1969) vom "Institut de médecine coloniale de la Faculté de médecine de Paris" fanden belobigende Worte für seine Zählkammer: "(L'appareil) de Malassez est bien plus simple et meilleur; il faut prendre celui qui est fabriqué chez (Maurice) Stiassnie ou chez Dumaige, car ces deux appareils sont soignés et les vis qui font épaisseur y sont soigneusement repérées" (Tableaux de diagnostic bactériologique et cytologique, Paris 1913 S.23).

 

Lit.: Murray Linton VERSO, The Evolution of blood-counting techniques, vorgetragen auf der Tagung der "Section of the History of Medicine, First Australian Medical Congress, Adelaide, South-Australia" am 23. Mai 1962.